29. April 2018

"Surprise, Motherfucker!"

Interview geführt von

Mit dem sechsten Studioalbum "Reverence" entfernen sich Parkway Drive noch weiter von ihren Metalcore-Wurzeln und veröffentlichen ihr bislang vielseitigstes Werk. Sänger Winston McCall sieht das genauso und erklärt im Interview die Hintergründe, aber auch, warum er auf keinen Fall die "alten Parkway Drive" abtöten möchte.

Am Abend zuvor spielten die Australier noch eine ausverkaufte Intim-Show. Winston McCall verschwand währenddessen des Öfteren inmitten einer Horde Stagediver. Ermüdungserscheinungen zeigt der Sänger ob des intensiven Gigs aber keine. Am Ende eines vollen Pressetags hüpft er gut gelaunt ins Studio des Berliner Michelberger Hotels, stellt sich unseren Fragen zu "Reverence" und verabschiedet sich mit einem Plädoyer für das Wellenreiten – seiner großen Leidenschaft neben der Musik.

Ihr habt gestern einen Gig im Lido gespielt – zwei Tage vorher angekündigt, innerhalb einer guten Stunde ausverkauft. Wie fühlt sich das an, ein Venue so schnell und so spontan zu füllen?

Na, total cool. Wir hatten keine definierte Erwartungshaltung an diese Shows. Ehrlich gesagt liefen sie besser als man hätte planen können. Und der Gig selbst war buchstäblich perfekt. Wenn du Leuten ein kleines, persönliches Konzert versprichst, sich dann aber nicht das Gefühl einstellt, was sie erwarten, ist das schwierig. Aber das gestern war echt nahe der Perfektion.

Vom kommenden Album "Reverence" habt ihr nur zwei Songs gespielt – die beiden Singles "Wishing Wells" und "The Void". Stand zur Debatte, mehr ins Set zu nehmen?

Nein. Denn wir leben in der YouTube-Generation. Und wir möchten nicht, dass das erste, was du von einem neuen Track hörst, YouTube-Qualität hat. Wollten wir, dass die Leute eine Verbindung zu für YouTube mitgefilmten Songs aufbauen, hätten wir das ganze Album in YouTube-Qualität aufgenommen. (lacht) Haben wir aber nicht, also müsst ihr euch noch gedulden. Wir freuen uns riesig darauf, neue Songs zu spielen. Es ist schon so geil, mit "Wishing Wells" und "The Void" rausgehen zu können.

"Wishing Wells" funktioniert hervorragend als Set-Opener.

Ja, den schrieben wir auch als Intro-Song. Von dort aus kann sich alles entwickeln.

Plant ihr, künftig wieder mehr solch intime Shows zu spielen?

Zwei stehen noch aus – Hamburg und Chemnitz. Dann wars das aber erstmal. Die Devise ist, unberechenbar zu bleiben. Diese Gigs waren als Überraschungskonzept, als Secret Shows ausgelegt. Wir haben sie bewusst nicht groß promotet, sondern sie konsequent 48 Stunden vorher angekündigt, sonst wäre ja alles für die Katz und nicht mehr unvorhersehbar gewesen. Erwarte nicht, dass wir in kalkulierbarem Rahmen nochmal so etwas starten, aber erwarte Unerwartetes von uns. Und irgendwann einmal kann es dann gut sein, dass wir doch nochmal so einen Run durchziehen. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass wir das tun werden. Aber bestimmt nicht bei jeder Tour.

Das andere Extrem wartet im Sommer: Bei einigen der größten Festivals steht ihr in zweiter Reihe des Line-Ups, andere headlinet ihr sogar. Mit größeren Shows kommen natürlich auch größere Erwartungen und deutlich mehr Arbeit. Wie hat sich das in den letzten Jahren für euch verändert?

