Freddy Quinn - "Wie es wirklich war"

Worum gehts?
Ein Mann jenseits der 90 lässt sein wahrhaft bewegtes Leben noch einmal Revue passieren. In mehreren Jahrzehnten im Showgeschäft kamen so viele Geschichten, Anekdoten, Erlebnisse und Erkenntnisse zusammen, so viel Erzählenswertes, dass man sich wirklich fragt, warum sie sich für die schon 1960 erschienenen Biografie seinerzeit so viel Humbug aus den Fingern saugen müssen: Die Wahrheit hätte es doch mehr als getan. Mit kursierenden Unwahrheiten aufzuräumen, endlich zu erzählen, "Wie es wirklich war", und das aus der eigenen Perspektive heraus, das scheint dem Protagonisten das vordringlichste Anliegen zu sein. Plus: Er hat verständlicherweise keine Lust mehr, Interviews zu geben. Deswegen lieber alles noch einmal erzählen, es dann gut sein lassen und sich wirklich zur Ruhe setzen.
Wir hören von einer Kindheit im Wien der frühen 30er, von den Wirren des Kriegs, von abenteuerlichen Reisen, wohin sie führten und wie sie endeten, und wir erfahren von einem mysteriösen Mordfall. Hauptsächlich aber begleiten wir einen gestandenen Showman bei seinem Aufstieg, von den Anfängen in der Hamburger Hafenkneipe bis auf die ganz großen Bühnen, und bekommen eine Ahnung davon, wie teuer da ein Mann für das ihm übergestülpte Image bezahlen musste. Niemals durfte er aus der Rolle fallen, die er zugedacht bekommen hatte. Er musste den einsamen Seemann mimen - bis jetzt. Dieses Buch klingt trotz allem kein bisschen bitter oder reuig, der Ton bleibt stets höflich, stilvoll und vor allem dankbar. Trotzdem fühlt es sich an wie ein Befreiungsschlag. Endlich.
Wer hats geschrieben?
Freddy Quinn ist Legende, weit über die Welt des Schlagers hinaus. In den 1950er und 60er Jahren reihte er einen Top-Ten-Erfolg an den nächsten, seine Diskografie ist so uferlos wie das von ihm unentwegt besungene Meer, er blickt auf über 60 Millionen verkaufte Schallplatten zurück und gehört damit zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Unterhaltungskünstlern überhaupt. Er ist zwar gebürtiger Österreicher, lebte aber so viele Jahre in Hamburg, dass viele meinen, seine Wiege muss auf der Reeperbahn gestanden haben. Quinn hat eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung überstanden, aus der er keinen Hehl macht. Vor zwei Jahren heiratete er seine Lebensgefährtin, mit der er, inzwischen schon seit gut 15 Jahren aus dem Rampenlicht zurückgezogen, nun auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein residiert.
Beim Aufschreiben seiner Memoiren, diesmal den richtigen, ließ er sich von Daniel Böcking helfen. Dass der Journalist und Autor zeitweise stellvertretender Chefredakteur der Bild-Zeitung war und bei dem Blatt, meines Wissens, auch immer noch arbeitet, merkt man diesem Buch zum Glück nicht an: Böcking brachte Quinns Erinnerungen angenehm unaufgeregt und gar nicht reißerisch zu Papier. Wie die Zusammenarbeit für das Projekt ablief, macht direkt das erste Kapitel transparent.
Wer solls lesen?
Das fragt sich Freddy Quinn auch: "Interessiert sich überhaupt noch jemand für mich? Vielleicht findet dieses Buch nicht viele Leser. Meine liebe Frau Rosi und ich haben lange darüber gesprochen, ob es sinnvoll ist, damit anzufangen, Jahrelang." Zum Glück haben sie es getan. Hier können altgediente Freddy-Quinn-Fans ihr Bild von ihrem Idol korrigieren, und, wer weiß? Vielleicht finden sich sogar ein paar neue, die Lust haben, in dieses Zeitdokument einzutauchen. Es lohnt sich auf jeden Fall.
Das beste Zitat:
"Neulich waren wir bei einem Friseur. Der Herr war sehr freundlich und sah sehr südeuropäisch aus. Ich habe ihn also gefragt, ob seine Heimat in der Türkei liege. Und dann habe ich losgesungen, das bisschen, was ich auf Türkisch draufhabe. Rosi wäre vor Scham beinahe im Boden versunken. Vielleicht sei es ihm unangenehm, so ausgefragt zu werden, hat sie mir später gesagt. Vielleicht sei er seit seiner Geburt in Deutschland und es sei übergriffig, ihn so unmittelbar auf seine Herkunft anzusprechen. So hatte ich das aber doch gar nicht gemeint. Ich hatte gehofft, den Herrn mit einem Lied, das er kennt, zu überraschen und war interessiert an seiner Geschichte. Zum Glück hat er gestrahlt und gelacht. Seine Kollegen kamen hinzu und fanden das auch ganz toll, dass dieser Senior in ihrem Laden türkische Lieder singen kann. Der Friseur stammte übrigens aus Albanien."
Wertung: 5/5
Text von Dani Fromm
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