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Max Richard Leßmann - "Sylter Welle"

Worum gehts?

Der Autor erzählt seine ureigene Geschichte in einer Weise, die sich anfühlt wie ein Strandspaziergang mit einem alten Freund bei mittelprächtigem Wetter, bei dem das Gespräch vom Hundertsten ins Tausendste kommt, von alltäglichen Banalitäten zu den ganz großen Fragen um Leben, Liebe und Tod. Einen Urlaub mit den Großeltern schildert der Erzähler, so wie früher in seiner Kindheit. Es zeichnet sich ab, dass es die letzte gemeinsame Reise bleiben soll, das Alter fordert bereits überall Tribut.

Aktuelle Beobachtungen mischen sich mit Erinnerungen, und gerade wenn man beginnt, das ein bisschen egal zu finden, reißt Leßmann die ganz großen Fässer auf, und einem wird klar, wovon "Sylter Welle" wirklich handelt: von erlittenen und bevorstehenden Verlusten. Von der Einsamkeit, die die Träger*innen von über Jahre und Jahrzehnte gewahrten Familiengeheimnissen umwabert. Von den Kratern, die der Tod in die Herzen und Seelen von Menschen und in ihre Familien schlägt. Von den hilflosen Strategien, mit der die Zurückgelassenen versuchen, die klaffenden Löcher notdürftig zu stopfen, oder wenigstens irgendwie zuzudecken, um nicht selbst hineinzustürzen, natürlich vergebens. Vor allem erzählt dieses Buch von der großen Sprachlosigkeit, die unsere Eltern- und Großelterngenerationen noch viel, viel fester im Würgegriff hatte als die Spätergeborenen.

Wer hats geschrieben?

Max Richard Leßmann ist Sänger, einst mit Vierkanttretlager, seit einiger Zeit aber auch solo unterwegs. Er podcastet, das tun ja irgendwie alle. Außerdem veröffentlicht er Gedichte via Instagram, deren schiere Zahl schon die durchwachsene Qualität vorwegnimmt: manche ganz süß, manche komplett banane. Ob in ihm auch das Talent zum Romanautor schlummert, wird sich zeigen müssen, wenn er sich erst an fiktionalen Stoff wagt. Seine eigene Biografie hat er jedenfalls schon einmal grandios in Buchform gebracht.

Wer solls lesen?

Ich wette, dass original jede*r Parallelen zu seiner eigenen Familiengeschichte ziehen kann. Die geschilderten Situationen gleichen sich vielleicht nicht, wohl aber die zugrunde liegenden Mechanismen. Um das festzustellen, muss man weder Fan von Indiemusik noch Podcast-Publikum sein, und man braucht auch keinen Zugang zu Instagram-Poesie. Zum Glück.

Das beste Zitat:

"Dafür, was man sagt, wenn jemand stirbt, den man lieb hatte, hat die Menschheit noch keine passende Lösung gefunden, jedenfalls keine, von der ich jemals gehört hätte."

Wertung: 4/5

Text von Dani Fromm

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Max Richard Leßmann - "Sylter Welle"*

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