Es macht Spaß. Denn mit den Erwartungen wachsen natürlich auch die Möglichkeiten. Wir können inzwischen auch aus einer Masse an Songs auswählen und schreiben neue mit den veränderten Umständen im Hinterkopf. Wir bringen ein, was wir live hören und sehen, nicht nur bei unseren eigenen Shows, sondern auch bei Shows anderer Bands. Wie reagieren wir darauf? Wie reagieren die Fans darauf? Wenn du auf diesen riesigen Bühnen stehst, gehen wir mit dem Ziel an die Musik ran, den Menschen eine Erinnerung zu schaffen. Das bedeutet für uns, den Sound zu variieren, verschiedene Emotionen einzuflechten. Um die harten Passagen noch härter erscheinen zu lassen, sind hier leichte Passagen wichtig. Enormen Unterschied machen auch Visuals. Ich erinnere mich gut daran, als wir zum ersten Mal Feuer benutzt haben. Ich dachte: „Wow, dieser Breakdown war zwar schon vorher heavy, aber jetzt mit dem Feuer – fockin’ vicious!“ Dasselbe funktioniert natürlich auch umgekehrt: Dimm das Licht, machs intim und dann spreng die Bühne in die Luft! Es hat was von einem Theaterstück, man arbeitet mit ähnlichen Mitteln. (seine Augen fangen an zu leuchten) Du kannst plötzlich deine Vorstellungskraft in viel größerem Rahmen ausschöpfen! Das ist so cool, Mann!

"Von Gott zu schreien, heißt nicht, das Christentum zu hassen"

Schon beim Vorgänger "Ire" habt ihr zwei sehr unterschiedliche Songs als Singles ausgewählt. Mit "Wishing Wells" und "The Void" handhabt ihr das jetzt genauso, die beiden unterscheiden sich sogar noch stärker voneinander als beim letzten Mal "Vice Grip" und "Crushed". Was steckt dahinter?

Kein Song repräsentiert das Album in einer Weise, dass man sagen könnte: "Hier, nimm das und erwarte, dass die Platte so klingt." Alles ist anders. Das Ding ist eine Reise. Wir wählten den harten Einstieg – damit sollen die Leute auch später das Album beginnen und hoffentlich reinkommen. Das haut rein, ist ein Schlag ins Gesicht. Und beim zweiten lief es so: "Hm, wir mögen das Riff. Okay." (lacht) "The Void" ist ja einer der einfachsten Songs auf dem Album. Verse, Chorus, eingängige Riffs und Hooks, das wars. Und auf dem Album steht der Track neben "Cemetary Bloom", was ja wirklich eine GANZ andere Baustelle ist. So verhält es sich mit vielen Songpaaren auf "Reverence". Aber sie stehen nicht ohne Grund zusammen.

Ich finde, es funktioniert letztlich supergut. Auch hier ist die Idee, unberechenbar zu bleiben. Wir leben nunmal in einer Zeit, in der alles superschnell geht, die Aufmerksamkeitsspannen reduzieren sich, man gibt wahnsinnig schnell irgendwelchen Trends nach. Irgendwas geht hoch und plötzlich drängen alle in diese Richtung und klingen dann auch total gleich. Wenn die Leute dann etwas hören, stecken sie dich sofort in eine Schublade und denken: "Aha, du bist einer von denen." Tiefer gehen sie dann gar nicht mehr. Damit das nicht passiert, sagen wir: Surprise, Motherfucker! Hehehe. Der Track muss ihnen ja nicht mal gefallen, aber sie sollen sich ob der Überraschung zumindest fragen, wie dann der nächste wohl klingt.

"Wishing Wells" unterscheidet sich außerdem in punkto Musikvideo frappierend von euren bisherigen Singles. Bei "Vice Grip" seid ihr noch aus einem Flugzeug gehüpft, jetzt wirds intim und man sieht nur deinen Kopf in der Dunkelheit. Dazu kommt dein Spoken-Word-artiger Vortrag. Wolltet ihr, dass man sich stärker auf den Text konzentriert?

Ja, definitiv. Der Anspruch bei diesem Song war auch, dass man die Vocals versteht und dass man die Emotionen dahinter fühlt. Es ist alles sehr unbeständig, wie wahnsinnig umgesetzt. Das Visuelle richteten wir so aus, dass man sich quasi auf die Lyrics und die Vortragsweise konzentrieren muss. Es geht um mich und meine Trauer. Das wollten wir einfangen. Zu viel obendrauf hätte die Wirkung der Emotion dahinter geschmälert. Wir probierten zwischenzeitlich einen zusätzlichen Part aus – und schwups war die Connection und die Intensität weg. Es musste unangenehm, roh und ehrlich sein. Und genau das ist auch das Video.

