15. Dezember 2009

"Wir fühlten uns ziemlich übertölpelt!"

Interview geführt von

Sie sind einer der Überraschungs-Acts von 2009. Praktisch aus dem Nichts feierten The Baseballs mit ihrem Rockabilly-Album große Charts-Erfolge.Es ist ein kurzfristig anberaumter und - wegen des später stattfindenden Konzerts - zeitlich überschaubar bemessener Treff mit The Baseballs. Bei meiner Ankunft in Hamburgs Großer Freiheit 36 steht die Band gerade für Video-Aufnahmen zur Verfügung, sie geben eine gut anzuhörende A-Capella-Einlage.

Danach macht mich die Betreuerin mit Sam, Digger und Basti bekannt. Von der Hektik drum herum lassen sich die Jungs aber nicht anstecken: gelöst, äußerst gut gestimmt und sehr herzlich begrüßt Digger mich mit "Ah, Herr laut.de! Herzlich willkommen!" - "Dann seid ihr auf uns anscheinend gut zu sprechen ..." - "Na, eure Plattenkritik zu uns war ja nun wirklich nett!" - Die drei lachen, und wir entscheiden uns für eine kleine, abseits und ruhig gelegene Ecke und starten unser Gespräch.

Ihr seid alle noch jung - wie kommt ihr auf so 'alte' Sounds?

Sam: Es war bei uns allen so, dass wir in sehr jungem Alter in Kontakt kamen mit dieser Musik, unsere ersten Tonträger waren tatsächlich alle von Elvis Presley und diesen Leuten, also, in meinem Fall war es eine Cassette. Uns hat uns auf verschiedensten Wegen die Liebe zum Rock'n'Roll ergriffen, eben nicht nur zum King, sondern generell zur Musik dieser Zeit.

Digger: Damals liefen auch immer diese alten Elvis-Filme im TV, Sonntagnachmittags, beim Kaffetrinken mit Mama und Papa. Die wurden geguckt, und mir gefiel das immer besser, mit jedem Streifen. Besonders natürlich die Musik dazu.

Wie alt wart ihr denn da?

Sam: Puuh ... ich war so sieben, acht Jahre. Mein Vater hat das damals noch auf Video aufgenommen, das lief dann immer wieder, und ich tanzte während der Songs dazu. Mein Vater besaß ebenfalls einen Camcorder, und der hat das dann auch noch aufgenommen! Mich muss die Musik schon sehr früh sehr gepackt haben, denn ich war schon damals nicht mehr zu bändigen, wenn ich das hörte.

Euer Album wurde praktisch null beworben, der Erfolg kam praktisch aus dem Nichts heraus. Wie habt ihr das empfunden?

Sam: Also, die CD ist seit rund einem halben Jahr draußen, und noch immer in den Charts! Wir sind riesig froh darüber, haben damit aber null gerechnet. Man bringt - als Newcomer - so was ja nicht raus und denkt: "So, jetzt geht das in die Top Ten", da ist ein Weg vorgezeichnet, so ist das ja nicht. Wir fühlten uns ziemlich übertölpelt. Und wir genießen das auch! Aber nicht so, dass wir uns darauf ausruhen, denn wir sehen das als Chance. Die Leute kennen uns nun ein bisschen, wissen, was wir machen, aber nun liegt es an uns, zu beweisen, dass wir kein One Hit Wonder sind und das Publikum auch weiter unterhalten können. Das alles ist in erster Linie Ansporn, und gerade deshalb kein Grund, sich zurückzulehnen.

Was ist das denn für ein Gefühl, in sehr jungen Jahren aus dem Nichts heraus auf einmal ein Star zu sein?

Digger: Ach, Star. Das ist doch nicht das Ding, und das sind wir auch nicht. Für uns ist das eine viel größere Ehre - ich meine es wirklich so -, dass es Menschen gibt, die unsere Leidenschaft teilen. Es ist ja nicht so, dass wir sagten: Wir machen jetzt Musik und überzeugen die Leute davon, sondern es war eher umgekehrt. Gerade Jüngere haben durch uns einen ersten Kontakt zum Rock'n'Roll bekommen, und das äußerst sich in vielen Sachen, nicht nur im Konzert-Feedback. Wir kriegen Mails, in denen wir nach Tipps zu Filmen aus dieser Zeit gefragt werden, oder wie man sich eine Tolle macht und diese Dinge, eben weil das für viele ganz junge Leute komplett neu ist und sie uns als kompetente Ansprechpartner verstehen.

Digger: Das ist eine besondere Sache, wenn wir erleben: Hey, ihr macht gute Musik, da ist so ein besonderes Feeling, das mit den fünfziger Jahren zusammenhängt, wie und durch was kann ich mich darüber informieren? Und das nicht nur vordergründig, was auch besonders wichtig für uns ist: denn es geht dabei um wirkliche, echte und richtige Leidenschaft.

"Wir sprechen mehrere Generationen an"

Habt ihr auch schon freshe Hip Hopper zum alten Rock'n'Roll bekehrt?

Basti: Halt, halt! Wir sehen uns nicht als Missionare! Aber im Laufe der Festivals, die wir im Sommer spielten, haben wir entdeckt, dass tatsächlich Leute mit Baggypants vor der Bühne stehen und dann - beim vierten oder fünften Song - anfangen, mitzufeiern. Hey, man ist als Mensch doch eh nicht nur festgelegt auf nur einen Bereich, und gerade beim Feiern kann man sich schon gut auf Rock'n'Roll einlassen, und das findet dann eben einfach statt.

