14. April 2003

Schlaganfall überstanden, zurück zu den Drogen ...

Interview geführt von

Die Stimmung von Bobby "Blitz" Ellsworth scheint verdammt gut zu sein, jedenfalls lacht sich der Kerl nach beinahe jedem Satz halb tot. Da die telefonische Verbindung von New York nach Mainz wohl nicht unbedingt die Beste war, kamen beim Interview mit dem Overkill-Sänger auch ein paar hübsche Stilblüten heraus.

Hey Bobby, was macht die Gesundheit? (What is your health like?)

Bitte was?

Ich hab gefragt, wie es deiner Gesundheit geht.

Ach so, ich hab verstanden: Wie ist es so im Nachleben? (What is the afterlife like?) buhahaha.

Öh, das frag ich dich vielleicht in ein paar Jahren noch mal.

Das war glaub ich die seltsamste Frage, die einem Kerl, der einen Hirnschlag hatte, je gestellt wurde.

Ja, seltsame Fragen sind meine Spezialität. Aber mal im Ernst, wie geht es dir? Nachdem du in Balingen auf dem Bang Your Head-Open Air nicht aufgetaucht bist und die Nachricht rum ging, dass du mit einem Hirnschlag ins Krankenhaus eingeliefert wurdest, ging mir ganz schön die Muffe.

Ich fühl mich klasse. Wie du hörst, geht es mir gut genug, eine neue CD aufzunehmen, Telefonate zu führen und auch sonst kann ich eigentlich alles machen, was ich zuvor auch getan habe. Die Inspirationen zur neuen Platte kamen dann schon von der Erkenntnis her, dass wir nur ein Leben haben, hahaha. Ich mache also das Beste draus und bin sehr zufrieden mit der neuen Scheibe. Dass mit dem Schlag war schon eine erschreckende Sache und es ist auch nichts, was ich andern empfehlen könnte, auszuprobieren, hahaha, aber hey, ich schreib das Drehbuch zu meinem Leben nicht, ich spiel nur mit. Für mich ist das aber einfach eine weitere Sache, die ich durchlebt habe und jetzt geht's weiter. Ich bin ja schon froh, dass es weiter geht. Ich bin verdammt glücklich darüber, dass keine beleiben Schäden aufgetreten sind. Dafür kann es aber eine ganz einfache Erklärung geben. Ich verstehe ein wenig deutsch und der Arzt im Krankenhaus sagte beim Betrachten der Röntgenbilder so etwas wie: "Ich kann es nicht finden." Wenn er von meinem Hirn gesprochen hat, ist die Sache klar, buhahaha.

Weißt du inzwischen, woran es lag? Zu hoher Luftdruck zwischen den Ohren vielleicht?

Gute Idee, hahaha. Es war wohl ein Blutgerinnsel, dass aber nichts mit meinem Lebensstil zu tun hat. Mein Arzt hat weder verlangt, dass ich mit dem Rauchen, der Musik oder mit sonst was aufhöre, auch Diäten oder so'n Scheiß muss ich nicht machen. Mir wurde gesagt, dass ich wohl schon seit geraumer Zeit an diesem Problem leiden würde, und dass es eben letztes Jahr akut auftrat. Meine Gesundheit ist ansonsten exzellent, ich muss jetzt einfach darauf achten, dass ich mein Blut dünn halte. Das war wohl die beste Nachricht, die ich je von einem Arzt erhalten habe: Hirnschlag überstanden, zurück zu den Drogen, hahaha. Yeeeeaaaaaah!

Kannst du mir die Nummer von dem Arzt geben?

Klar, Alter, kein Problem. Aber ich muss dich warnen. Zuerst wollte der mir ein Mittel andrehen, das sonst nur Epileptiker nehmen, aber den Scheiß wollte ich nicht haben. Ich hab ihn gefragt, mit was für Nebenwirkungen ich zu rechnen hätte. Er meinte dann, dass ich wohl Haarausfall bekommen könnte und meine Potenz der des Papstes ähneln würde. Deswegen hab ich gesagt, er könne das Zeug selber futtern und bin gegangen, hahaha. Das ist echt passiert, ich erzähl keinen Scheiß. Ich hab mein Leben deswegen nicht geändert. Ich nehme Aspirin, um mein Blut zu verdünnen, geh regelmäßig zu Checks, aber ich fahre auch weiterhin Motorrad und habe meinen Spaß am Leben. Ich kann immer noch die Rübe schütteln und CDs wie "Killbox 13" aufnehmen, und das ist für mich schon sehr viel wert.