Deine Performance in "Shadow Boxing" erinnert mich an "Wishing Wells". Auch hier gibt es diese "Spoken-Word-Shouts". Außerdem rappst du in dem Song kurz. Was war deine Vocal-Devise bei diesem Album? Wohin wolltest du dich entwickeln?

Überall hin. Das ist die Idee: Wir möchten uns überall hin entwickeln können.

Hast du etwas Bestimmes trainiert?

Ich begann das Training meiner Stimme vor den Aufnahmen zu "Ire". Diese Maßnahme wurde stark von unserem Songwriting beeinflusst. Denn Jeff (Ling, Gitarrist; Anm.d.Red.) kann noch so geile Gitarrenparts schreiben – wenn ich nicht die nötigen stimmlichen Skills dafür mitbringe, ist das alles für die Katz. Der Gesang limitiert alles andere, wenn du dich auf eine einzige Linie konzentrierst. Deswegen kommen die Vocals inzwischen aus ganz verschiedenen Richtungen. Bei "Shadow Boxing" brauchten wir eben einen Rap, um diesen bestimmten Part richtig gut zu gestalten. Wenn es andernorts sehr sanft werden soll, brauchen wir dafür Klargesang. Wir mussten herausfinden, nach welchen Charakteren die Songs verlangen. Diesmal waren es ganz schön viele. Ich glaube, stimmlich ist "Reverence" das vielseitigste Album unserer bisherigen Karriere. Wir wollten einfach mehr verschiedene Sounds und haben die Vocals entsprechend angepasst. Das sind immer noch wir, aber wir leisten weit mehr als das, was man zuvor von uns gehört hat.

In den Texten finden sich haufenweise religiöse Symbole. Was inspirierte dich dazu?

In den Lyrics finden sich entsprechende Bilder und auch fürs Artwork griffen wir darauf zurück. Aber inhaltlich geht es eigentlich nicht um Religion, jedenfalls sind die Lyrics kein Kommentar bezüglich Religion an sich. Es ist alles geschrieben, um einer größerer Thematik gerecht zu werden. Vereinfacht gesagt geht es darum, mit Verlust und Trauer fertigzuwerden. Vieles schrieb ich über Freunde und Familienangehörige, die verstarben, während wir an dem Album arbeiteten, bzw. über Freunde, bei denen eine Krankheit diagnostiziert wurde und die nur noch eine bestimmte Spanne zu leben haben. Ich bin nicht religiös, aber in solchen Situationen suchst du nach irgendetwas, um zu erklären, warum etwas passiert, das eigentlich gar keinen Sinn ergeben sollte. Ein junger Mensch diagnostiziert mit einer tödlichen Krankheit? Sowas sollte nicht passieren. Wenn ich von Gott und Teufel schreie (in "Wishing Wells"; Anm. d. Red.), heißt das nicht, dass ich Gott oder das Christentum hasse...

So habe ich es auch nicht verstanden.

Ah, cool. Ich schätze, du bist dann mehr auf "I Hope You Rot" aus, was?

Ja, unter anderem.

