7. Mai 2009

"Wir dachten, MTV verwechselt uns"

Interview geführt von

Die Sportfreunde Stiller wagen sich auf neues Terrain und haben ein Akustik-Album aufgenommen, "MTV Unplugged in New York". Ihre Gastmusiker sind so spannend wie unterschiedlich: Udo Jürgens, The Subways und Meret Becker. Doch das sind nicht die einzigen Besonderheiten bei diesem Projekt.Hervorragend. Das Wetter spielt mit, und so findet das Interview mit Drummer Florian Weber von den Sportfreunden in frühlingshafter Atmosphäre auf der Terrasse des Münchner Cafés Volksgarten statt. Bassist Rüdiger Linhof kann leider aus familiären Gründen nicht dabei sein. Sänger und Gitarrist Peter Brugger gibt gerade ein Telefoninterview, verpasst es aber nicht, ganz alte Schule, nebenher zumindest bei der Begrüßung lächelnd die Hand zu geben. Flo Weber ist bei bester Laune.

Sich als erst sechste deutsche Band bei MTV Unplugged neben den Fantastischen Vier, den Toten Hosen und internationalen Größen wie Nirvana, REM oder Eric Clapton einzureihen, kommt doch einer Adelung gleich ...

Flo: Das ist der musikalische Ritterschlag (lacht).

Wie kam es denn zu dieser Zusammenarbeit mit MTV?

Das kam für uns schon überraschend. Eines Tages hat MTV uns in ein Hotel nach Berlin bestellt, und wir waren ganz konsterniert, was die wohl von uns wollen. Da haben sie uns dann diese Chance unterbreitet, ob wir nicht ein "Unplugged"-Album mit ihnen machen wollen. Im ersten Moment dachten wir, die verwechseln uns mit einer anderen Band. Nach kurzer Überlegung haben wir dann beschlossen es zu machen und es auch sehr gerne getan.

Die insgesamt 26 Songs in eine Akustik-Form zu bringen und überhaupt die gesamte Umsetzung war sicherlich viel Arbeit. Wie lange hat es tatsächlich gedauert, bis aus der Idee ein fertiges Produkt wurde?

Wir haben uns etwa sechs Monate lang musikalisch darauf vorbereitet. Wir wussten, dass wir im Sommer mit den Proben beginnen sollten, um im Dezember die Aufnahmen machen zu können. Das war der Plan. Die Aufzeichnung fand schließlich im Januar statt.

Gibt es denn aus der Unplugged-Reihe Aufnahmen von anderen Künstlern, die euch besonders gut gefallen oder vielleicht sogar inspiriert haben?

Meine Lieblings-Unplugged-Aufnahme ist natürlich Nirvana. Das liegt daran, dass ich in der Grunge-Ära aufgewachsen bin. Meine Freunde und ich waren damals große Flanell-Hemden-Träger, hatten kaputte Jeans an und lange Haare. Das war auch mein erster Kontakt zu der Thematik akustische Konzerte. Wir haben uns natürlich einige Unplugged-Veröffentlichungen anderer Bands angesehen. Wir fanden zum Beispiel die Idee von den Ärzten mit der Rock'n'Roll-Realschule spitze. Aber uns war vor allem wichtig, sich darüber zu informieren, was es alles schon gab, damit wir nicht etwas wiederholen, was andere bereits vorher gemacht hatten.

Was habt ihr euch konkret überlegt, um euch von den Vorgängern abzuheben?

Nach ewig langer Location-Suche für die Aufnahmen kam uns diese Straßen-Kulisse in den Bavaria Filmstudios in München ganz recht, die uns die Möglichkeit gab, zwar an einem Ort, aber auf drei verschiedenen Bühnen zu spielen. Vor einem Haus, auf einem Baugerüst und dann noch mal vor einer Werkstatt. Neuartig ist, dass es fließende Übergänge bei den Liedern gibt und sich gleichzeitig die Kulisse ändert. Noch dazu haben wir versucht, das Ganze filmisch darzustellen, indem wir in verschiedene Rollen geschlüpft sind. Wir haben uns für jede Musikergruppe Kleider ausgedacht. Wir selbst haben so Gangster-mäßige Lederjacken angehabt, die Bläser waren Bauarbeiter, die Geigerinnen waren Stewardessen und der Chor war eine Straßengang mit Baseballjacken. Auch haben wir zum Beispiel Plakate für das Set entworfen, die diese "Acoustic Avenue" zu unserem Spielfeld gemacht haben. Die ganze Atmosphäre war letztendlich unglaublich auflockernd.

