laut.de-Biographie
R.A. The Rugged Man
So wertetreu sein Rapstil, so kontrovers und unangepasst seine Künstlerpersönlichkeit: MC-Legende Ryan Andrew Thorburn alias R.A. The Rugged Man kann einem schon mächtig bipolar vorkommen.
Seit er zwölf ist, begeistert sich der New Yorker mit deutschen Wurzeln für Hip Hop. Damals baut er mit ersten Battles in der Nachbarschaft seine Rapskills auf, während er als Sohn eines US-Sergeants und einer deutschen Mutter jedes Jahr zwei Monate auf einer Farm im baden-württembergischen Siegelsbach verbringt. Die Schnitzel bleiben ihm in bester Erinnerung, außerdem erwirbt Thorburn die berühmte deutsche Tugend Pünktlichkeit.
Zuhause in Suffolk County, Long Island erweitert er stetig das Hip Hop-Wissen: Hardcore-Legende Kool G Rap wählt er zum Idol: "Er ist der größte Rapper, der jemals gelebt hat." Nas und später Sean Price folgen. Schnell erobert sich R.A. nicht nur einen Ruf als hochbegabter Emporkömmling aus dem Eastcoast-Underground, sondern bereits 1992 im Alter von 18 auch den Plattenvertrag mit Jive Records.
Unter dem Pseudonym Crustified Dibbs macht er jedoch nicht nur musikalisch, sondern auch als Rebell wider die Musikindustrie von sich Reden. Verständlicherweise riskieren programmatische Zeilen wie "Every record label sucks dick" manche Freundschaft – der anfangs schwer umworbene Lyricist wird bald zum gebrannten Kind.
Plattenfirmen und A&Rs, aber auch einige Fans fühlen sich von Thorburns aggressivem, mitunter handgreiflichen Verhalten in den 1990er Jahren abgestoßen. Zwischen 1995 und 1998 hat er in vielen Aufnahmestudios ebenso Hausverbot wie auf den Bühnen des Landes. Bei so viel "Einsatz" für den Hip Hop fällt an der Seite einiges ab: Schon in der Schule ist Teenager Ryan als Raufbold verschrien, zu Hause gibt es viele Probleme.
Auf der Flucht vor dem zerrütteten Umfeld feilt er an seiner Performance und entwickelt eine Filmleidenschaft, die er später in mehrere (Horrorfilm-)Drehbücher übersetzt (darunter "Bad Biology" von 2008). Drogenskandale und Psychiatrie-Aufenthalt kann er alsbald ebenfalls vorweisen. Der skandalumwitterte Ruf tut Rugged Mans Popularität innerhalb der Szene allerdings keinen Abbruch.
Es kommt zu beeindruckenden Kollaborationen mit Notorious B.I.G. (Biggie sagt im Hinblick auf Thorburn später: "I thought I was the illest."), Mobb Deep, Wu-Tang Clan, Chuck D oder Jedi Mind Tricks. Mit letzteren setzt R.A. zugleich mit dem Track "Uncommon Valor" ein unübersehbares Ausrufezeichen.
Darin erzählt er 2006 die Geschichte seines medaillenverzierten Vaters, der im Vietnamkrieg mit Agent Orange in Kontakt geriet. 2010 stirbt der Veteran schließlich an den Spätfolgen, während Ruggeds Bruder Maxx aus gleichem Grund schon mit zehn Jahren sein Leben verliert. Besagte Verse sind dem US-Fachblatt The Source, für das Ryan später als Kolumnist tätig wird, sogar den ungekürzten Abdruck wert.
Erst 2004 erscheint das offizielle Debütalbum von The Rugged Man: "Die Rugged Man Die" auf dem Brooklyner Label Nature Sounds. Über die Jahre hat er sich die kontroverse Art sowie den überaus einflussreichen, tendenziell oldschooligen Stil bewahrt: Rugged ist weiterhin lieber unabhängiger Lyricist statt "faggot NYC hipster rapper", und neben Hip Hop, Film und Sex mit jungen Mädchen geht er nur noch einer einzigen weiteren Sache derart exzessiv nach: der Mundhygiene.
"Ich putze meine Zähne sehr oft. Fünf, sechs Mal am Tag. Ich habe die ganze Zeit Angst, dass ich schlechten Atem haben könnte." Diese Obsessionen genauer studieren kann der geneigte Hörer in Ryan Andrew Thorburns Autobiografie, an der er in den 2010ern zusammen mit einem Autoren der New York Times arbeitet.
Bis R.A. The Rugged Man "Die, Rugged Man, Die" ein weiteres Album folgen lässt, ziehen Jahre ins Land. Wer unterdessen die Hoffnung aufgegeben hat, den belehrt die Platte, die im Mai 2013 erscheint, eines Besseren. Deren Titel nämlich geht als Programm durch: "Legends Never Die".
Als einer der ganz wenigen seines Fachs wirkt R.A. The Rugged Man glaubwürdig, wenn er rappt: "Million dollar budgets and corporate endorsements - we don't need 'em." Das einzige, das diesem Mann heilig scheint: einhundert Prozent künstlerische Unabhängigkeit.
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