Sehr gut. Ich bin froh, dass du das nicht so siehst. Denn ich hab zu "Wishing Wells" auch schon Stimmen à la "Verdammtes Atheistenlied" gehört. Das ist ganz und gar nicht, was ich ausdrücken möchte. Auch bei "I Hope You Rot" nicht. Es geht mehr um den Katholizismus als Institution. Während wir an dem Album schrieben, lief eine von der Regierung in Auftrag gegebene Untersuchung wegen Kindesmissbrauchs innerhalb des katholischen Systems in Australien. Das wurde öffentlich verhandelt und war schwierig in die Wege zu leiten – aber schließlich passierte es und das Ding wuchs und wuchs und wuchs. Was dabei alles zum Vorschein kam, ist furchtbar. Da dreht es dir echt den Magen um. Im Grunde ist es das pure Böse. Punkt. Und diese Taten wurden verübt von der "moralischen Autorität" unseres Landes, die anscheinend diktieren kann, was richtig und was falsch ist. Wir schwören bei ihrem Gott, wenn wir vor Gericht aussagen. Das ist eine der mächtigsten Organisationen der Welt. Aber die Statistiken in Sachen Kindesmissbrauch sind so abgefuckt. Und darum geht es – nicht um den Glauben an einen Gott oder den Gott, sondern um eine menschliche Organisation, die eine moralische Autorität repräsentiert und diese Autorität missbraucht, um sich an verwaisten, verletzlichen, den jüngsten und schwächsten Menschen des Planeten in pervertierter Art und Weise zu vergehen.

Wie kamst du dazu, dieses Thema in einen Komplex mit den vorher angesprochenen persönlichen Verlusten zu packen? Ist das Bindeglied, dass "das Böse" immer die Schwachen bzw. Jungen trifft?

Ich gebe zu, das sind zwei sehr verschiedene Themen. Was sie zusammenhält ist unsere Zeit.

So passt dann auch "Absolute Power" ins Bild, wo es um Politik geht.

Richtig. Wenn wir uns an ein Album machen, habe ich keine Liste mit Dingen, die gut zusammenpassen oder über die ich unbedingt schreiben möchte. Lyrics passieren einfach. Ich schreibe, über was ich schreiben muss. Und was passiert, passiert. Die Spanne, in der wir an einem Album arbeiten erstreckt sich normalerweise über mehrere Jahre. Das Ergebnis ist ein 45-minütiger Schnappschuss davon, was mich während dieser Zeit beschäftigt hat – was mich drängte, etwas zu Papier zu bringen.

"Wie verbannst du Menschlichkeit aus der Kunst?"

Recherchierst du zusätzlich, wenn du an einem Text arbeitest?

Bis zu einem gewissen Grad, ja. Ich stelle in jedem Fall sicher, dass ich mir nichts aus den Finger sauge. Aber ich bin niemand, der gleich ein Lexikon rauskramt, sobald er etwas Interessantes hört. Ich bilde mir definitiv nicht ein, alles zu wissen. Aber ich weiß, wo ich meine Informationen herbekomme. "I Hope You Rot" schrieb ich zum Beispiel, während der Gerichtsprozess live im Radio übertragen wurde – täglich. Ich lauschte keiner Musik, sondern diesem Prozess, diesen Missbrauchsfällen.

Wusstest du da schon, dass du einen Song drüber schreiben würdest?

Nee. Aber nachdem ich einige Wochen zugehört hatte, dachte ich mir: Das ist einfach zu fucked up. Und "Absolute Power" entstand, als in Amerika alles in die Luft ging. Dort wurde Polizeigewalt zum riesigen Thema und in Australien hatten wir Fälle von indigenen Kindern, die in Gewahrsam geschlagen, missbraucht und mit Tränengas attackiert wurden. Und Donald Trump wurde gewählt. Im Grunde geht es um Korruption und dabei weniger darum, Details zum Thema zu finden, sondern was es für Auswirkungen hat. "Absolute Power" betrifft die gesamte Gesellschaft. Es geht darum, was wir gesellschaftlich akzeptieren, was wir schützen, was wir fürchten und dass die eben angesprochenen Dinge eigentlich keinen Platz in unserem Wertesystem haben. Nimm zum Beispiel mal die Wahl in den USA. Ein paar meiner Freunde waren drüben und sie hatten nur zwei Wahlmöglichkeiten – Trump und Hillary. Beide sind scheiße, aber du musstest dich für einen entscheiden. Ist das überhaupt noch eine Wahl? Es heißt zwar: "Ihr könnt frei wählen" – aber die Möglichkeiten werden dir vorgegeben. Dahinter steht immer noch jemand, der es so lenkt, dass es Kohle für ihn abwirft.

Es wird öfter diskutiert, ob Musiker sich in politische Angelegenheiten einmischen sollten. Wann denkst du, ist ein Punkt erreicht, an dem sie es definitiv tun sollten?

