10. April 2025

"Ich war ein Möchtegern-Punk"

Interview geführt von

Mit ihrem düsteren, ätherischen Stil stellt Penelope Trappes in der Ambient-Szene keine Unbekannte mehr dar. Mit "A Requiem" erscheint nun ihr erstes Album für One Little Independent. Anschließend geht es zum Roadburn Festival nach Tilburg.

Penelope wächst in Australien auf und besitzt eine formale Grundausbildung in Oper und Jazz. Ihre ersten musikalischen Gehversuche wagt sie ab Ende der 00er-Jahre als Teil des Electro-Pop-Duos The Golden Filter, das sie zusammen mit Stephen Hindman in New York ins Leben ruft und mit dem sie mehrere EPs und Alben veröffentlicht. Nach der Geburt ihrer eigenen Tochter möchte sie jedoch als Solomusikerin eigene Pfade gehen.

Schon mit der Trilogie "Penelope One", "Two", "Three", die zwischen 2017 und 2021 auf Houndstooth erscheint, erspielt sie sich bei Hörern und Kritikern einen sehr guten Ruf. Etwas minimalistischere, experimentellere Wege beschreitet sie mit den Folgealben "Heavenly Spheres" und "Hommelen". "A Requiem" hat sie in Schottland bei Kerzenschein in völliger Isolation aufgenommen. Eine kathartische Erfahrung, wie die mittlerweile im englischen Brighton ansässige Sängerin und Musikerin im Interview versichert.

Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Album. Wie geht es dir?

Es geht mir gut. Danke für die Glückwünsche. Es ist noch nicht offiziell raus, aber es erscheint nächste Woche am 4. April.

Wie bist du das erste Mal mit Musik in Kontakt gekommen bist.

Ich denke, als Kind war ich immer davon umgeben. Von den Vögeln im subtropischen Australien, die sehr laut und präsent sind, bis hin zur Musik in meinem Haus. Als junger Mensch habe ich auch eine Zeit lang Klavier gelernt, was mir aber nicht wirklich gefallen hat. Und dann habe ich als Teenagerin eine Gesangsausbildung in klassischer Musik begonnen - und später in der Oper. Und ich habe mich auch ein bisschen im Jazz versucht. Und so war es eine Art Erfahrungsbogen, der mich zu dem führte, was ich heute bin.

Welche Einflüsse und Bands haben dich in deinen Teenagerjahren geprägt?

Ich war ein bisschen ein Möchtegern-Punk. Aber ich wuchs auch im ländlichen Australien auf. Da gab es viel von dem, was wir Pub-Rock nennen - und die beste amerikanische Version davon waren The Cramps. Und dann gab es noch die ganzen klassischen britischen Punkbands. Ich meine, ich habe mir alles angehört.
Ich habe mich für Hip Hop und die Beastie Boys begeistert. Aber dann stand ich auch total auf Sachen wie This Mortal Coil, Cocteau Twins, und ich glaube, dass ich generell eher zu den traurigeren Sachen tendierte, auch wenn ich eine jugendliche Energie hatte, die in Richtung Rock und so ging. Ja, ich neige eher zu den schwermütigen Sachen.

"Ich wollte mit "A Requiem" ein eigenes Gefühl von Zuhause finden"

Du hast gesagt, dass du eine Grundausbildung in Oper und Jazz hast. Wo brachte dir die Grundausbildung besondere Vorteile für deine spätere Karriere?

Ein Opernstudium ist eine hervorragende Möglichkeit zu lernen, wie man seine Stimme optimal einsetzt, wie man den Klang formt, wie man Kraft findet. Im Grunde genommen wollte ich mit diesem neuen Album die ganze Bandbreite meiner Stimme ausschöpfen. Von ganz leise bis zu diesen großen stimmlichen Momenten. Und dann ging es weiter zu geistlichen, fast kirchenähnlichen Momenten. Ich habe also versucht, all die vielen Stimmen zu nutzen.

In New York hast du zusammen mit Stephen Hindman das Elektronik-Duo The Golden Filter gegründet. Wie kam der Kontakt mit Stephen zu Stande und welche Rolle hattest du in der Band?

