27. Juli 2012

"Entweder 120 Prozent oder gar nicht."

Interview geführt von

Die Mannheimer kleiden sich eleganter als Omas Lieblingsenkel und rocken ihre feinen Hemden in wenigen Minuten schweißnass. Kein Wunder, bei Einflüssen wie Dredge und den Deftones. Dennoch kommt es ihnen gerade auf die Melodie in ihren Songs an, die sie gekonnt mit atemberaubenden Progressive-Elementen mischen.Ihr erstes Album veröffentlichen sie unter dem Namen The Hesslers, bevor sie sich in "The Intersphere" umbenennen und ihr Debüt unter neuem Banner nochmals unters Volk bringen. Das liegt sechs Jahre zurück. Eine lange Zeit, in der die Rock-Band auf Erinnerungen zurückblickt, von denen sie noch immer schwärmt.

Während ihrer "Hold On, Liberty!"-Tour nehmen sich Gitarrist Thomas Zipner und Bassist Sebastian Wagner Zeit und plaudern über die Geheimnisse ihres Busfahrers oder über ihre Konfrontation mit dem Equipment von Slayer und Lamb Of God.

Anfang des Monats musstet ihr vier Konzerte absagen. Hattet ihr in eurer Bandkarriere schon mit ähnlichen Problemen zu kämpfen?

Thomas: Ja. Aber nicht so lange. Wir hatten tatsächlich einmal eine Tour gespielt, die relativ lang war und wo wir wegen Krankheit absagen mussten. Aber das war nur ein Termin, glaube ich.

Sebastian: Nee, das waren auch mehrere Termine. Aber das war im Prinzip zweimal dasselbe: Wir waren nicht alle krank, sondern nur unser Sänger. Es ist ja so, dass man eine Tour nicht einfach absagt, weil jemand krank ist. Er war schon vorher ein bisschen angeschlagen. Ab dem Moment, wenn kein Ton mehr rauskommt, macht es keinen Sinn, weiterzutouren.

Thomas: Ja. Es besteht die Gefahr, dass es nicht besser wird. Irgendwann ist halt wirklich Ende. Dann sagst du alle Termine ab. Das wäre viel blöder gewesen.

Sebastian: Ja, genau. Aber jetzt sind wir ja zum Glück wieder unterwegs.

Wie fühlt ihr euch jetzt, wieder zurück auf der Bühne?

Sebastian: Gut. Zum Beispiel habe ich mich total komisch gefühlt, als wir die Tour abbrechen mussten. Man befindet sich im Tourmodus. Das ist ein bestimmter Tagesablauf, du kommt nach Hause und findest den Aus-Knopf erstmal nicht. Du brauchst einfach drei bis vier Tage, um runterzukommen. Vielleicht der eine oder andere auch weniger. Man ist mittendrin und weiß, man könnte eigentlich noch weitermachen. Du bist gesund und total aufgedreht. Dann ist das schon ärgerlich, nach Hause zu kommen. Da saßen wir alle auf heißen Kohlen und hofften, dass unser Sänger wieder gesund wird.

Thomas: Es ist vor allem echt so krass, wie du sagst. Der Tagesablauf ist so geregelt. Aufstehen, im Club frühstücken, ausladen und aufbauen und so.

Sebastian: Das sind aber andere Tageszeiten als im normalen Alltag.

Thomas: Genau. Und dann fällt das plötzlich weg. Diese Routine, die sich da so einspielt. Das ist irgendwie komisch. Vor allem sind das Tage, an denen niemand etwas geplant hat, weil: Wir wären ja eigentlich auf Tour gewesen.

Sebastian: Ja, dann ist halt nichts drumherum. Die Freundin ist weg und du kannst auch nichts arbeiten. Dann sagen alle: "a freu dich. Entspannen. Und du denkst: Würde ich gerne, kann ich aber nicht. Ich bin aufgedreht, noch total hibbelig und würde gerne jetzt spielen. Das Adrenalin steckt noch drin, das kann man nicht einfach so wegkicken.

Wo seid ihr in den paar Tagen gewesen, als euer Sänger krank war?

Sebastian: Wir haben in Mainz abgesagt. Der Nightliner, mit dem wir unterwegs sind, ist zusammen mit der Vorband Katorz zurückgefahren. Und dann sind eigentlich alle heimgefahren. Sobald Christoph wieder gesund war, haben wir uns wieder getroffen und weitergetourt. Das war dann am Dienstag in Stuttgart. Es war schon relativ umständlich, weil wir mit elf Leuten auf der Tour unterwegs sind.

"Ich denke mit Angst an das Leben nach der Tour"

Es gibt ja immer wieder einen Tag auf Tour, an dem ihr frei habt. Was macht ihr an solchen Tagen?

Sebastian: Woah. Da hatten wir einen schönen in München.

Thomas: Rumhängen. Ja. München war total gut, weil wir zentral wohnten. Direkt an der Isar. Der Club lag neben einem Biergarten. Da war sogar ein Schwimmbad in der Nähe. Du warst in der Sauna, ich war schwimmen. Ansonsten halt ein bisschen rumhängen.