"Wir sind tatsächlich große Fans von Udo"

Warum habt ihr euch für den Titel "New York" entschieden, wenn die Aufnahmen eigentlich in München stattgefunden haben?

Weil dieser Straßenzug sehr nach Brooklyn ausgesehen hat. Und wir hatten uns bereits im Vorfeld auf das Coverlied "Ich war noch niemals in New York" von Udo Jürgens geeinigt. Wir hatten diesen Song schon mal vor vier Jahren live bei einem Konzert ausprobiert, bei dem auch Bläser dabei waren. Und das hat super Spaß gemacht. Gleichzeitig haben wir somit auch eine musikalische Brücke zu der Örtlichkeit geschlagen.

Wie kam die Kooperation mit Udo Jürgens zustande, der bei der Unplugged-Version via Schalte mit euch zusammen "Ich war noch niemals in New York" singt?

Wir sind tatsächlich große Fans von Udo und dem Text. Also haben wir ihm ein Demo-Band von unserer Umsetzung dieses Liedes geschickt. Der hielt das für eine sehr spritzige Version und fand die Vorstellung interessant, damit zwei Generationen zusammenzuführen. Leider hat er bei dem Auftritt selbst keine Zeit gehabt. Aber wir haben uns vorher in einem Münchner Hotel mit ihm getroffen und zwei Stunden lang zusammen daran gearbeitet. Er hat dann noch die Tonspuren aufgenommen, weil wir das Lied in einer anderen Tonart gemacht haben. Zu guter letzt haben wir ihn gefilmt und virtuell zugeschaltet beim Auftritt.

Wie gut kannte euch denn Udo Jürgens, als ihr bei ihm an die Tür geklopft hattet? Wahrscheinlich vor allem von der WM, oder?

Er kannte uns sogar schon vor der WM. Zwei Jahre vorher hatte ein deutscher Fernsehsender nämlich zu seinem 70. Geburtstag eine große Gala geplant. Damals sind wir angefragt worden, ob wir ein Lied von ihm covern könnten. Er wollte wohl ein paar junge Bands bei der Gala dabei haben. Aber leider hatte sich dann rausgestellt, dass wir nicht mitmachen konnten, weil wir gerade auf Tour waren.

Einen weiteren prominenten Gastauftritt haben The Subways aus Großbritannien, mit denen ihr eine englisch-deutsche Version von "Rock & Roll Queen" zum Besten gebt. Seid ihr euch bei einem Festival begegnet oder wie habt ihr eEuch kennen gelernt?

Ganz genau so war's. Wir haben im letzten Jahr ziemlich viele Open-Airs gespielt, auf denen auch The Subways waren. Wir kennen deren beide Alben und haben ihnen gesagt, wie begeistert wir von ihnen sind. Das Konzept für das Unplugged-Album war, neben dem Udo Jürgens-Klassiker und dem Duett mit Meret Becker zu "(Tu nur das) was dein Herz dir sagt", die aus dem Theaterbereich kommt, auch etwas Rockiges, Modernes einzubauen. Dazu hatten wir Songs von Weezer, The Smashing Pumpkins und The Subways in der engen Auswahl und uns schließlich für letztere entschieden. Ich war dann auf dem Konzert in München und habe mit ihnen gesprochen. Daraufhin haben sie gesagt, "let's have some fun". Einen Tag vor dem Auftritt kamen The Subways nach München, haben eine Stunde geprobt und das hat gepasst.

Bei der Aufzeichnung hatte Sänger Billy Lunn Probleme mit dem deutschen Text. Erst nach mehreren Anläufen hat es geklappt ...

Dazu gibt es einen Hintergrund. Billy hat den deutschen Text ja selber schon unzählige Mal auf den Konzerten in Deutschland gesungen. Aber bei der Aufzeichnung wollte er uns überraschen und singen "Du bist die Sonne, du bist Sportfreunde Stiller". Aber er konnte die schwierigen deutschen Wörter "Sportfreunde Stiller" nicht unterbringen. Im Nachhinein ist das total lustig. Diesen Verhaspler haben wir jetzt auch drauf gelassen auf der DVD.