Wir waren Nachbarn und ich hatte Jazz studiert. Und Stephen hat Drum'n'Bass gemacht. Wir haben uns dann zusammengetan und gemeinsam Songs geschrieben. Stephen hat hauptsächlich produziert, weil er aus dieser Welt kam, und im Laufe der Zeit haben wir immer mehr gemeinsam geschrieben und sind immer mehr zur vollen Zusammenarbeit übergegangen. Aber es durchlief viele Metamorphosen und Stile. Ich glaube, ich kam an einen Punkt, an dem ich, so viel Spaß wir auch hatten, meine eigene Geschichte erzählen wollte. Also wollte ich solo gehen.

Du hast nach der Geburt deiner Tochter angefangen, eigene Solosongs zu schreiben. Was war die eigentliche Triebfeder für dich, Musik unter eigenem Namen zu veröffentlichen?

Wie ich in der letzten Antwort sagte, hatte ich eine sehr persönliche Geschichte, die sehr mit der Tatsache verbunden war, dass ich erst nach der Geburt meiner Tochter begann, Zugang zu meiner eigenen persönlichen Kraft zu finden und zu begreifen, was ich erreichen konnte. Über einen gewissen Zeitraum hinweg gab es also viele sehr persönliche Geschichten, die ich teilen wollte, die alle mit dem Thema Mutter, Tochter, Frau usw. zu tun hatten.

Deine Texte handeln oftmals von Verlustthemen und deine Shows, deine Videos und die visuelle Gestaltung deiner Platten besitzen eine ausgeprägte surreale Gothic-Ästhetik. Gibt es einen roten Faden, der all deine Soloarbeiten miteinander verbindet?

Ich denke schon. Ich meine, ich bin im Allgemeinen eine optimistische, hoffnungsvolle, glückliche Seele, aber ich habe auch eine sehr eingeschränkte Kindheit hinter mir, und als ich 14 war, wurde bei meiner Mutter die Parkinson-Krankheit diagnostiziert. Es gab immer dieses vorausschauende, bevorstehende, drohende Gefühl des Todes.

Und wie ich schon sagte, habe ich mich musikalisch der düsteren Seite der Dinge zugewandt, weil ich das Gefühl habe, dass ich den Schatten beleuchte, wenn ich Dinge zum Ausdruck bringe, die mich vielleicht traurig oder wütend machen oder die die dunklere Seite betreffen. Wenn ich den Schatten genauer betrachte, erkenne ich, dass der Grund dafür, dass der Schatten da ist, das Licht ist.

Dein jetziges Album heißt "A Requiem". Hast du beim Schreiben des Albums jemanden Bestimmten im Sinn gehabt, den du die Platte widmen wolltest, oder die Songs eher für dich geschrieben?

Für mich war es auf jeden Fall eine Art kathartische Erfahrung, aber gleichzeitig war das alles sehr von meiner Familie beeinflusst, von meiner unmittelbaren Kernfamilie in Australien, und von der Betrachtung des ganzen Dramas oder was auch immer, mit dem ich aufgewachsen bin, und wie es mich als Erwachsene geprägt hat. Es ging also um eine Art persönliche Katharsis und darum, wirklich zu verstehen, was Zuhause für mich bedeutet. Ich habe zum Beispiel meine Vorfahren in Australien, aber meine genetische Abstammung ist mit diesem Teil der Welt in Großbritannien verbunden.

Es ging also darum, mein eigenes Gefühl von Zuhause zu finden. Es ist immer noch eine Widmung an diejenigen, die mich hierher gebracht haben.

"Meine Livekonzerte stehen für High Drama und Energie"

Für dein letztes Album "Hommelen" hast du einem Halldorophon experimentiert, einem elektroakustischen, celloartigen Instrument. Für "A Requiem" hast du ein richtiges Cello genutzt, für das du keine formale Grundausbildung besitzt. Mit welchem Ansatz bist du diesmal an die Aufnahmen herangegangen und übte die Arbeit an "Hommelen" auch Einfluss auf das jetzige Album aus?

Das Halldorophon ist ein ungewöhnliches Instrument, bei dem es sich nicht um ein klassisches Instrument handelt, wie es ein ausgebildeter Cellist spielt, und ich weiß, dass ausgebildete Cellisten Schwierigkeiten mit diesem Instrument haben, weil es sehr sprunghaft ist und seinen eigenen Charakter hat. Ich habe das Instrument sein Ding tun lassen. Es erzeugt dieses Dröhnen und man kann das Dröhnen beeinflussen.