Schön zu hören. Kommen wir mal zum Eingemachten: seit wann ist Derek Tailer bei Overkill?

Er kam 2000 während der Tour zur Band. Sebastian ist wegen sehr erfreulichen Umständen ausgestiegen, weil er Vater wurde. Wir haben Derek über Dave kennen gelernt, sie haben zusammen schon in einigen Bands gespielt, und es hat wunderbar funktioniert.

Wo holt ihr eigentlich immer diese ausgezeichneten Gitarristen her? Um bei Overkill zu spielen, muss man ja schon etwas mehr drauf haben ...

Meinst du ich sollte ihn ab jetzt so vorstellen: Das ist Derek Tailer, unser zukünftiger Ex-Gitarrist? Es ist ja nicht so, dass wir die Kerle alle rauswerfen, sondern sie gehen von sich aus, wenn wir jetzt mal von Bobby Gustafson absehen und da waren es wirklich die viel zitierten musikalischen Differenzen. Er hatte eine bestimmt Vorstellung, wie Overkill klingen sollten und D.D. und ich eine andere. Bei Dave war für mich schon nach der ersten Probe klar, dass der Kerl verdammt viel in die Band mit einbringen würde. Und ich denke da geben mir die letzten Alben recht. Mit Derek hab ich das selbe Gefühl.

Wie kommt es denn, dass sich der Sound von Overkill über die Jahre nicht massiv verändert hat, obwohl so viele unterschiedliche Gitarristen bei euch gespielt haben?

Zu diesem Zeitpunkt bricht die Verbindung beinahe vollkommen zusammen und Bobby ruft mich kurzerhand zurück.

Das letzte was ich verstanden habe war: ...ont ... eg ... at ... Aber jetzt ist es wesentlich besser. Ok, ich denke das liegt hauptsächlich daran, dass sich die Idee, die hinter Overkill steht, ja nicht verändert. Ich denke nicht, dass wir immer wieder die selbe Platte veröffentlicht haben, aber dass wir eine rote Linie verfolgen. Wir entwickeln uns schon, aber wir zwingen diese Entwicklung nicht krampfhaft herbei. Die Kerle, die in die Band einsteigen, tun dies ja, weil sie unsere Musik mögen und auch ähnliche Ambitionen haben wie Tim, D.D. und ich. Ich denke, wir haben einfach auch ein Händchen dafür, Leute zu engagieren, die gut zu uns passen.

Für mich ist es auch so, dass man sogar ohne deine Stimme schon eindeutig erkennen kann, dass es sich bei der Band um Overkill handelt.

Das liegt vermutlich an der Art und Weise, wie D.D. die Songs schreibt. Seit "Horroscope" stammen die meisten Ideen zu Songs von ihm. Ich beende sie und Leute wie Dave bringe auch ihren Teil dazu bei, aber die eigentliche Arbeit liegt bei D.D. und mir. Ich denke, das ist einfach das, was man erkennt. Man erkennt uns eindeutig, aber wir kopieren uns nicht. "From The Underground And Below" unterscheidet sich deutlich von "Horrorscope" und "Killbox 13", aber man erkennt deutlich, welche Band da spielt. Das ist es, was mir so gefällt.

Hatte Derek schon irgendeinen Einfluss auf das Songwriting?

Nein, dazu ist er zu frisch dabei. Derek hatte einen gewissen Input, schließlich muss er das Zeug ja spielen, hahaha. Wir verbieten ihm ja nicht das Maul.

Was soll "Killbox 13" eigentlich bedeuten, außer dass es euer 13. Album ist und mächtig killt?

Ich glaube, das habe ich aus einer Reportage über den anstehenden Golfkrieg. Wenn ein Pilot in seinem Kampfjet sein Ziel anvisiert, hat er die Abbildung davon auf einem Monitor, der ihm anzeigt, wenn die Peilung genau ist. Das ist die Killbox. Der Begriff hat mir sehr gut gefallen und ich fand ihn sehr passend für unsere CD.

Wann überkommt es dich eigentlich am ehesten, deine Texte zu schreiben?

