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Worship

Wo Licht ist, ist, wie wir alle wissen, oft auch viel Schatten. Sleep Token bilden da keine Ausnahme, und das betrifft in diesem Fall leider insbesondere die Fangemeinde bzw. Teile dieser. Zur Lore und Sprache der Band gehört seit Jahren das sogenannte 'Worshipping' – also die Verehrung. Einerseits innerhalb des Storytellings Sleep Tokens, für den 'Gott' Sleep. Andererseits vonseiten der Fans in Richtung Band.

Wie das zum Vorteil Sleep Tokens funktioniert, sah man im Frühjahr 2025, als sie die Kampagne zu "Even In Arcadia" ausrollten. Über mehrere Wochen hinweg droppten sie auf mehreren Accounts mysteriöse Hinweise (Stichworte: House Of Veridian und The Feathered Host), ließen nach Koordinaten suchen, Wörter und Artworks puzzlen und Codes knacken. Die Beteiligung war immens. Mehr noch: Sleep Tokens Management schaffte es sogar, noch eine weitere Band an den daraus entstehenden Hype dranzuhängen. President wären wohl nicht auf Anhieb so durch die Decke gegangen, hätten sie nicht von anfänglichen Sleep Token-Spekulationen profitiert. Props dafür; eine ähnlich erfolgreiche Schnitzeljagd als Albumteaser hab' ich persönlich tatsächlich vorher noch nicht erlebt.

Als wenig später die erste Musik droppte, konnte man allerdings auch beobachten, wie 'Worshipping gone too far' aussieht. Auf kritische Kommentare stürzten sofort Horden sich angegriffen fühlender Fans, schossen mit Beleidigungen zurück oder vertieften sich wahlweise in verkopfte Gedankenexperimente, um die Unfehlbarkeit der Lieblingskünstler zu erklären. Ein Beispiel: Als "Caramel" erschien und jemand schrieb, er fände den Song langweilig und Sleep Token hätten mehr drauf, antwortete man in vollem Ernst, Vessel singe doch darüber, wie sehr der Erwartungsdruck der Branche und der Fans an ihm zehre, und deshalb sei es nur folgerichtig, den Song dazu absichtlich mittelmäßig zu schreiben – das passe zum Konzept, und gerade deshalb müsse man das als Fan unterstützen. Swifties lassen grüßen.

Ende des Jahres erlebte man noch weitaus toxischere Auswüchse des Worship-Kults. Sleep Token stehen in der Kritik, weil sie (bzw. im Auftrag der Band arbeitende Dienstleister) offenbar ein Livefoto für exklusives Merch genutzt haben, ohne die dafür verantwortliche Fotografin um Erlaubnis zu fragen. Nachdem diese wegen offenbar zunächst ausbleibender Reaktionen seitens Label und Management den Fall öffentlich gemacht hatte, liest man nun unter ihrem Beitrag Fankommentare à la "Ich hoffe, du verlierst deine Arbeit", "Verbannt die Fotografin einfach aus den Venues", "Hast du schon die Aufmerksamkeit, die du dir wünschst, Weirdo?" oder "Du solltest dich geehrt fühlen und nicht wütend sein. Eindeutig kein echter Fan".

Sorry, mit Fantum hat das absolut nichts mehr zu tun, und leider sind solche Beispiele in Sleep Token-Communitys längst keine Einzelfälle mehr. Verteidigt eure Herzensbands, wenn jemand sie schlechtredet, aber überlasst das Beleidigen den Trollen. Jemandem den Verlust der Existenzgrundlage zu wünschen, weil der/diejenige es wagt, Sleep Token einen Fehler zu unterstellen, ist mehr als ein Schritt zu weit.

Die Band selbst trägt mit bewusst Exklusivität suggerierenden Kultnarrativen und Marketing-Strategien und völligem Fehlen einer direkten Ansprache außerhalb des selbstgebauten Gottesmythos vielleicht sogar indirekt zu solchen Grenzüberschreitungen bei – jedenfalls aber macht sie keinerlei Anstalten sie zu unterbinden. Ein paar einordnende Worte könnten hie und da sicher helfen, gerade da inzwischen offensichtlich ist, wie tief einige Anhänger:innen sich mittlerweile in ihr "Worship" verrannt haben. Stettdessen bieten Sleep Token lieber Albumbundles für 350 Euro an und fordern "Obtain" und "Act with haste".

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