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Alexander Newman - "Greensleeves: The First 100 Covers"

Worum gehts?

Um die Geschichte des Londoner Reggae- und Dancehall-Labels Greensleeves. Genau 50 Jahre ist es her, dass der Greensleeves-Plattenladen im November 1975 eröffnete. Schon nach einem halben Jahr war aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda die Nachfrage speziell nach Soul und Reggae so hoch, dass der Laden in den Stadtteil Shepherd's Bush umzog. Jamaikanische Einwanderung sorgte für eine aktive Szene in den Clubs, wo Bands und Soundsystems schon vor dem Aufkommen von Two Tone-Ska und Dancehall auftraten, danach umso mehr. Im November 1977 erkannten die Ladenbetreiber, dass sie manche LPs selbst pressen mussten statt darauf zu warten, dass jamaikanische Artists in ihrer Heimat ein Label finden.

Das nerdige, englischsprachige Buch kombiniert Nachdrucke der kreativsten Cover-Abbildungen, Plakate, Werbeanzeigen, Zitate, unzählige Fotos, Bestenlisten von Songs und Riddims und die vollständige Diskographie der über 1.500 Greensleeves-Alben sowie der renommierten Compilations, Singles und Veröffentlichungen auf Sublabels wie UK Bubblers, spezialisiert auf britische Artists, und Cool Rockers, gewidmet dem Londoner Lovers Rock. Text-Herzstück sind fünf Interviews mit Label-Mitarbeiter, darunter die Gründer Chris Cracknell und Chris Sedgwick, Grafikgestalter Tony McDermott und ein Toningenieur, alle geführt vom Autor.

Greensleeves steht für solch unterschiedliche Artists wie die Capital Letters, Barrington Levy (dessen Debüt die Katalognummer 9 trägt) und Shabba Ranks, blieb dabei immer Spezialist für jamaikanische Musik. Cracknell produzierte sogar einiges selbst. Aufs Konto des Londoner Labels gehen Shaggys Durchbruchs-Hit "Oh Carolina" und zuletzt der "Diwali Riddim" mit den Hits "(Uh Oooh) Never Leave You" (Lumidee), "No Letting Go" (Wayne Wonder), "Get Busy" (Shaggy), "Love Is Wicked" (Brick & Lace), Grundlage auch für Rihannas Erstling "Pon De Replay". Auf diesem Höhepunkt wurde die Firma verkauft. Heute gehört sie dem ehemals direktesten Konkurrenten VP aus New York. Greensleeves war in der Zeit der Umstellung von Vinyl auf CD auch Europa-Vertrieb beziehungsweise Lizenznehmer für die wichtigsten amerikanischen Reggae-Labels RAS, Heartbeat und Shanachie (mit EFA als Partner in Hamburg). Das Buch geht Entstehung, Arbeitsweise und Entwicklung genauestens auf den Grund und erinnert an die wichtigsten Hymnen, an tolle vergessene Songs und ans Aufkommen von Jungle in den '90ern.

Wer hats geschrieben?

Alexander Newman hat früher für die englischen Magazine Blues & Soul und Fatboss, ein Hip Hop-Fachblatt mit Kassetten-Beilagen, geschrieben. Inzwischen ist er Buchautor. Außer über Musik hat er mehrmals über Mode publiziert, zum Beispiel über den Stellenwert von Clarks-Schuhen. Sein Ansatz ist es, Nerd-Wissen zu kreieren und zu verbreiten, das in die Tiefe geht. Newman hat die Interviews im Buch zwischen 2008 und 2022 geführt. Die Plattencover, die dem Buch den Titel geben, stammen zumeist vom Haus- und Hof-Grafiker der porträtierten Plattenfirma, Tony McDermott. Er kommt ausführlich zu Wort.

Wer solls lesen?

Roots Reggae-, Dancehall-, Dub- und Lovers Rock-Fans, die guten alten Zeiten nachhängen und sich insbesondere für Vinyl-Kultur, Plattensammeln, jamaikanische Riddims, Soundsystems und die 1980er interessieren. London-Tourist*innen, die sich ein genaueres Bild von der Underground-Kultur in der betreffenden Musikszene verschaffen möchten und sich für die Hintergründe einzelner Fotos und Plattencover und für ihre Schauplätze interessieren. Nerds, die in Sachen Rasta-Culture mitreden wollen und mehr als drei Produzenten-Namen kennen. Secondhand-Jäger und Sammler*innen, die schauen wollen, was ihnen noch fehlt. Alle, die sich für das Geschäftsmodell von Independent-Plattenlabels maßlos interessieren. Fans cooler Fotobücher. Fotograf*innen, die uns in der Redaktion mit gruseligen Pressefotos bombardieren und lernen wollen, wie professionelle Fotos von Bands ausschauen.

Das beste Zitat:

"I was always on the look-out for young, new, exciting things happening; music that was pushing barriers, and by 1984 Jamaica's deejays were running out of ideas, but here in the UK you had an explosion of young, new sound systems (...) deejays had developed a new fast-chat style of MCing over sped-up, classic Jamaican rhythms but more importantly they were dealing with issues about life here in the UK."

(Chris Cracknell)

Wertung: 4/5

Text von Philipp Kause

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