Platz 9: Rattle & Hum (1988)
An "Rattle & Hum" scheiden sich bereits im Veröffentlichungsjahr die Geister. Einerseits zementieren U2 mit diesem Mix aus Live- und Studioalbum ihren Status als wortführende Politrock-Band der Dekade. Gleichzeitig sehen sie sich damit dem Vorwurf ausgesetzt, ihrem amerikanischen Publikum als bleichgesichtige Iren Ursprünge und Traditionen amerikanischer Musik erklären zu wollen. Sicher ist: Mit der Platte und dem gleichnamigen Film, in dem sämtliche heiligen Rock'n'Roll-Orte (Graceland, Sun Studios) besucht werden, malträtieren U2 ihren Authentizitätsanspruch mit der Bombast-Brechstange. Es ist ihnen ernst. Schließlich sangen sie schon auf "Bullet The Blue Sky": "Outside it's America!"
Aber wie kann man ein Album niedermachen, das Songs wie "Desire", "Angel Of Harlem" und "All I Want Is You" listet? Es ist U2s Reaktion auf den just erlangten Superstar-Status, dem sie durch die Konzentration auf die eigenen Helden des Rhythm'n'Blues zu entfliehen versuchen. Die genannten Songs heben das Album aber auch über den Durchschnitt, denn die Liveversionen wirken oft etwas zu formelhaft, wie Fremdkörper gegenüber den Studiotracks. "I Still Haven't Found What I'm Looking For" kommt mit prätentiösem Gospelchor daher, "Heartland" wurde auf "The Joshua Tree" nicht grundlos von "Trip Through Your Wires" verdrängt und ja, sie covern tatsächlich auch "Star Spangled Banner". Das elektrisierende, oft übersehene "God Part II" zeigt nochmal die ganze Spannweite von Bonos Stimme, auch wenn die Zeile "I don't believe that Rock'n'Roll can really change the world" gerade auf diesem Album völlig deplatziert klingt.
Schließlich haben sie noch B.B. King ("When Love Comes To Town") und Bob Dylan ("Love Rescue Me") auf der Platte, dessen "All Along The Watchtower" sie sich auch zu Eigen machen. Sogar die Beatles, deren "Helter Skelter" einen traurigen Link zu Amerika aufweist: Der Song soll Charles Manson zu seinen Auftragsmorden inspiriert haben. Bonos Kommentar: "This is a song Charles Manson stole from The Beatles and we're stealing it back." Das elegische "All I Want Is You" bezeichnet The Edge später als den Song, der "unsere damalige Album-Idee am besten umsetzt: Auf einer traditionellen Basis einen U2-Song zu erschaffen." Im Mittelpunkt des minimalistischen Liebeslieds an Bonos Frau Ali steht das bewegende Streicherarrangement von Van Dyke Parks. "Rattle & Hum" erreichte Platz 1 in zahlreichen Ländern und verkaufte sich weltweit 14 Millionen Mal.
Anspieltipps:
"Angel Of Harlem", "Desire", "All I Want Is You"
Besser weiträumig umfahren:
"Heartland".
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2 Kommentare
Songmäßig tatsächlich besser als sein Ruf, hat wohl in erster Linie aufgrund des prätentiösen Films so eine schwierige Reputation
Mein damaliger Einstieg in eine recht lange U2 Fan-Phase. Desire, Silver & Gold und vor allem Heartland... Danach kam dann Achtung Baby raus, meine zweite U2 Platte und damit war es dann (nach kurzem Schock) endgültig um mich geschehen...