Musiker sind Menschen. Wie verbannst du Menschlichkeit aus Kunst? So gesehen ist es eigentlich ganz einfach oder? Was soll ein Musiker sein? Was bringt dich dazu, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen? Dass sie etwas Glamouröses machen, das dich ablenkt? Oder existiert die Verbindung aus einem menschlichen Grund? Wenn es letzteres ist, dann muss der Musiker einen Sinn für Moralität und Menschlichkeit mit sich bringen. Eine gewisse moralische Verpflichtung ist im Paket einfach enthalten. Ob man nun damit übereinstimmt oder nicht, man kann es nicht ändern. Kunst bedeutet für mich, menschliche Emotion in eine ausdrucksstarke Form zu gießen. Politik ist ein soziales Konzept. Warum sollte man es also nicht kommentieren? Du lebst doch in dieser Gesellschaft – du bist Teil davon!

Der finale Track des Albums – "The Colour Of Leaving" ist weniger Song, mehr Atmosphäre. Man hört Soundscapes, du sprichst, am Ende bezieht ihr euch mit Krähenrufen zurück auf den Beginn von "Wishing Wells". Ist das Stück quasi die Verkörperung eures Anspruchs ein Album zu schaffen, das aus mehr besteht als "nur" Songs?

Auf jeden Fall. Das Ende leitet direkt wieder zu "Wishing Wells" über, du kannst das Album quasi im Kreis hören. In "Wishing Wells" geht es um Verlust und Trauer, in "The Colour Of Leaving" darum, Lebewohl zu sagen. Mit diesen Themen fing die Arbeit am Album an und sie begleiteten uns währenddessen – sie sind sozusagen die beiden Buchstützen. Ich stehe auf Alben, weißt du? Ich bin kein Single-Typ. Wenn man zehn Songs zusammenpackt, sollte man irgendwo anfangen und irgendwo aufhören und sie am Stück hören können. Die Songs können trotzdem für sich stehen, aber wenn man sie gemeinsam hört, sollten sie ein komplettes Hörerlebnis ergeben. "The Colour Of Leaving" steht am Ende, weil ich möchte, dass die Leute das mitnehmen. Die letzten drei Jahre waren wahrscheinlich die härtesten meines Lebens und das gilt glaube ich auch für einige andere Bandmitglieder. Sie haben dieses Werk hervorgebracht und das soll man mitkriegen, wenn man es hört. Den Text zum letzten Song schrieb ich nur wenige Stunden, nachdem ich einen Freund beerdigt hatte. Es war mein Weg, mit der Trauer fertig zu werden und meine Gedanken zu ordnen. Als wir "The Colour Of Leaving" zusammenbauten wussten wir noch nicht, ob es ein Song werden sollte, ob die Worte überhaupt auf einem Album funktionieren und ob genug Leute es verstehen würden. Schließlich kamen wir zu dem Schluss, dass wir so aufhören müssen – egal, ob später jemand zuhört oder nicht, ob es jemandem gefällt oder nicht, ob jemand damit connected oder nicht.

Im Video zu "The Void" trittst du als zwei verschiedene Figuren auf und die eine tötet am Ende die andere. Steht das gewissermaßen für das Ende der "alten Parkway Drive" und den Beginn einer neuen Ära?

Hahaha, die Theorie, dass hier Parkway das alte Parkway töten, habe ich tatsächlich neulich schonmal gehört. Ben (Gordon, Drummer; Anm.d.Red.) hatte sie irgendwo gefunden...

Naja, wie du über das Album sprichst, klingt, als wäre es euer bislang persönlichstes, insofern liegt der Verdacht nahe.