Ich nehme also an, dass es bei dieser Residenz vor allem darum ging, dass meine Stimme und das Halldorophon zusammenarbeiten. Ich meine, ich hatte in der Vergangenheit mit dem Cello gearbeitet, auf meine sehr einfache, minimalistische Art. Ich denke, dass ein elektrisches Halldorophon dazu beigetragen hat, meine Wahrnehmung des Cellos zu verbessern und zu zeigen, was es sein könnte. Und es schuf dieses Bett aus Drones, das ich dann mit Gesang unterlegte.

Du arbeitest auch mit Synth Drones, Ambient Field Recordings und Produktionstechniken wie Reverb- und Halleffekten. Nutzt du Elektronik dazu, ein bestimmtes Gefühl oder eine bestimmte Atmosphäre zu verstärken, die du vermitteln möchtest?

Ja, auf jeden Fall. Ich denke, es ist keine Schande, wenn man Postproduktion betreibt. Hier kann die Vorstellungskraft ein anderes Element zum Vorschein bringen, das man vielleicht schon im Studio gespürt hat, das aber noch nicht ganz zur Geltung gekommen ist. Und Dinge wie Granular Reverb oder Tapeffekte oder ähnliches können dieses Gefühl des Gespenstischen erzeugen. Dann bleibt ein Raum zwischen dem, was man gemacht hat, dem Effekt, und dem Raum, der sich danach auftut. Es ist also immer dieser zusätzliche Zauber, den man der Magie, die im Studio passiert ist, hinzufügen kann.

Der letzte Song des Albums, "Thou Art Mortal", klingt, als würdest du auf eine eigene Fantasiesprache zurückgreifen. Ist dem so? Ich musste beim Hören doch sehr stark an Lisa Gerrard denken.

Wunderbar. Ich bin ein großer Fan von Lisa Gerrard, einer australischen Landsfrau. Es ist eigentlich Gälisch. Ich habe es in Schottland aufgenommen und im Vorfeld des Albums und während der Aufnahmen viel über die Kultur der britischen Ureinwohner recherchiert und Steinkreise und solche Orte besucht. Ich würde gerne Irisch oder Gälisch lernen, je nachdem, wer mich irgendwann in der Zukunft unterrichten kann.

Ich habe mit den Wörtern gearbeitet, um herauszufinden, wie sie klingen, wenn ich sie ausspreche, aber im Endeffekt bedeuteten alle Lieder, alle Wörter, die ich ausgewählt habe und die für mich funktionierten, eine Form von Wasser, einen Wasserfall, einen See, ein Meer und einen Fluss. Die einzigen beiden anderen Wörter, die nichts mit Wasser zu tun haben, beziehen sich auf einen Star in schwarzer Farbe.

Dieses Jahr gehst du auch auf Live-Tournee und zwar mit Band, was dich zum Roadburn-Festival in Tilburg führt, einem Ort für "heavy music". Was darf man bei den zukünftigen Live-Shows erwarten und wie aufgeregt bist du, deine Musik einem Publikum zu präsentieren, das eine Affinität zu härteren und extremeren Tönen besitzt.

Ich bin begeistert, dass ich eine Band mitbringen werde. Nun, es gibt einen Cellisten und eine Orgel und mich selbst. Es wird immer noch sehr minimalistisch und zurückhaltend sein, aber hochdramatisch. Und ich glaube, dass die Leute, die alles, was heavy ist, lieben, im Grunde genommen das Drama lieben. Sie wollen Energie, und die werden sie definitiv bekommen. Midwife, die dort anwesend ist, hat einen Begriff geprägt. Ich weiß nicht, ob sie ihn selbst erfunden hat, aber sie nennt es Heaven Metal - und ich habe das Gefühl, dass ich in der Heaven Metal-Zone lebe. Aber es ist eigentlich so, dass wir auch in der Heavy-Zone sind, High Drama.

Sind auch wieder einzelne Konzerte in Deutschland geplant?

Ja. Ich werde direkt nach uns zu einem weiteren Treffen mit einem Booking-Agenten aufbrechen. Dabei geht es im Grunde darum, den Act nach ganz Europa zu bringen und auf jeden Fall nach Deutschland.

Danke für die Zeit, die du dir genommen hast. Es war mir eine große Freude.

Vielen Dank und ich bin gespannt, was dabei herauskommt (mittlerweile ist ein Auftritt beim About Pop Festival in Stuttgart am 16.05. bestätigt - Anmerkung des Redakteurs).

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