Das passiert hier und dort. Du schlägst jeden Tag eine neue Seite auf und schaust entweder nach vorne oder du reflektiertst gewisse Dinge. Da ergeben sich mehr als genug Möglichkeiten, über die du dich auslassen kannst. Wie jeder andere Mensch auch, habe ich mein Kreuz zu tragen, habe meine Träume, Ängste, Freuden. Die ähneln deinen wahrscheinlich sehr, denn als Mensch unterscheide ich mich nicht großartig von den anderen. Wenn ich dann ans Schreiben gehe, betrachte ich gewisse Dinge einfach genauer und sehe mir Dinge an, die ich nicht ständig betrachten sollte, weil sie dich ansonsten einfach nur runterziehen und dein Leben unerträglich machen. Um ehrlich zu sein, habe ich mich auf diesem Album mit den sieben Todsünden auseinander gesetzt und betrachtet, inwiefern sie sich auf mein Leben anwenden lassen und wie viele ich davon schon begangen habe, hahaha.

Hast du den Schlaganfall auch textlich verarbeitet?

Ja in "Struck Down", hahaha. Nein, quatsch, so plakativ geh ich dann doch nicht vor, aber diese Erfahrung beeinflusst natürlich schon. Es gibt die beiden Sprichwörter: "What doesn't kill you makes you stronger", und "You can either live within the problem or you can live through the problem". Beide spiegeln sehr genau meine Einstellung und meine Gedanken wieder. Ich denke also schon, dass der Vorfall einen Einfluss auf meine Texte hatte, aber nicht in der Form, dass ich explizit über den Schlaganfall schreiben würde.

Mal was anderes, Derek, Tim und Dave haben ihr Speed Kill Hate Projekt. D.D. hat schon die zweite Bronx Casket Co.-CD draußen. Wann kommt dein Nebenprojekt?

Keine Ahnung, mit wem sollte das dann sein? Mit dir? Buhahahaha ...

Öh, klar. Warum nicht? Ein paar Songs von euch kann ich auch auf der Klampfe holzen. Danke für dein Vertrauen.

Just a joke, man. Ich hab mit Chris (Caffery d.Verf.) von Savatage schon mal ein bisschen gejammt und wir haben auch ein paar Songs aufgenommen. Ich hab das aber nie als mögliches Nebenprojekt gesehen, sondern immer nur als Spaß nebenher. Ich hab Chris kennen gelernt, als ich mit siebzehn mal in einem Gitarrenladen rum stand und er kam dann mit seiner Mutter rein, weil er erst vierzehn oder so war, hahaha. Wir stehen seitdem in losem Kontakt und hatten eigentlich auch nicht vor, das Zeug zu veröffentlichen, aber wir werden sehen.

Fühlst du dich noch wohl in deinem Land? Vor allem in New York, oder hat dich auch die Paranoia überkommen?

Nö, überhaupt nicht. Ich sehe auch keinen Grund, mich aus Amerika zu verziehen. Ich fühle mich wohl hier, auch wenn wahrscheinlich elf von zehn Leuten ne Waffe besitzen, hahaha. Ich würde mich irgendwie unwohl fühlen, wenn es anders wäre. Ich habe nach dem Schlaganfall mit meiner Frau einige Zeit in Holland verbracht, da sie Holländerin ist. Aber ich sehe keinen Grund, Amerika zu verlassen. Auch nicht wegen den augenblicklichen politischen Zielen.

Stimmst du mit Bushs Plänen überein?

Eigentlich mache ich dieses Interview doch, um bei euch Tausende von CDs abzusetzen und nicht um über Politik zu sprechen. Ich werde dazu nur kurz was sagen, da ich mich nicht dazu berufen fühle, mich großartig darüber auszulassen. Um ein guter amerikanischer Politiker zu sein, musst dein primäres Ziel sein, das Richtige für Amerika zu tun. Alle Politiker haben als stinknormale Bürger angefangen und haben sich politisch hoch gearbeitet. Alles was wir von einem amerikanischen Präsidenten verlangen können, ist, dass er versucht, das Richtige für Amerika zu tun. Ob ich persönlich mit dem übereinstimme oder nicht, ist nicht so wichtig. Seine Einstellung, das Richtige zu tun, ist das Wichtigste. Belassen wir das einfach mal als eine Philosophie. Er zieht jetzt eben durch, was er angekündigt hat und bleibt dabei. Ich finde es ist wichtig, zu seinen Aussagen zu stehen. So, das kostet dich jetzt tausend CDs, hahaha.

Mal sehen, was sich machen lässt.

Das Interview führte Michael Edele

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