Für mich ist "Reverence" ein neues Kapitel – das auf jeden Fall. Aber wir haben die alten Parkway Drive nie getötet. Es ist dasselbe Parkway Drive, allerdings gewachsen. Und es wird weiter wachsen. Man erwartest ja auch von niemandem, sein Leben lang Siebtklässler zu bleiben. Die Band war schon immer eine Reflexion unserer selbst – zu erwarten, dass wir immer gleich bleiben, ist ein merkwürdiges Konzept. Als Ben mir von der Theorie erzählte, habe ich mir das Video nochmal angeguckt. Und fuck ja, du kannst es total so sehen! (lacht) Wir haben kein Interesse daran, irgendwas abzutöten, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Ich will dem vielmehr etwas hinzufügen – und zwar, weil ich das Gefühl habe, es ist wert, darauf aufzubauen! Wenn wir irgendetwas ungeschehen machen wollten, würden wir live keine zehn Jahre alten Songs spielen. Die sind gesetzt! Aber wir möchten eben auch Anderes dazugeben, um das Set noch dynamischer zu gestalten. Ich finde, wir haben mit dem alten Material absolut ins Schwarze getroffen. Würden wir jetzt versuchen, das zu wiederholen, käme eine schale Kopie dabei heraus.

In "The Void" erschaffen wir übrigens Klone von uns selbst – Avatare, in die wir durch die Technologie mehr Selbstwert, Gedanken und Gefühle stecken. Wir beurteilen uns selbst auf Basis dieser Alter Egos. Wir stellen uns hin und behaupten: Das bin ich! Sieh her – mein Leben ist fucking awesome! Tatsächlich verkümmern unsere Leben. Wir verschwenden uns und was wir haben, für diese imaginäre Technologie, die in Wirklichkeit menschliche Verbindungen formt und zerstört.

Stört dich, wenn du auf der Bühne stehst und das Publikum nicht versteht, worum es in den Songs tatsächlich geht?

Es wäre traumhaft, würde jeder alles verstehen. Aber das wäre gleichzeitig eine Leugnung der Verbindung, die Leute durch ihre Interpretation zur Musik aufbauen. Das gleiche gilt ja für mich, wenn ich zum Beispiel deutsche Musik höre. Verdammt, ich liebe Rammstein! Und ich habe zwar absolut keine Ahnung, wovon er singt, aber es trifft mich. Und die Leute verstehen ja teilweise auch nicht einmal, wovon zum Teufel ich singe, obwohl sie englischsprachig sind. So ist es nunmal, jeder nimmt Verschiedenes für sich mit. Zumal ich ja oft spezielle Sprache verwende, um nicht zu stumpf zu formulieren und es etwas kunstvoller zu gestalten. In anderen Songs wiederum werde ich so persönlich, dass es im Grunde keine andere Auslegungsmöglichkeit gibt als die, die ich im Sinn hatte. Also nein, es stört mich nicht. Hauptsache die Leute hören uns zu und entdecken etwas für sich in der Musik. Denn für mich war das bei Musik immer wichtig. Musik ist für mich nicht einfach nur Hintergrundrauschen, sondern der Soundtrack zum Leben. Wenn ich das für andere sein kann, auf welche Weise auch immer – cool!

Du kamst durch Surf-Filme zu harter Musik. Sollten die Leute durch deine Musik zum Surfen kommen?

Aw, Dude ... ja! Ja! Ich empfehle jeder Person auf diesem Planeten, Wellen zu reiten. Es ist lebensverändernd. Anders kann man es nicht formulieren. Es ist lebensverändernd, perspektivenverändernd und man wird es nicht verstehen, bis man es selbst erlebt hat. Ich sehe es immer wieder. Meine Frau konnte nicht einmal schwimmen, ich habe ihr das Surfen beigebracht und sehe, was es ihr gibt, und höre, wie sie es mir beschreibt. Ich kann mir das Leben nicht ohne diese Verbindung vorstellen. Und es gibt diese Verbindung, von der du keine Ahnung hast, bis du erlernst zu surfen. Wenn du Surfen lernst, lernst du keinen Sport. Du lernst, auf einer Energiewelle zu reisen. Das ist, was es ist – im Ozean gespeicherte Energie, von einem Sturm absorbierte kinetische Energie, die durchs Meer gedrückt wird. Und du kannst darauf reiten! Das ist fucking crazy, wenn du auf drüber nachdenkst – erst recht auf naturwissenschaftlichem Level. Also: Try it! Es ist ein verdammt gutes Gefühl. (lacht)

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