Die Revolution spielt nicht im Radio
Drehen wir die Runde aber noch einmal komplett zu DMC zurück. Der hat ja gefordert, man solle die Kendrick Lamars und die Chance The Rappers fördern und dafür sorgen, dass diese gehört werden. Aber dass ein Radio oder eine Spotify-Playlist wenig Interesse an diesen deutschen politischen MCs hat, dürfte wenig überraschen. Ein Prezident hat seit mindestens drei Alben nicht einmal mehr versucht, einen Refrain zu schreiben und form rappt bei aller Liebe wie mit Stützrädern.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten - und das ist eine Frage, an der ich mich seit ein paar Monaten abarbeite: Müsste das Politische in der Musik sich mehr Mühe geben, um einen größeren Pop-Appeal zu entfalten? Also ein Beispiel an K.I.Z oder der Antilopen Gang nehmen und versuchen, Ideen und Narrative via trojanischem Pop-Pferd in den Mainstream zu schleusen?
Alternativ könnte man auch versuchen, die politische Dimension im aktuellen Mainstream zu finden. Es wurde viel über die Relevanz von Trap, Emo-Rap und Konsorten geschrieben und tatsächlich kann man aus der Dominanz von Hedonismus, Materialismus und Depression als treibenden Emotionen der Raplandschaft weitaus mehr ableiten, als eine verblödete Entertainment-Gesellschaft.
Allerdings ist auch nicht jeder Mainstream-Song ein "XO Tour Llif3" von Lil Uzi Vert oder ein "Awful Things" von Lil Peep, in denen man implizit doch einiges über den Zustand ihrer Protagonisten und dadurch über den Zustand der Gesellschaft ableiten könnte, wenn man einmal mit Distanz und gutem Willen hineinliest.
Meist fällt der Rap-Mainstream darauf zurück, gut zu klingen, einfach zu vermarkten zu sein und in populären Tropen zu spielen. Man kann zwar die Kunst vom Künstler trennen, aber es ist schwer, die Kunst vom Kommerz zu trennen und die Henne-Ei-Situation aufzulösen, in der nicht ganz klar ist, ob die populären Motive aus einer gesellschaftlichen Stimmung entstanden sind, oder ob sie aufrecht erhalten werden, weil sie eben immer wieder in der Musik aufleben.
Ein bisschen etwas von beidem. Dann ist es wie mit der Sexismus-Frage. Macht Hip Hop den Sexismus in der Gesellschaft nur sichtbar oder gießt das ständige Vergegenwärtigen der toxischen Frauenbilder neues Öl ins Feuer? Murs von HipHopDX hat vor ein paar Wochen genau diese Frage gestellt. Man kann das in vielen Argumenten übrigens genauso auf die generelle politische Ebene zurück übertragen.
Antworten habe ich hier natürlich keine. Es ist schwierig, die politische Verantwortung von Kunst zu verstehen, gerade wenn die Kunst vielerorts noch vor allem als kommerzielle Instanz verstanden wird. Rap ist eben eine Millionen-Industrie. Kontrolle über die Verbreitung der Inhalte und Themen hat dementsprechend auch niemand außer Markt und Aufmerksamkeits-Ökonomie.
2 Kommentare
"Müsste das Politische in der Musik sich mehr Mühe geben, um einen größeren Pop-Appeal zu entfalten?"
Brrr, das finde ich allgemein ganz schlimm. Das hat jetzt für mich fast schon etwas von versuchter Indoktrination. Finde auch nicht, dass das groß zusammenpasst, politischer Diskurs ist idealerweise sachlich und faktenorientiert, gute Musik das absolute Gegenteil, subjektiv und hochemotional. Kann mir persönlich auch sehr wenige "politische" Musik geben, bzw alles was irgendwie "preachy" ist widert mich ziemlich an. Die einzige Weise wie sowas für mich funktioniert, ist dann eher in Richtung RATM, wo man merkt, wie richtig angepisst Zack und Konsorten sind oder halt auch vieles im HipHop, wo systematischer Rassismus besprochen wird und emotional zum Ausdruck gebracht wird, wie Künstler und Bekanntenkreis direkt darunter leiden und sie die Situation fertig macht. Aber alles was in die Richtung "die Dinge sind so, mach bitte das" geht finde ich ziemlich unausstehbar.
Da fände ich es sinnvoller wenn sich jeder Mensch, auch der Künstler, um politische Verantwortung bemüht und halt ansonsten im öffentlichen Leben sich so präsentiert, mit seiner Reichweite etwas macht, auch wenn das dann von vielen zwangsweise wieder nur als Heuchelei abgestempelt wird. Wenn jetzt also Casper und wasweißichwer meint, wegen XY ein Konzert zu geben, finde ich das gut, für den kreativen Aspekt muss das aber keine Bedeutung haben mMn.
Weiß jetzt nicht, ob ich das Thema etwas verfehlt habe, ist mir jetzt aber spontan dazu eingefallen.
Diese Wocher verlinkt ihr ja echt die ranzigsten Videos, unfassbar.