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Cher - "Die Autobiografie, Teil 1"

Worum gehts?

Um das Leben der Sängerin Cher, von ihrer Geburt - nein, sogar von ihrer gescheiterten Abtreibung an - bis ins Jahr 1978. Da war sie 42 Jahre, und es sind knapp 500 Seiten um. Es ist dies die Geschichte vom Aufwachsen in Armut in den USA, vom Schlangestehen für Bohnen, Kondensmilch und Schmalz in Chers Kindheit, und vom erfüllten Traum, reich und berühmt zu werden.

Die kleine Cher, Cherilyn oder Cheryl, wie in ihrer Geburtsurkunde steht, hat eine Schauspielerin als Mutter, die stets um Engagements kämpft und ihre Töchter teils mit Werbespots für Kaugummis oder Waschmaschinen finanziert, sofern sie es überhaupt schafft. Einige Monate bringt Cherilyn in einem Waisenheim bei Nonnen zu, obwohl ihre Eltern durchaus am Leben sind. Vater und viele Stiefväter wechseln während Cheryls Kindheit durch, zumeist glücklose Schauspiel-Kollegen mit anderen Brotjobs, mit Heroin-, Alkohol- und Gewaltproblemen. "Die Frauen in meiner Familie sind nicht gut darin, sich ihre Männer auszusuchen (...) die meisten Freunde meiner Mutter sahen schließlich aus wie Filmstars", fasst die Sängerin zusammen. Oft muss sie umziehen. Ist mal Geld da, entschwinden die Eltern abends, und die Babysitterin rückt an.

Um die Frauen in der Familie zu vergleichen, scrollt Cher zurück bis zu ihrer Uroma. "Ich wünschte, ich wüsste mehr über meine Urgroßmutter Margaret, die ihr Haar in langen Zöpfen trug und im Wald Heilkräuter sammelte." Beim Lesen wünscht man sich das nicht und denkt eher: 'Woah, nein, bitte das jetzt nicht auch noch.' Eigentlich stolpert man sowieso über ein Gerümpel an Details, etwa dass die Mama Daumenlutscherin war. Bis man verstanden hat, wieso die Familie überhaupt so ausufernd beschrieben wird, sind die ersten 70 Seiten vorüber, erst dann nimmt die Geschichte Fahrt auf.

Ganz nebenbei liest man, dass Musik dem einsamen Außenseiter-Kind in der eigenen Orientierungslosigkeit geholfen habe, dass Country dabei ihr erstes Trostpflaster gewesen sei, und dass Cher im Alter von vier Jahren Shakespeare-Zeilen habe rezitieren können. Lustig sind die Geschichten vom ersten Fernseher, dem ersten Hund und der ersten Dauerwelle. Die Erzähltechnik ist linear chronologisch und mitunter geschwätzig, und man wundert sich, wie viele Details Cher von ihrer frühesten Kindheit behalten hat. Ach ja, irgendwann kommt sie dann sogar bei Sonny & Cher an.

Wer hats geschrieben?

Cher, die ihre Karriere in den Sixties als eine Hälfte von Sonny & Cher begann, mit einem weiteren Ehemann, Gregg Allman (Allman Brothers), in den Siebzigern aufnahm, die Achtziger mit New Wave-Rock in einer Band namens Black Rose startete, 1998 das Auto-Tuning im Erfolgsalbum "Believe" für sich entdeckte, in den 2000ern als eine der ersten (nach Prince) nur über ihre Webseite ein Album veröffentlichte, in den 2010ern ABBA coverte, sich 2023 zu einem Weihnachtsalbum besann und nebenbei schauspielert. Madonna schnappte ihr den Titel als "Queen of Pop" rechtzeitig weg, trotzdem ist Cher eine Popsängerin mit Präsenz in acht Dekaden.

Wer solls lesen?

Geduldige Menschen, die sich über alles für Familien-Chroniken interessieren. Wer ein Faible für verkorkste Kindheiten hat. Fans anekdotischer Biographien, die gerne alles lesen wollen, das je passiert ist.

Das beste Zitat:

Angesichts des Yin und Yang in den Schilderungen, zwei Zitate:

"Mit zehn hatte ich so viele Kratzer, dass meine Mutter und Mamaw wetteten, dass ich niemals einundzwanzig werden würde. Ich landete so oft in der Notaufnahme, dass meine Mutter witzelte, ob sie auf dem Nachhauseweg von der Arbeit lieber erst dort vorbeischauen sollte."

"Ich lernte früh, dass die meisten Erwachsenen unberechenbar sind und man sich nicht auf die verlassen konnte, daher war ich immer wachsam."

Wertung: 2/5

Text von Philipp Kause

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