Platz 7: Did You Know That There’s A Tunnel Under Ocean Blvd (2023)
Diesem Album konnte ich lange Zeit nicht viel abgewinnen. Bis ich im Rahmen dieses Rankings erneut mein Herz geöffnet habe. Und dennoch will es mich nicht so ganz abholen.
"Did You Know That There's A Tunnel Under Ocean Blvd" - Wusstest du, da ist ein Tunnel unter Ocean Boulevard? Nein? Der Ocean Boulevard ist in South Beach, dem südlichen Teil der Stadt Miami Beach im US-Bundesstaat Florida, und genau darunter befindet sich ein Tunnel, der 1927 gebaut, aber schon 1967 geschlossen wird. Lana Del Rey nutzt diesen Tunnel als metaphorisches Symbol. Erster Gedanke: Einfach brillant.
Mit jedem Schritt in den Tunnel taucht Lana tiefer in ihre eigene Mythologie ein. Das Resultat ist ein Werk von gewaltiger Intimität, voller leiser Beuchten und familiärer Schatten. Aber es ist auch ein Album, das manchmal unter seinem Gewicht zusammenbricht.
Jenes dramaturgisches Konzept, welches mir in "Blue Banisters" gefehlt hat, ist in diesem Album vorhanden. Es ist wie eine Reise durch einen dunklen Tunnel aufgebaut, beginnend mit dem Abstieg in den Tunnel ("The Grants" bis "Judah Smith"), wobei die Mitte des Albums die Dunkelheit im Tunnel darstellt ("Candy Necklace" bis "Fingertips"), bis die späteren Tracks zunehmend leichter und freigeistiger werden, und damit ("Paris, Texas" bis "Taco Truck") das Verlassen des Tunnels und das Betreten des Lichts darstellen.
Leider findet sich diese Durchdachtheit nur in der symbolischen Konzeption - musikalisch bekommen wir seit "Norman Fucking Rockwell" ja nur noch Essays in Moll. Nun treibt Lana dies zur Maxime: Vom klassischen Psychedelia, Retro-Pop und der guten alten Melancholie, bis zu Elementen aus Folk, Trap und Hip Hop - kaum ein Stück folgt klaren Strukturen, viele Lieder klingen bewusst wie unvollendete Gedanken. "Fingertips" etwa, ist so roh, dass man fast das Zögern in ihrer Stimme hört. In dem Track "The Grants" singt sie von Wunden, mit dem Wunsch diese zu heilen: "Im doing it for us, for our family line." Die LP ist ähnlich persönlich wie ihr vorheriges Album "Blue Banisters" und gibt Fans tiefe Einblicke in Lanas Privatleben. Wem die gesamte Lana-Lore aber nicht bekannt ist, dem erscheint dieses Album vermutlich recht unzugänglich. So ähnlich ging es mir auch - obwohl ich seit Jahren Fan bin.
Das Album sticht heraus, weil es definitiv ihr experimentierfreudigstes Werk ist. Bei "Ocean Blvd" handelt es sich nicht um ein einfaches Album sondern ein poetisches Puzzle. Wer sich die Mühe macht es zu lösen, wird bestimmt belohnt. Ob ich diese Eigenschaft nun aber als Stärke oder Schwäche sehen will, kann ich schlichtweg nicht entscheiden.
Highlights: "Margret", "Let The Light In"
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Did You Know There’s A Tunnel Under Ocean Blv*
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3 Kommentare
Für mich zusammen mit "Norman Fuckin Rockwell" auf Platz 1, ohne die Interludes vielleicht sogar davor. Allein für den Song wie "Grandfather please stand on the shoulders of my father while he's deep-sea fishing" lohnt sich das Album - Tränendrüse deluxe!
Vorletztes Jahr vielleicht die Platte des Jahres und auch in ihrer Gesamtdiskographie ganz weit vorne.
Laut meinem eigenen Kommentar unter der damaligen laut.de Rezension mochte ich es anfangs nicht so (woran ich mich gar nicht erinnern kann...). Die Alben, die wirklich hängen bleiben, wachsen eben.
> Wem die gesamte Lana-Lore aber nicht bekannt ist, dem erscheint dieses Album vermutlich recht unzugänglich.
Ich kenne die "Lana-Lore" nicht und ich frag mich, ob Musikkritiker mehr zu Literaturkritikern verkommen sind und die Musik nur noch nebensächlich ist.
Für mich auch ihr bestes Album und Platz 7 ist einfach nur ragebait.