Sebastian: Wozu man Bock hat. Du machst das, was du auch sonst im Alltag machst, wenn du frei hast und wozu du Bock hast. Du musst halt gucken, was in der Gegend ist. Aber in dem Fall war es auch so, dass wir ein bisschen gefeiert haben. Das gehört ja dann auch einmal dazu. Nur Christoph halt nicht, weil unser Sänger sich schonen musste. Wir haben noch gespielt, und nach dem Termin haben wir tatsächlich abgesagt, weil es da einfach echt nicht mehr ging. Insofern ist es auch eine Mischung aus "Hey jetzt gehen wir mit der Gruppe mal raus und haben ein bisschen Spaß", weil es ja sonst schon Arbeit ist, auf Tour zu sein, und Entspannung auf der anderen Seite.

Wie war euer bisheriger Eindruck von der Tour?

Thomas: Ja, super. Ich finds total cool. Die Leute, die kommen, sind voll dabei. Das find' ich so geil daran. Die kennen alle Sachen und singen alles mit. Das ist ziemlich cool. Außerdem ist immer super Stimmung. Die ersten beiden Termine waren nicht ganz so gut besucht, aber selbst da war es eigentlich trotzdem ein cooler Abend.

Sebastian: Und tatsächlich ist es immer besser geworden. Es war echt so witzig, dass gegen Mitte/Ende der Tour mehr Leute kamen. Als hätte es sich während der Tour nochmals herumgesprochen. Es gab einen richtigen Steigerungsbogen. Jetzt denke ich aber schon mit Angst daran, wie das Leben nach der Tour wird. (Lacht) Ne, wir sind noch grob bis Ende nächster Woche unterwegs. Kommende Woche geht es zur holländischen Grenze und nach Holland zu Club-Gigs und einem Festival. Dann haben wir die große Tour überstanden. Danach geht es aber direkt mit dem Festivalsommer weiter und da sind wir auch relativ viel unterwegs. Wir hoffen, dass das Wetter mitspielt.

Ihr habt schon bei Rock am Ring und Rock im Park gespielt. Was sind eure Erinnerungen an das Festival? Wie war das Publikum?

Thomas: Das Festival ist groß. (Lacht). Es sind eigentlich viele Erinnerungen. Rock am Ring war eigentlich gar nicht so cool, weil es in dem Jahr ultra geregnet hat.

Sebastian: Wir haben zweimal dort gespielt. Es war einmal extrem kalt und da haben wir auf der Bühne nur gebibbert. Wir waren so früh dran, dass auch nicht viele Leute kamen. Also wenn 2.000 Leute auf dem Platz stehen, auf der Alternastage, wo 60.000/70.000 hinpassen, dann sieht das nach wenig aus. Selbst wenn es 2.000 sind. Rock im Park war aber supergeil. Man lernt super viel dazu und du sieht von hinten, wie andere Bands arbeiten. Da versuchst du natürlich, etwas mitzunehmen, für das, das du machst. Man kuckt sich ein bisschen was ab. Ich denke, dass das viel zu einer professionellen Einstellung beiträgt. Das ist auf jeden Fall interessant. Außerdem ist es auch schön, sagen zu können, man war mal da. Doch jetzt stehen andere Wünsche auf dem Plan.

Thomas: Beim ersten Mal, als wir da waren, fand ich es total geil. Da standen hinten 40-Tonner von Slayer und Lamb Of God und wir fahren mit unserem Sprinter dazwischen. (Lacht)

Sebastian: Die Ladefläche war viel zu hoch ...

Thomas: ... weil die für LKWs ausgelegt war.

Sebastian: Wir mussten alles nach oben lupfen.

Thomas: Eigentlich sind wir eine Band, die relativ viel Zeug dabei hat. Und dann sieht man andere Bands. Das war an so einem Metal-Tag, wo plötzlich riesige Marshall-Wände dastanden. Da sah unser Equipment echt verschwindend klein dagegen aus. Das fand ich ziemlich geil.

Was macht ihr vor und nach den Konzerten? Gibt es wilde Partys?

Sebastian: Wilde Abbau-Partys. (Lacht)

Thomas: Irgendwann kommen die Techniker, und dann bauen alle ihr Zeug ab. Dann duschen. Wenn noch Zeit ist, trinken wir vielleicht noch ein Absackerbier.

Sebastian: Tatsächlich ist der Tagesablauf so gestrickt, dass der Busfahrer nach dem Abendessen pennt und wieder losfährt, sobald wir fertig gepackt haben. Wir labern mit den Leuten, die noch da sind, laden und fahren dann schnell wieder weiter. Oft sitzen wir noch ein zwei Stunden im Nightliner zusammen, labern und erzählen uns dreckige Witze. Reden davon, wie sehr wir Frauen auf der Tour vermissen. Was das angeht, ist das Tourleben extrem karg.