Habt ihr, außer bei eurem jungen Publikum, auch bei den alten Rock'n'Roll-Fans, bei den Beinharten schon Credibility?

Sam: Gestern, in Berlin, war eine Frau da, die kam zu uns und erzählte, dass sie ein Original-Autogramm von Elvis hat. Selber geholt!

Hui, das hat was! Da kann man neidisch werden ...

Basti: Es ist irgendwie krass auf den Konzerten. Wir sprechen tatsächlich mehrere Generationen an. Man sieht das auch jeden Abend, wenn wir irgendwo auftreten: in den ersten Reihen stehen schon die jüngeren Leute, sogar Girls mit Petticoats, aber wenn man weiter nach hinten schaut, sieht man keine Grenze mehr, das geht von 13 oder 14 altersmäßig bis ganz nach oben.

Digger: Das war gerade gestern auch so, ich hab da drei Generationen zusammen gesehen: da war so eine 14-Jährige, die stand beisammen mit Mutter und Großmutter. Und die haben alle zusammen ihren Spaß gehabt!

Warum nennt ihr euch "The Baseballs" und nicht Dion & The Belmonts oder Joey Dee & The Starliters, wie es in den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern üblich war?

Sam: Genau, genau! Für uns war es wichtig, nicht nur so einen Frontmannnamen plus Band zu haben, sondern einen gemeinsamen Schwerpunkt setzen - wie etwa die Temptations, eben einen Bandnamen zu finden, der eben schlicht sagt: "Das ist eine Gruppe". Wir wollten aber auch nicht klingen wie so jede andere Neo-Rock'n'Roll-Band .. .

... etwa "The Shakers" ...

Sam: ... oder "The Hot Rods", all das wollten wir nicht drin haben. Wir wollten nicht, dass die Leute irgendwie voreingenommen sind. Was kann man also für einen Namen benutzen, der einen starken Bezug zu den fünfziger Jahren hat, aber trotzdem nicht automatisch an den Rock'n'Roll erinnert? Baseball war das Ding in den Staaten, die große Volkssportart in den Fünfzigern.

Digger: Das Gute für uns ist: Hier in Europa kennt den Begriff zwar jeder, aber keiner hat so richtig eine Ahnung, wie das funktioniert. Also, wir hegen die Hoffnung: Wenn im nächsten Jahr der Begriff "Baseballs" fällt, und die Leute denken an uns, und nicht an die Sportart, dann ... ja , dann haben wir's geschafft! (Gelächter)

"Das ist eine so süße Maus!"

Wird es auf der kommenden Platte auch erste echte, eigene Baseball-Songs geben? Es wäre vielleicht ein bissl sehr schlicht, das Erfolgsrezept des Debüts - aktuelle Songs in ein altes Gewand zu kleiden - einfach nur zu wiederholen ...

Digger: Bei der Entstehung des Debüts haben wir uns wegen der Song-Auswahl schon was gedacht! Wir wollten den Leuten den Rock'n'Roll näher bringen, also unserer Generation hauptsächlich, denn da ist er ja nicht mehr so präsent. Deswegen machten wir das mit Songs, die sie kennen. Aber das ist nur der erste Schritt. Wir sind jetzt dabei, eigene Titel zu machen, und haben drei davon auch bereits in unser Live-Programm eingebaut. Das Schöne dabei ist, dass wir merken, dass die auch tatsächlich anzukommen scheinen. Die Leute fangen schon beim zweiten Refrain an, mitzusingen, und das ist natürlich eine tolle Sache. Wir machen es so, dass wir die Titel eigentlich als Pop-Songs schreiben, und sie dann wieder in den Rock'n'Roll transferieren. Das ist der Kniff.

Basti: Es ist wunderschön, wenn man sieht, dass die Besucher bei den eigenen Songs mitsingen. Bei den Covers ist das ganz klar, die sind ja bereits bekannt, aber bei den neuen Sachen ... das ist was ganz Besonderes.

Von eurem Album gefällt mir ganz besonders "Don't Cha" mit dieser süßen weiblichen Stimme. Wer ist das eigentlich?

Digger: Das ist eine ehemalige Freundin von Basti!

Ehemalig?

Digger: Ehm, sie war ehemalige Leadsängerin in einer Gala-Band, die auch so Sechziger-, Siebziger-Mucke spielte. Wir kannten sie also, und Sam und ich haben letztendlich gedacht: "Das ist eine so süße Maus!", die holen wir für einen Song mal mit ins Boot! Sie hat auch irgendwie so eine tolle Fünfziger-Stimme, das passt atmosphärisch prima. Dann musste Basti sie kontaktieren, und sie war auch sofort von der Idee begeistert und hat gern mitgemacht.

Bei den Damen scheint ihr schon kräftig einen Schlag zu haben. Draußen vor der Freiheit stehen schon nicht wenige, rund drei Stunden vor dem Anpfiff!

Sam: Das sind unsere Beinharten - die reisen uns sogar nach! (schmunzelt)

Schnell fliegt die Zeit herum, und bevor die Jungs verschwinden müssen, frage ich sie nach ein paar schnell geschossenen Fotos. Die Atmosphäre ist unkompliziert, The Baseballs sind gut drauf. Sie drängen mich, doch unbedingt auch ein Bild mit mir dabei zu machen - die in der Redaktion so beliebten 'Fanboyfotos'. Beim Verlassen drängelt sich draußen inzwischen eine noch erheblich angewachsene Fan-Schar, nahezu ausnahmslos junge Damen. Es zieht eben noch immer, das Heart Of Rock'n'Roll. Egal, welche Jahreszahl dransteht.

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