"Wir wollen unsere Gehirne auffrischen"

Ihr hattet bei den Aufnahmen mit den unterschiedlichsten Problemen zu kämpfen, auch technischer Art. Zum Beispiel gab es wiederholt Schwierigkeiten mit einem Kamerakran. Die komplette Aufzeichnung mit Publikum hat fast fünf Stunden gedauert. Hat euch das sehr irritiert oder wart ihr auf Pannen eingestellt?

Da hatten wir uns schon darauf eingestellt. Es waren alleine sieben Kameras am Start. Auch musste man damit rechnen, dass unsere Darbietung vielleicht mal nicht ganz hinhaut. Aber da wir bei Live-Konzerten ebenfalls immer ganz spontan sind, hatten wir keine Angst davor. Wir haben dann bei der Aufzeichnung solche Momente aufgefangen, indem wir nicht geplante, die Situation betreffende Lieder gesungen haben. Einmal ist zum Beispiel der Bass ausgefallen und dann kam unser Mischer und wollte den Bass mit dem Lötkolben reparieren. Daraufhin haben wir den Song "Lötkolben Harry" erfunden. Da ist das Publikum voll mitgegangen. Solche Sachen werden auf dem Bonus-Material der DVD zu sehen sein.

Du hast die Aufnahmepausen auch genutzt, um das Publikum mit improvisierten Zaubertricks bei Laune zu halten. War das die lang ersehnte Chance, sich mit sagenhaften Illusionskünstlern wie Hans Klok zu messen?

Ich sehe mich eher auf der Ebene mit Vincent Raven (lacht).

Oh, toll!

Wegen seiner Frisur, die ist das Beste an ihm. Auf jeden Fall kann ich aus einem Handtuch ein Paar Schuhe herzaubern. Und natürlich vieles mehr. Zum Beispiel den Schnurtrick. Aber das kann ich ja nicht alles jetzt offenbaren.

Jetzt zu einem ganz anderen Thema. Es gab einst Verstimmungen zwischen eurem Management Blickpunkt Pop und laut.de, weil unser Redakteur euer Album "You Have To Win Zweikampf" hart kritisiert hatte. Einige Zeit später habt ihr bzw. das Management einer möglichen Kollaboration eine Absage erteilt. Tut ihr euch schwer mit unliebsamer Kritik?

Ich habe jetzt nicht mehr so gut in Erinnerung, was da genau vorgefallen ist. Normalerweise sind wir nicht so schnell eingeschnappt. Gerade mit dem Fußball-Album haben wir generell einiges einstecken müssen. So lange die Kritik sich auf das Musikalische bezieht, ist das völlig in Ordnung. Aber manchmal wird es sehr persönlich und dann müssen wir uns auch irgendwie schützen. Es passiert beispielsweise immer mal wieder, dass uns Musikmagazine auf sehr unsachliche Art kritisieren und bloßstellen. Dass sie uns vorwerfen, wir würden nur auf Mainstream und Ausverkauf setzen. Im nächsten Moment wollen sie dann aber wieder mit einem zusammenarbeiten, weil sie sich durch einen Song auf einem Sampler oder dergleichen einen Profit erhoffen. Und das finden wir scheiße. Aber wir müssen den Vorfall von damals zwischen laut.de und uns jetzt auch nicht mehr breit treten. Ist ja schon länger her.

Ok. Wie sehen eure weiteren Pläne nach der Veröffentlichung der CD und DVD von "MTV Unplugged in New York" aus?

Wir werden eine musikalische Schaffenspause einlegen. Wir wollen unsere Gehirne auffrischen, Kreativität sammeln, neue Geschichten kennen lernen, um dann wieder Themen zu finden, über die man reden kann.

Habt ihr euch eine Grenze gesetzt, wie lange die Pause dauern soll?

So etwas wollen wir jetzt gar nicht mehr terminieren. Seit es uns gibt, sind wir immer wieder unter Termindruck geraten, egal ob es ein Album oder eine Tour betraf. Wir wollen erst wieder ins Studio gehen, wenn wir sagen, so, jetzt haben wir dreißig Lieder, die alle sehr gut sind. Wann das sein wird, kann man noch nicht sagen. Aber der Fan muss sich keine Gedanken machen. Wir kommen wieder.

"MTV Unplugged in New York" erscheint am 22. Mai.

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