Platz 43: Sudan Archives - "The BPM"
Die Musik 2025 stach nicht wegen Innovationen hervor, zumindest auf menschlich kreativer Ebene (K.I. zählen wir mal nicht mit). In den ganzen 2020ern herrscht schon so viel Ideenarmut, dass dieses zuende gehende Jahr da kaum mehr sonderlich auffällt. Das Kombinieren mehrerer alt hergebrachter Dinge sorgt aber noch hin und wieder für Überraschungen. Im Windschatten der glitchig entgleisten IDM-Töne von FKA Twigs segelte die Indie-Künstlerin Sudan Archives am Rande des Radars, verdient aber mindestens das gleiche Maß an Aufmerksamkeit.
"The BPM" widmet sich ästhetisch durchaus den Sounds für den Tanzboden, jedoch sehr subtil. Es geht eher darum, in Mikro-Bewegungen mit der Hüfte zu zucken als um Club-Raves. Wie das bei Intelligent Dance Music so ist, passiert das Gegenteil von klassischem House und Techno: Statt lange das Gleiche zu loopen und nur minimalistisch Varianten, Veränderungen, Verschiebungen einzusetzen, dreht Sudan Archives alle paar Takte eine neue, unerwartete und bunt schillernde Pirouette, legt die Beats in Kurven und zerfrickelt Stücke in mehrere Phasen. In Sudans eigenen Worten heißt das 'Orchestral Black Dance Music'.
Als zweiten Bezugsrahmen hört man R'n'B heraus, die Sorte von alternativem R'n'B wie bei 070 Shake. Auf textlicher Ebene anspruchsvoll und im angesagten Themenfeld Mental Health unterwegs, tastet "The BPM" also außer Pulsschlag auch Hirnströme ab. Die selbst komponierende, textende, produzierende, E-Geige und Bass spielende und singende Künstlerin drängt den Content aber gar nicht so arg in den Vordergrund, sondern erzählt unterschwellig eine andere Geschichte: die der technoiden Offbeat-Musik aus Chicago und Detroit, wo ihre familiären Wurzeln liegen. Konsequenterweise beteiligte sie an dem Album auch großenteils Mitglieder aus Familie und Freundeskreis, zuzüglich Multiinstrumentalist Ben Dickey.
"The BPM", ihr dritter Longplayer, glaubt mit seinen 15 schön aufeinander abgestimmten Tracks ans Format 'Album'. Verglichen mit ähnlichen Releases dieses Jahres, liefert Sudan Archives das weichere Pendant zu Saya Gray, das frechere Gegenstück zu Erika De Casier, präsentiert sich etwas mehr 'sophisticated' als FKA Twigs. Wie Sudan Archives dem RBB sagte, setze sie die bisher "gewalttätigsten" Geigen ein. Erstaunlich, dass sich das sonst so softe Soul-Label Stones Throw darauf einließ. Mit Rankings schließen wir Jahre ab, oft rückblickend. Vorausschauend hat "The BPM" große Chancen, dass wir uns das 2030 noch anhören.
von Phillip Kause
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