laut.de-Biographie
The Adverts
Als eine der ersten Punkbands, die es in die UK-Charts schafft, haben The Adverts aus London die Hochphase des Genres entscheidend mitgestaltet. Ohne großen Vorlauf und anfangs ohne jedes musikalisch-handwerkliche Können, die erste Single "One Chord Wonders" ist wörtlich zu verstehen, erobern die Adverts die Top20. In der kurzen Zeit ihrer Existenz zwischen 1976 und 1979 veröffentlichen die Briten zwei Studioalben, die quasi zum Weltpunkerbe zählen.
Sänger und Gitarrist Tim "TV" Smith lernt seine Freundin und spätere Ehefrau, die Bassistin und Sängerin Gaye Advert (bürgerlich: Black), in der südenglischen Kunstschule kennen. Sofort teilen sie ihre Bewunderung für den Protopunk eines Iggy Pop, für The Velvet Underground, die New York Dolls und natürlich die Sex Pistols. Gemeinsam zieht das Paar nach London, schart die erweiterte Band mit Gitarrist Howard Pickup (bürgerlich: Boak) sowie Drummer Laurie Driver (bürgerlich: Muscat) um sich und schließt sich der prosperierenden Punkszene der Stadt an.
Der legendäre Punkschuppen The Roxy verhilft The Adverts zum Karrieresprung. Im Januar 1977 entdeckt dort The Damneds Brian James die Formation. Er stellt die Verbindung zum Plattenlabel Stiff Records her, wo im April besagtes "One Chord Wonders" erscheint. Das viel zitierte Musikmagazin Melody Maker erklärt die ostentativ hingerotzte Punkrock-Nummer zur Single der Woche. Schon kurz zuvor lädt Radiolegende John Peel The Adverts ins Studio ein.
Aus ihrem rohen Dilettantismus macht die Band eine Tugend. Auf Tour mit The Jam, The Damned und später auch Iggy Pop verkündet man das schon via Eventposter, unter anderem so: "The Adverts beherrschen einen Akkord, The Damned kennen drei. Sehen Sie alle vier in der Venue Ihres Vertrauens."
Größter Adverts-Hits ist im August 1977 die kontroverse Single "Gary Gilmore's Eyes" über den amerikanischen Mörder. Das Mojo-Magazin listet den Track später als einen der besten Punksongs aller Zeiten. Neben Auftritten bei "Top Of The Pops" entfacht vor allem Gaye Advert Medieninteresse. Ihr verwegener Look und pornografische Fotos aus der Zeit vor der Band machen sie bald zum ersten weiblichen Punkstar, zum "Punk Pin-up".
So sehr The Adverts mit dem folgenden Debütalbum "Crossing The Red Sea With The Adverts" Erfolg nach Erfolg einfahren, so mau fällt die Bilanz nach dem Wechsel zum größeren RCA-Label aus. Im Herbst 1979 erscheint dort das Zweitwerk "Cast Of Thousands". Wo zuvor Popjournalisten zu Superlativen wie "eines der großartigsten Alben nicht nur der Punkära, sondern der 70er insgesamt" griffen, bleiben die Charts trotz höherem musikalischem Niveau diesmal nur in Sichtweite.
Das Ende der Band läutet der Austausch von Drummer Latter und Gitarrist Pickup ein. Die Ex-Mitglieder drohen mit einem Gerichtsverfahren, sollten Smith und Advert weiterhin den Bandnamen benutzen. Unter Schock löst sich die Gruppe Ende Oktober 1979 auf, nachdem Manager Michael Dempsey bei einem Stromschlag umkommt.
Nach dem Ende der Adverts setzt TV Smith zunächst gemeinsam mit Kurzzeit-Adverts-Keyboarder Tim Cross als TV Smith's Explorers, dann als Cheap seine Karriere fort. Seit den 90ern ist TV Smith Solokünstler. Er lebt mit Gaye Black in London, wo sie sich sozial für ältere Menschen engagiert. 2012 beschäftigt sich die BBC-Dokumentation "We who wait: The Adverts & TV Smith" mit dem Erbe der englischen Punkpioniere.