Sidequests
Joah, Rapper hören auf - wie gut das funktioniert, können wir aktuell ja am Beispiel Kollegah verfolgen. Der tut zwar so, als habe er das Mic an den Nagel gehängt. Was ihn aber nicht davon abhält, schon wieder 40-minütige Rap-Tracks anzukündigen. Das konnte ja nun wirklich niemand ahnen.
Vorerst macht Kollegah aber noch stramm auf YouTuber, und weil er auf diesem überlaufenen Feld noch keine Nische gefunden hat, bespielt er sie kurzerhand einfach alle. In seiner "Sidequests"-Reihe inszeniert er sich abwechselnd als Wohltäter, Fitness-Trainer, Ernährungsberater oder Business-Coach, wandelt hernach ein bisschen auf den Spuren von Bob Ross, ehe er am Ende jeder Episode in einem Businessman-Kostüm, in der er aussieht wie die vollkommen überzeichnete Karikatur eines Konzernchefs, am Schreibtisch sitzt und entscheidet, was die nächste "Sidequest" zum Thema haben soll.
Eine Tour durch die Blumeschen Räumlichkeiten, sicher gespickt mit Design- und Einrichtungsideen, eine Führung durch seinen Fuhrpark, Literaturtipps aus des Bosses Bibliothek ... es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis all das folgt. Wahrscheinlich werden wir Kollegah demnächst auch beim Kirchgang begleiten dürfen, oder bei der Pediküre. So lange sich nur eine ausreichend maskuline Bezeichnung dafür finden lässt, würde mich auch ein Schminkkurs nicht mehr groß wundern. Sigma-Skincare, irgendwie so. Oder, Testo-Tango - Dance-Tutorials.
Ich verfolge dieses "Sidequest"-Format jedenfalls mit wachsender Faszination. Finde es in seiner leicht verzweifelten Ziellosigkeit schon fast ein bisschen süß, weil zugleich so offenkundig zutage tritt: Kollegah kann eigentlich gar nichts, jedenfalls nicht richtig. Was sehr wahrscheinlich daran liegt, dass er für keine der Aktivitäten, die er da vorexerziert, irgendeinen Funken Begeisterung oder gar Liebe übrighat. Alles ist nur Mittel zum Zweck für ihn, nur Kulisse. Auch die Menschen, die er da gönnerhaft zu unterstützen vorgibt und zu denen er sichtlich keinerlei Beziehung aufbauen kann, die über Posen für ein Selfie hinausginge.
Das bisschen, das Kollegah über gesunde Ernährung zu wissen scheint, kriegst du in jeder billigen Frauenzeitschrift fundierter erzählt. Aber wer für "Kochen" hält, ein Stück Fisch in die Pfanne und ungeputztes Gemüse in den Ofen zu schmeißen und hinterher Unmengen Salz auf das halbrohe Zeug zu kippen, glaubt wahrscheinlich auch, dass irgendjemand auf der Gewinnerseite des Lebens mit Genuss Instantkaffee mit Zitrone trinkt.
In den Kommentarspalten dieses Formats sollte echt dringend jemand soziologische Feldforschung betreiben. Kollegahs Followerschaft (glaube nicht, dass wir an dieser Stelle groß zu gendern brauchen) frisst wirklich alles, das er ihnen vorwirft, und zerfließt darüber in Begeisterung wie eine Horde gehirngewaschener Lemminge. Faszinierend: Irgendwie haben die Leute offenbar tatsächlich verlernt, Blenderei zu erkennen. Selbst wenn sie ihnen mit nacktem Arsch voran ins Gesicht springt.
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