Drangsal
Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?
Drangsal: Die letzten Monate habe ich größtenteils im Tonstudio verbracht. Wir hatten dieses Jahr sowieso nicht allzu viele Konzerte angesetzt, sodass wir uns auf unsere Aufnahmen konzentrieren können, und das wurde durch die Umstände dann einfach intensiviert. Als deprimierend empfand ich die Absagen und die Zeit abseits des Studios,
alleine in der Quarantäne, dennoch hin und wieder, auch, weil ich gerade erst begonnen hatte, an zwei weiteren Band- und einigen anderen Projekten zu arbeiten, und diese durch die Pandemie plötzlich und bis auf Weiteres lahmgelegt wurden.
Wie wird dich der Lockdown prägen? Gibt es Erkenntnisse oder Konsequenzen, die sich aus einem viertel Jahr Stubenhocken für dein Business ableiten lassen? Oder hofft man einfach, dass sich die Lage in den kommenden Monaten wieder normalisiert, und es so weitergehen kann wie in den Jahren zuvor?
Für mein 'Business' kann ich aus der Quarantäne keine Erkenntnisse ableiten. Ich hatte auch vor der Pandemie keinen ausufernden Lebensstil. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, und die Angst, die Rechnungen nicht bezahlen zu können, baumelt wie das Damoklesschwert über mir und bleibt so eine treibende Kraft. Will sagen: Ich versuche immer einigermaßen gewissenhaft zu haushalten und stets etwas Geld beiseite zu legen. Ich persönlich wünsche mir, dass alle alsbald möglichst unbeschadet aus der Krise herauskommen und sich peu à peu wieder 'Normalität' einschleicht, dass man sich ohne Bedenken begegnen und an dem hoffentlich noch vorhandenen kulturellen Angebot teilnehmen kann.
Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Bist du schon kräftig am Konzerte organisieren? Auftreten ist für Bands das A und O. Aber rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?
Noch sind unsererseits keine 'Corona-Konzerte' in Planung. Ich habe auch nicht allzu großes Interesse an Auftritten zu horrenden Ticketpreisen samt massig Auflagen für die paar Besucher. Mindestabstand und Kontrolle gegen viel Geld — das geht für mich gegen die Idee einer ausgelassenen Liveshow, und ich glaube nicht, dass das die Zukunft von Konzerten ist. Wir wurden auch für ein Autokino-Konzert angefragt, und so drollig ich die Idee irgendwie finde, missfällt mir der Gedanke, es könne mir wer in den Song hupen doch sehr.
Was kann man tun, um sich als Musiker*In finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde?
Ich glaube, dass Anpassungsfähigkeit und Ideenreichtum generell wichtige Aspekte der Arbeit von Schaffenden sind. "Wherever you go, there you are" mag womöglich etwas abgedroschen klingen, aber irgendwo gibt es immer einen neuen Weg. KünstlerInnen wie Arca oder BLVTH beispielsweise sind auf Twitch ausgewichen. Livestreams mit Spendenoption, Merchandise, allerlei personalisierte Paraphernalien ... Dass Streaming und dergleichen nicht ausreichend entlohnt werden, steht außer Frage.
Wie ist die Situation konkret für dich: Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?
Ich kann bloß aus meiner eigenen Erfahrung als freischaffender Musiker berichten: Es gab einige kleinere Hilfspakete, wie etwa 250 Euro von der GVL (Verwertungsgesellschaft) und eine GEMA-Vorauszahlung, die anhand der zu erwartenden Live- und Wiedergabeausschüttungen er- und später dann natürlich verrechnet wurde, und die ich genau deshalb nicht in Anspruch genommen habe. Hie und da noch den ein oder anderen Hilfsfond, für den man sich bewerben konnte. Ich erinnere mich darüberhinaus an die Soforthilfe der IBB, welche zwar mit einiger Wartezeit verbunden war, doch ansonsten recht reibungslos vonstatten ging — zumindest für mich.
Es schenkt einem ja eh keiner was, auch dieser Zuschuss muss irgendwann versteuert werden und welche anderen Repressalien damit womöglich noch einhergehen, wird sich erst zeigen. Natürlich hat auch das nicht jeder mit- und so ein Stück vom Kuchen abbekommen, und für viele wäre es so oder so bloß ein Tropfen auf dem heißen Stein. Von Freunden, die Clubs und Veranstaltungsorte betreiben, weiß ich, dass die Kacke auf jeden Fall dampft. Es schmerzt in jedem Fall, wenn man eine Tour bucht und zu hören bekommt: "Wenn es diesen oder jenen Club dann überhaupt noch gibt".
Der Indie-Musiker Max Gruber veröffentlichte als Drangsal seit 2016 zwei Alben und arbeitet derzeit am Nachfolger von "Zores". Ein Veröffentlichungstermin ist noch nicht bekannt.
1 Kommentar
drangsal, der zuckersüße schlingel könnte sich den ein oder anderen euro auf der bahnhofstoilette verdienen