24. März 2021

"Man kann sich in diesem Business sehr einsam fühlen"

Interview geführt von

Zwei Jahre nach der Veröffentlichung ihres letzten Studioalbums "Who Do You Trust?" melden sich die Crossover-Weirdoz von Papa Roach mit "neuer" Musik zurück ("Greatest Hits Vol. 2: The Better Noise Years").

Um den Abschied von ihrem vorigen Label Better Noise Records angemessen zu feiern, feuerten Papa Roach letzten Freitag ihre zweite Greatest Hits-Compilation nach "... To Be Loved: The Best Of Papa Roach" aus dem Jahre 2010 raus. Mit dem Albumtitel "Greatest Hits Vol. 2: The Better Noise Years" beantworten Papa Roach auch schon alle Tracklist-Fragen. Auf dem Album wird noch einmal all das auf dem Silbertablett serviert, was während der Better Noise-Jahre besonders viel Staub aufwirbelte. Hinzu kommen einige interessante Remix-Version und zwei zusätzliche Akustik-Tracks. Ein paar Wochen vor der Veröffentlichung des Albums sprachen wir mit Band-Aushängeschild Jacoby Shaddix über Lockdown-Erfahrungen, spannende Kollaborationen und Kinoausflüge.

Coby, demnächst erscheint eure Best Of-Compilation "Greatest Hits Vol. 2: The Better Noise Years". Wie fühlt es sich an, nach einem Jahr der Unsicherheit und des Hoffens und Bangens wieder mit einer neuen Produktion an den Start zu gehen?

Coby Shaddix: In erster Linie bin ich total dankbar. Dieses Album bringt noch einmal viele unglaubliche Erinnerungen zurück. Es ist einfach nur unfassbar, dass wir nach zwanzig Jahren als Band jetzt an diesem Punkt sind. Ich denke, dass wir hier ein fantastisches Album auf die Beine gestellt haben, mit tollen Remix-versionen und zwei richtig coolen Akustik-Tracks.

Die letzten Monate waren ziemlich beängstigend und von Unsicherheit und Unruhe geprägt. Wie hast du persönlich das letzte Jahr erlebt?

Wir leben in einer völlig verrückten Zeit. Ich hätte so einen Verlauf nie erwartet. Ich kann mich noch erinnern, als wir von der Tour zurückkamen. Ich dachte mir: Cool, jetzt chillen wir vielleicht vier Wochen und dann geht's wieder raus in die Welt. Aber ein Jahr später sitz' ich immer noch hier und sehne das Ende dieser furchtbaren Zeit herbei. Das ist schon ziemlich abgefahren. Anfangs war ich, wie die meisten anderen auch, schockiert, besorgt und ratlos. Irgendwann passt man sich dann aber den Gegebenheiten an. Ich habe viel Zeit mit meiner Familie verbracht. Ich war viel laufen, habe mich viel sportlich betätigt. Dann hatte ich auch noch Zeit für einige Arbeiten an unserem Haus.

Und du warst mit deinen Bandkollegen auch noch kreativ.

Ja, das haben wir natürlich nicht außer Acht gelassen. Wir haben das neue Greatest Hits-Album fertiggestellt. Das hat natürlich viel Zeit in Anspruch genommen. Außerdem haben wir noch mit ein paar anderen Künstlern kollaboriert. Und dann waren da natürlich auch noch viele Ideen für neue Songs präsent.

Diese Ideen sind bereits wie weit fortgeschritten?

Nun, um ehrlich zu sein: Wir haben schon viel Material für das neue Studioalbum beisammen. Wir waren die letzten Monate wirklich extrem kreativ. Für die neuen Songs haben wir uns ein Strandhaus in Kalifornien gemietet. Dort haben wir einen Monat lang, 24 Stunden am Tag nur für das neue Album gelebt. Das war eine unheimlich intensive Zeit, die ich nicht missen will. Ich denke, dass wir dort mit das krasseste Material der letzten Jahre aufgenommen haben. Unsere Fans werden nicht enttäuscht sein.

"Cymek und Aelonia haben einen Wahnsinnsjob gemacht"

Zurück ins Hier und Jetzt und eurer aktuellen Compilation. Wann genau ist die Idee für "Greatest Hits Vol. 2: The Better Noise Years" entstanden?

Dieses Album hatten wir schon lange vor dem ganzen Corona-Chaos im Kopf. Das letzte Jahr hat uns dann die Zeit verschafft, die wir brauchten, um all die Specials auf dem Album ohne Druck und Deadlines angehen zu können.

Apropos Specials: Neben neu gemasterten Albumaufnahmen habt ihr einige Remixe und auch zwei Akustik-Tracks mit am Start. Zunächst zu den Remix-Versionen: Wie zufrieden seid ihr mit der Arbeit von Cymek und dem Duo Aelonia?

Wir haben schon öfters Songs zum Remixen freigegeben. Es ist einfach so: Entweder die Sachen kommen zurück, und du merkst, dass du jemandem vertraut hast, der wirklich Ahnung von seinem Job hat, oder aber, das Gegenteil geschieht. Cymek und Aelonia haben definitiv einen Wahnsinnsjob gemacht. Sie sind absolute Könner auf ihrem Gebiet. Und das haben sie hier mal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Ihr habt auch zwei akustische Nummern auf dem Album ("Face Everything And Rise", "Leader Of The Broken Hearts"). Wie fühlen sich solche Momente für dich als Sänger, der es normalerweise gewohnt ist, von einer komplett unter Strom gesetzten Kapelle unterstützt zu werden, an?

