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6: Tori Amos

Tori Amos als Ausnahmeerscheinung zu bezeichnen, ist noch untertrieben: Mit zwei Jahren spielte sie schon Klavier, mit fünf wurde sie zum Studium am renommierten Peabody-Konservatorium in Baltimore zugelassen. Nur, um mit elf Jahren wieder gehen zu müssen, nicht zuletzt wegen ihrer Faszination für rebellische Rockbands wie die Rolling Stones und die Beatles. Das musikalische Talent der Amerikanerin steht also außer Frage, ihre Eigenwilligkeit ebenso.

Dank ihrer klassischen Ausbildung haben auch zahlreiche ihrer eigenen Kompositionen etwas Zeitloses. Das wird spätestens mit "Boys For Pele" klar: Auf ihrem ersten in Eigenregie produzierten Album sagt sich Amos von den Konventionen der Popmusik los und holt mit Cembalo, Clavichord und Harmonium gleich noch antiquierte Instrumente aus der Versenkung.

Natürlich ist nicht jedes Werk in ihrer über 25-jährigen Karriere so nonkonformistisch geraten. Doch ihre Qualitäten als Erzählerin ließ Amos niemals schleifen: Ihre Texte sind vielschichtig, voller Symbolik, Mystik und Metaphorik, oft auch obskur und verstörend. Dass sie es mit der schweren Kost manchmal auch zu weit treibt, zeigt "American Doll Posse". Das Album ist aus der Sicht von fünf Protagonistinnen erzählt, die auch noch allesamt in der griechischen Mythologie verankert sind.

Der Hörer soll herausgefordert, provoziert und zum Nachdenken angeregt werden. Sei es, indem Amos bewusst kryptisch bleibt, oder, im Gegenteil, mit schonungsloser Offenheit: In "Me And A Gun" vom Debütalbum "Little Earthquakes" verarbeitet Amos die Schreckensnacht, in der sie vergewaltigt wurde. Das intime Gänsehaut-Lied wurde zu einer Hymne für zahlreiche Opfer sexueller Gewalt. Ein Anliegen, das Amos auch mit ihrem Engagement für die Hilfehotline RAINN unterstreicht.

Ohnehin ermutigt Amos Frauen stets dazu, sich nicht unterkriegen zu lassen, für ihre Rechte und ihren Platz in der Gesellschaft zu kämpfen - und um jenen im Musikbusiness: Jede erfolgreiche Frau müsse in diesem Dschungel mit einer Machete den Weg für kommende Künstlerinnen ebnen, sagte sie einmal. Seit den "Little Earthquakes", mit denen sie 1992 ihre Karriere begann, hat Tori Amos da schon so manche Schneise geschlagen.

Album-Tipp: "Little Earthquakes"

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