Lol Tolhurst: Rückkehr des verlorenen Sohns
Es ist wahrscheinlich die größte Comeback-Musikbiografie des Jahres. The Cure-Gründungsmitglied und Ex-Keyboarder/Drummer Lol Tolhurst war am Ende. 1989 hielt es selbst der auf Harmonie gebürstete Sandkastenfreund Robert Smith nicht mehr aus und feuerte den jahrelangen Alkoholiker Tolhurst. Dies sind so ziemlich alle bekannten Eckdaten um die Trennung der Musiker. 2011 fand dann die große Bühnenversöhnung statt (siehe Video), wenn auch nur in Australien.
Es geht in "Cured" (Hardcover, Quercus Books, 368 Seiten, 22,99 Euro) viel um Schicksal und self-fulfilling prophecies, manchmal übertreibt es Tolhurst ein bisschen, findet mit detaillierten Schilderungen vor allem der Jugendjahre aber immer wieder auf den Boden der erinnerten Realität zurück. Den Tag seiner Geburt nennt er aufgrund der Parallele zu Buddy Hollys Todestag den "Tag an dem die Musik starb". Tolhurst erkannte in Smith früh einen Seelenverwandten, nämlich eigentlich genau an jenem Tag, als ihn seine Mutter zur Bushaltestelle begleitete, an der Smith mit dessen Mutter bereits wartete. Gemeinsam entdeckt man die Vorliebe für Musik und die Plattensammlung der älteren Geschwister, man gerät in eine Skinhead-Schlägerei und probt im Haus von Smiths anti-autoritären und schwer relaxten Eltern.
Danach nahm der Wahnsinn seinen Lauf. In jeglicher Hinsicht: Tolhurst taxiert mit der Offenheit eines trockenen Alkoholikers den Beginn seines Suchtverhaltens in seine frühe Teenagerzeit und nimmt auch im besonders spannenden Abschnitt des Buches, der Trennung von The Cure zur "Disintegration"-Zeit, kein Blatt vor den Mund. Vollends zum Honk - genau so beschreibt er es - machte sich Tolhurst dann Anfang der 90er Jahre mit seinem Gerichtsprozess gegen Smith, den er verlor. Das letzte Drittel des Buches ist von Einsicht, Reue und Erleuchtung geprägt und bringt vor allem den Menschen Tolhurst ans Licht, für den man durchaus Sympathie empfindet.
Das Besondere an dem Buch ist sicherlich, dass von Robert Smith kein ähnliches Vorhaben zu erwarten ist und Tolhursts Erinnerungen somit erstmalig Einblicke ins Innenleben der Kultband geben. Das macht es aber weder schlechter noch uninteressanter.
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