8. Oktober 2002

"Was bringen dir Brit Awards?"

Interview geführt von

Interviews auf Festivals. Es könnte so einfach sein. Man kommt zu einer vereinbarten Location, trifft die Band, plaudert miteinander und verabschiedet sich. Saalburg, 9. August: Drei Zufahrtsstraßen für 15.000 Menschen. Stau. Großer Stau. Ankunft Gelände: Keine Durchfahrtsgenehmigung. Kein Handyempfang. Plus die alte Leier: Die Ordner am Pressebereich verlangen eine andere Bändchen-Farbe als die am eigenen Handgelenk. Dass sich Nick Hallam alias The Head - im Gegensatz zu Sänger Rob Birch - trotzdem noch Zeit für uns nahm, darf seinem gemütlichen Naturell und seiner plauderfreudigen Laune zugeschrieben werden.

Nick: Sorry, dass Rob nicht mehr warten konnte, aber eine Stunde vor dem Auftritt zieht er sich gerne ein wenig zurück, um zu relaxen.

Kein Problem, schön dass du noch Geduld aufbringst. Ihr spielt heute auf einem reinen Elektro-/Techno-Festival. Wart ihr euch dessen vor der Zusage bewusst?

Nick: Ja schon. Aber uns stören solche Klassifizierungen weniger. Ich meine, wir haben schon Anfang der 90er Jahre mit verschiedensten Acts zusammen gespielt, wie zum Beispiel mit Living Colour. Wenn der Vibe überspringt, ist das einfach ein tolles Gefühl. Es ist schön heute hier zu sein und zu sehen, ob wir das Publikum auf unsere Seite ziehen zu können.

Demnächst spielt ihr ja auch in Mazedonien. Weißt du über die dortige Musikszene Bescheid?

Nick: Nein, aber ich bin sehr gespannt. Es liegt uns viel daran, auch in solchen Ländern aufzutreten, für die solche Konzerte lange nicht zum Alltag gehörten. Vor wenigen Tagen waren wir in Ungarn auf dem Sziget Festival und im letzten Jahr haben wir in Kroatien und Bulgarien gespielt. Die Leute dort sind sehr enthusiastisch und lassen eine Menge Energie frei. Man hat auch das Gefühl, die Leute sind noch nicht so ... wie soll ich das ausdrücken ... verzogen. Die Leute gehen von der ersten Minute an mit. Es ist einfach ein völlig anderer Vibe.

Gerade habt ihr Terranovas neue Single "Running Away" geremixt. Dürfen wir uns auch wieder auf neues Stereo MC's-Material freuen?

Nick: Ja, definitiv. Wir arbeiten schon seit einer Weile an neuen Tracks. Momentan ist als Termin für ein neues Album April 2003 angedacht. Mal sehen, ob wir das einhalten können (lacht). Das Remixen ist aber nach wie vor eine Sache, die uns viel Spaß bereitet. Gerade für Freunde wie Terranova, bei denen unsere Sängerin Cath Coffey mittlerweile festes Bandmitglied ist.

Habt ihr seit dem Release von "Deep, Down & Dirty" einen neuen Kreativitätsschub erhalten?

Nick: Das kann ich nicht abstreiten. Weißt du, die Zeit nach "Connected" war einfach die Hölle. Wir waren über ein Jahr ununterbrochen auf Tour, haben Clubs und diese riesigen Festivals mit U2 gespielt und wussten am Ende nicht mehr, woran wir eigentlich waren. Wir vergaßen völlig, was uns eigentlich wichtig war, nämlich zusammen Musik zu machen, hinter der wir voll stehen können. Als wir damals zurück nach England kamen, mussten wir uns erstmal wieder um unser soziales Gefüge kümmern.

Dieser ganze Hype, der damals um uns herum entstand, war einfach verrückt. Ich meine, was bringen dir Brit Awards? Im Endeffekt verstellen sie dir den Blick aufs Wesentliche. Mit "Deep Down & Dirty" haben wir wieder in die Spur zurück gefunden und natürlich freuen wir uns, wenn das Album gut aufgenommen wird. Nur unsere Sichtweise auf Erfolg hat sich heute verändert.

Was bedeutet denn Erfolg?

Zunächst einmal, mit der eigenen Leistung zufrieden zu sein. Persönlicher Erfolg. Mitte der 90er haben wir ja auch nicht einfach eine Pause eingelegt und Urlaub gemacht. Es gab da schon einige Tracks, die wir im Studio zustande gebracht haben. Aber die waren einfach nicht gut genug. Nicht 100% Stereo MC's. Die Plattenfirma war damals natürlich sofort Feuer und Flamme: "Super, das sind ja tolle Songs. Lasst uns die rausbringen". Wir sagten aber: "Nein, das machen wir nicht. Denn das sind keine tollen Songs".

Das genügte als Einspruch?

Naja, es gab natürlich Diskussionen. Aber als Band darf man ja zum Glück noch selbst entscheiden, was veröffentlicht wird.

Na, da kann ich dir aber Gegenbeispiele nennen.

Willst du auf diese Boygroup-Schwemme hinaus? Okay, das ist aber sowieso eine traurige Geschichte. Diese Casting-Bands sind im Prinzip die logische Konsequenz der heutigen Machenschaften der ganzen Plattenindustrie. Entweder du willst schnelles Geld machen oder Künstler aufbauen. Beides zusammen geht nicht. Oder nur in den seltensten Fällen. Mit uns haben sie es wie gesagt auch versucht. Aber es bringt eben auch nichts, nach einem Riesenerfolg schlechte Musik rauszubringen. Wären die Sachen veröffentlicht worden, die wir damals nach "Connected" geschrieben haben, würde ich heute mit Sicherheit nicht glücklich vor dir sitzen.

Andere Hip Hop-Veteranen wie Public Enemy veröffentlichen auch wieder neues Material. Interessiert es dich mehr, was die Jugend treibt?

Nick: Das kann man so nicht sagen, ich verschlinge alles. Man sollte das nicht vom Alter abhängig machen. Was mich in der letzten Zeit richtig umgehauen hat, waren die Platten von The Streets und Roots Manuva. Sie haben einen völlig eigenen Stil kreiert, den sie auf unglaublich hohem Niveau ausarbeiten. Von den US-Sachen höre ich gerade viel Wu-Tang Clan. Diese Typen haben dem Hip Hop nochmal einen mächtigen Tritt nach vorne versetzt. Ich meine, hör dir allein mal den "Ghost Dog"-Soundtrack an, meiner Meinung nach einer der besten Soundtracks, die je veröffentlicht wurden. Dieser RZA hat den Dreh raus. Trotzdem gibt es genügend neue Acts, die die Sache spannend halten.

Nick, vielen Dank für das Gespräch.

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