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Wer ist dieser Capital Bra?

Das größte Verbrechen der Doku besteht allerdings am Ende nicht darin, mittelmäßig begabte weiße Mittelstands-Kids als Genre-Revoluzzer zu stilisieren, sondern alles, das ab der Jahrhundertwende geschah, fast gänzlich zu ignorieren. 25 schnöde Minuten widmet sich "We Wear The Crown" den Jahren 2000 bis 2021. Man hangelt sich kurz von einem Feuilleton-Liebling zum nächsten, Bushido, Aggro Berlin und Casper werden im Vorbeigehen abgefrühstückt, Künstler*innen wie K.I.Z., Kollegah,RAF Camora, Fler, Shirin David oder Capital Bra werden ebenso ignoriert wie jeder wirklich interessante Charakter des Undergrounds, der nicht Morlockk Dilemma heißt.

Entweder gingen der Redaktion da hintenraus Lust und Budget verloren, oder die Macher empfanden es tatsächlich als gerecht, der im Vergleich musikalisch wenig spektakulären Entwicklung der 90er das Vierfache an Screentime zu geben. Da war deutscher Hip Hop eben noch 'real', würden sie wahrscheinlich sagen.

Das liest sich jetzt alles ein wenig bösartiger als ich es tatsächlich meine. Die Serie ist unterhaltsam und kurzweilig, aber legt ihre Schwerpunkte meines Erachtens nach eben an den den völlig falschen Stellen. Nicht nur der Vollständigkeit halber sei abschließend dennoch positiv erwähnt, dass nicht jeder der Interviewten frohlockend in den Studentenrap-Circlejerk der 90er miteinsteigt. Auch der in der Deutschrap-Historie oft übergagene MoneyBoy ist kurz Thema, und auch SXTN bekommen in der letzten Folge ihr mehr als verdientes Hak.

Unterm Strich: Wer ein detailliertes Zeitdokument der oft holprigen deutschen Aneignung des Genres sehen will, dürfte hier durchaus fündig werden. Wer darüber hinaus auch weniger eingestaubte Einblicke in die populäre Seite seines Lieblingsgenres erwartet, der schaut lieber noch einmal die amerikanische Vorlage und klickt sich anschließend durch die aktuelle Modus Mio-Playlist.

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3 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Kurz: Eine Doku, die eigentlich nur der lautuser, Django oder ChrisWG anschauen sollten.

  • Vor 2 Jahren

    Auch wenn ich nicht behaupten kann, wirklich ein Fan gewesen zu sein: SXTN haben schon ihre Rolle in der breitflächigen Etablierung weiblicher Rap-Artists hierzulande gespielt (wovon man sich ja auch anhand gar nicht mal soo alter Kommentare in den hiesigen Spalten ein Bild machen kann). Denen ist bestimmt vieles zu gönnen, warum also nicht auch eine satte Portion Mett, Pottsushi oder Hackepeter? Gemeint ist aber bestimmt trotzdem *Hak, wegen dem Arabischen und so, nehme ich an? Oder hat das schon seinen Werdegang a la Rezession/Albung hinter sich und ich setze mich gerade gepflegt in die Nesseln? :D

  • Vor 2 Jahren

    Was will man denn ehrlich zu den hier aufgezählten Künstlern erzählen? Es ist halt eine schwierige Balance, worauf man den Schwerpunkt seiner Doku legt - wenn es um kommerziell erfolgreiche Rapper gehen soll, ist die Timeline einfach: Fanta 4 - Pelham - Freundeskreis - Eimsbush - Samy - Savas - Sido - Bushido - KIZ - Kollegah - Casper - Marteria - Haftbefehl - Capital Bra (und Rest).
    Wenn man aber eine Doku produzieren will, die sich auch um künstlerisches scheren soll, ist es da schon schwerer. Wenn ich Redakteur wäre, hätte ich das einfach nach Camps aufgeteilt, weil man dann auch mehr hätte reinnehmen können. Also "Großraum Frankfurt" wäre der Anfang gewesen, dann "Hamburg", "Stuttgart", "Berlin" und am Ende eben die Fragmentierung durch Internet etc.
    Raf Camora, Money Boy und Shirin David haben bei einer Rap-Doku nichts verloren, auch im Camp-Format nicht. Kollegah, Fler und KIZ sind trotz persönlicher Antipathie tatsächlich redaktionell schwache Auslassungen.