Ihr könnt theoretisch welche mitnehmen

Sebastian: Nee. Wir haben nämlich mit unserem Busfahrer über das Sexleben auf Tour gesprochen und er sagte aus zwanzigjähriger Tourerfahrung als Nightliner-Fahrer, dass es extrem karg ist, weil im Nightliner sowieso nichts geht.

"Wenn ich Geld hätte, würde ich einen Anzug wie Delay anziehen."

"Hold On, Liberty!" ist bereits euer drittes Album. Welche Unterschiede gibt es eurer Meinung nach zu eurem ersten und zweiten Album?

Thomas: Es ist einfach noch viel geiler. (Lacht)

Sebastian: Bei "Hold On, Liberty!" versuchten wir, was uns bei den beiden Vorgängeralben gekickt hat, zusammenzubringen. Das war in dem Fall beim ersten Album dieses Raue und Aggressive und beim zweiten Album "Interspheres>
Thomas: Es ist einfach mehr diese Live-Energie, anstelle dass das jetzt super poliert ist.

Habt ihr euch deshalb entschlossen, Live-Videos aus dem Studio zu veröffentlichen?

Sebastian: Ja, das haben wir später gemacht. Die wollten wir eigentlich machen, weil wir gesagt haben: Das kann nicht sein, dass Intersphere als Band für Live-Qualität steht. Jedenfalls ist es das was die Leute erwarten wenn sie zu uns kommen und wir ihnen bieten. Und dass dann auf der anderen Seite immer nur Handyvideos bei YouTube mit irgendeiner scheiß Soundqualität zu finden sind. Wir wollten sinnvolle coole Videos. Wir haben uns in ein Studio eingemietet und das einfach mal live eingespielt.

Ihr kommt von der Popakademie in Mannheim. Greift die Akademie euch unter die Arme?

Thomas: Mittlerweile ist der Bezug eigentlich weg.

Sebastian: Ja, wir sind schon lange raus.

Thomas: Ja. Es hat jetzt mit der Band nicht mehr viel zu tun.

Sebastian: Das war die Plattform, wo wir vier uns kennengelernt haben. Tatsächlich sind wir aber schon sechs Jahre da raus. Wir haben davor schon autark gearbeitet und sind davon nicht abhängig. Wir haben immer noch mit Leuten zu tun, die dort waren oder vielleicht noch dort sind. Der Moritz und ich sind dort auch als Dozenten tätig, aber ansonsten gibt es nicht mehr viel Kontakt.

Welche Erfahrungen habt ihr mitgenommen?

Sebastian: Das Netzwerk ist auf jeden Fall gut. Man trifft überall in Deutschland wieder Leute, die auch dort waren, und kennt natürlich Leute, Nummern und Kontakte, die einem helfen können, aber nicht müssen. Das ist schon ganz cool.

Welche Wünsche habt ihr und welche Ziele verfolgt ihr jetzt?

Sebastian: Wir arbeiten im Moment zum Beispiel daran, dass uns die Leute im Ausland ein bisschen kennenlernen. Wir planen jetzt für Ende des Jahres eine Tour ins europäische Ausland. Vereinzelt spielten wir schon in Kroatien, in der Türkei und in Holland. Mit "Hold On, Liberty!" haben wir bereits ein bisschen Aufmerksamkeit im benachbarten Ausland bekommen; durch Rezensionen, durch CD-Verkäufe. Jetzt wollen wir verstärkt danach schauen, dass wir live ein bisschen rauskommen. Aber nicht so viel, dass wir hier keine Zeit haben mehr haben, zu spielen.

Ihr kleidet euch relativ elegant und macht zunächst einen braven Eindruck, lasst es auf der Bühne aber richtig krachen. Wie kommt es zu diesem Kontrast?

Sebastian: Wir gehen auf der Bühne so ab, weil wir immer versuchen, in die Musik reinzufühlen. Entweder 120 Prozent oder gar nicht. Du legst so ein bisschen das Denken ab und versucht, mehr zu fühlen, wenn du Musik machst. Du bist in ein bisschen in einer anderen Welt. Da bist du weg und sagst nicht: Ich bin jetzt Entertainer. Sondern: Ich erlebe meine Musik selber. Wir sind keine Entertainer-Band. Also keine Band, die über Ansagen oder sonst was dem Publikum gefallen muss, sondern wir versuchen immer, selber in die Musik zu kommen. So, dass wir richtig in dieser Welt drin sind, wo wir musikalisch reinfallen können und versuchen, das Publikum hineinzuziehen.

Thomas: Ich glaube, was Klamotten angeht: Es ist so eine Kombination wie in unserer Musik. Ein bisschen was Feines, vielleicht eine komische Weste, etwas Künstlerisches, aber auch gleichzeitig eine wahnsinnige Energie. Ich meine, man sieht das ja, spätestens nach drei Songs, wenn alles nur noch schweißnass ist.

Sebastian: Ey! Wenn ich Geld hätte, würde ich mir so einen Anzug wie Jan Delay anziehen. Die sind aber einfach nur zu teuer für uns. Der kleidet sich auch elegant, aber cool.

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