Ich finde es großartig, wenn wir einen Song, der normalerweise alles innehat, was man von einem Papa Roach-Song erwartet, komplett runterfahren. Wenn das nackte Gerüst noch richtig cool klingt, dann ist das schon ein ganz besonderer Moment für mich. Ich weiß noch, dass ich mich zu Beginn immer total verweigert habe, wenn es um akustische Sachen ging. Aber mittlerweile stehe ich da total drauf. Das hat natürlich auch viel mit meiner eigenen Entwicklung als Sänger zu tun. Ich bin heute viel selbstbewusster als früher. Meine Stimme hat sich mit den Jahren auch entwickelt. Solche Sachen machen mir jetzt richtig Spaß.

Paul Stanley von Kiss hat mal gesagt, dass ein Rocksong nur dann Qualität besitzt, wenn er auch als Unplugged-Version funktioniert. Würdest du ihm da zustimmen?

Ich denke, dass man da wirklich zwischen den Genres unterscheiden muss. Aber im Rockbereich bin ich da auf jeden Fall auf Pauls Seite. Die richtig guten und geilen Rocksongs verlieren ohne Strom und Power nichts von ihrer Faszination.

Welcher Song der remasterten Neuaufnahmen weckt in dir persönlich die intensivsten Erinnerungen?

Da muss ich nicht lange überlegen. Das ist der Song "Gravity".

Warum?

Ich war zu der Zeit gerade zwei Jahre trocken. Wir waren für die Aufnahmen in Las Vegas. Und ich dachte mir nur: Wie zur Hölle soll ich es an einem höllischen Ort wie Las Vegas nur schaffen, trocken zu bleiben? Glücklicherweise war die Musik da, die mir Kraft gab und mich vor all den Verlockungen und Dämonen beschützte. Zusammen mit Maria (Maria Brink, Frontfrau der Band In This Moment) haben wir dann einen der intensivsten Papa Roach-Songs überhaupt aufgenommen. Es ist die perfekte Mixtur aus Rock, Metal und Rap. Hinzu kommt der sehr persönliche Text. "Gravity" ist ein unheimlich wichtiger Song für mich.

"Wir sind als Band noch enger zusammengerückt"

Für den Song "Broken As Me" habt ihr Asking Alexandria-Frontmann Danny Worsnop angeheuert. Wie lief die Zusammenarbeit?

Das Arbeiten mit Danny ist immer ein riesengroßer Spaß. Wir kennen die Jungs von Asking Alexandria nun schon einige Jahre. Wir waren mit ihnen schon gemeinsam auf Tour. Als klar war, dass "Broken As Me" mit aufs Album kommt, dachten wir uns: Hey, es wäre cool, wenn wir hier noch einen zweiten Sänger mit einbinden könnten! Als dann der Name Danny Worsnop fiel, waren sofort alle Feuer und Flamme. Danny ist einfach ein saucooler Typ, mit dem man immer eine gute Zeit hat. Und zudem ist er natürlich auch noch ein großartiger Frontmann und Sänger.

"The Ending" ist nicht nur die erste Single des Albums. Der Song ist auch Bestandteil des Films "The Retaliators". In diesem Film gibst du dein Schauspieldebüt. Müssen sich Papa Roach-Fans jetzt Sorgen machen?

Nein, natürlich nicht. Aber ich würde mich schon riesig freuen, wenn ich diese Erfahrung noch einmal wiederholen könnte. Man hat mir mal gesagt, dass das eigentliche Leben erst außerhalb der eigenen Komfortzone beginnt. Und ich bin ein Typ, der unheimlich gerne lebt, verstehst du? Also habe ich mich da reingestürzt. Und ich hatte unheimlich viel Spaß dabei.

Auf dem neuen Album beschäftigt ihr euch intensiv mit den vergangenen zehn Jahren. Wenn du die letzten zehn Jahre mit den Jahren davor vergleichst: Was hat sich alles verändert?

Oh, es hat sich so verdammt viel verändert. Wir haben uns als Band entwickelt und weiter gefestigt. Wir sind noch enger zusammengerückt, nicht nur als Band, sondern auch als Freunde. Es gab auch viele schwere Momente. Aber wir sind immer noch hier. Und wir feiern jetzt die vergangenen zehn Jahre. Ich hoffe, dass noch mindestens zehn weitere dazukommen werden.

Du hast die schweren Momente gerade angesprochen. Du persönlich hast während deiner Zeit im Rockgeschäft besonders viel erlebt und durchgemacht. Als sich Chester Bennington und Chris Cornell im Jahr 2017 das Leben nahmen: Welche Gedanken gingen dir damals durch den Kopf?

Ich war extrem geschockt. Man kann sich in diesem Business sehr, sehr einsam fühlen. Ich kenne dieses Gefühl und diese Leere. In meinen dunkelsten Momenten hatte ich das Glück, dass mir die Musik, der Herr im Himmel und mein Umfeld immer wieder auf die Beine geholfen haben. Dafür bin ich unfassbar dankbar, denn ich habe noch sehr viel vor in meinem Leben.

Was steht denn demnächst alles an?

Wir werden noch viel Promo für die Compilation machen. Wir werden noch einige Vocals für das neue Studioalbum aufnehmen. Dann bin ich demnächst mit den Jungs von Apocalyptica für ein spannendes Kollabo-Projekt verabredet. Und dann will ich noch meinen Sohn besuchen, der gerade auf dem College ist. Es gibt einfach immer etwas zu tun.

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