Various Artists - " Stéphane Sednaoui - The Work Of Director"

Die mittlerweile sieben DVDs der zeitlosen "The Work Of Director"-Serie würdigen, wie der Titel schon sagt, die Arbeit von einflussreichen Musikclip-Regisseuren. Sicher, den Kaufanreiz bilden die Namen der Bands. Im Falle des Franzosen Stéphane Sednaoui heißen diese Red Hot Chili Peppers, R.E.M., U2, Björk oder Massive Attack.

Doch die Serie stellt den Clip-Regisseur als Künstler in den Mittelpunkt und so vervollständigen die Playlist ausführliche Kommentare Sednaouis und diverser Musiker sowie Auszüge aus dem Restwerk des Regisseurs, zu dem drei Kurzfilme, eine Animation und ein Auftritt an der New York University Film School gehören. Dazu gewährt ein hochwertiges Booklet - das getrost als eigenständiger Kunstartikel durchgeht - Einblicke in seine Arbeitsweise mittels Auszügen aus Storyboards und porträtiert, was hinter den Set-Kulissen geschieht.

Stéphane Sednaoui steht durchaus für die kulturelle Anziehungskraft, die die Grande Nation ausübt. Er hat ein Auge für Stil, Sinn für Mode und einen Hang zur Exzentrik (beim ersten Treffen mit den Peppers marschiert der Jean-Paul Gaultier-Intimus in einer Art Kleid ein). Ein Hauptmerkmal seines Wesens bringt RHCP-Bassist Flea, der einen der lustigsten Kommentare zur DVD beiträgt, auf den Punkt: "Stephane geht ungeheuer emotional an die Arbeit heran, das mag ich."

Man kann es aber auch mit den Worten Bonos beschreiben: "Stéphane ist cooler als die Leute in seinen Videos. Er sieht besser aus, die Frauen mögen ihn lieber und er hat einen französischen Akzent. Eine tödliche Mischung." Auch bei Garbage-Sängerin Shirley Manson wirkte der Mix. Die Schottin lobt Sednaouis Sexappeal und seinen Sinn für stilvolle Bilder. Dennoch benennt sie analytisch klar das entscheidende Talent des Franzosen: "Er besitzt die Schärfe, die Musiker wollen, wenn sie sich ihre Musik visuell vorstellen." Jene Fähigkeit lässt selbst einen Tricky schwärmen: "Wir haben denselben Geschmack. An ihm haftet kein Hauch der Industrie. Er ist einer von uns."

Dabei tritt der Pariser, bei dem es wie bei seinem Kollegen Anton Corbijn einen starken Bezug zwischen Fotografie und Musikvideo gibt, zwar selbstbewusst auf, wirkt aber selten abgehoben, sondern vielmehr bodenständig. Als er beispielsweise die Peppers für "Give It Away" abfilmt, möchte er am liebsten selbst vor der Kamera herum toben. Stéphane löst das Problem durch die Zoom-Funktion der Kamera. Er holt die Musiker ganz nah zu sich heran und kann so an ihrer physischen Präsenz teilhaben.

"Give It Away" (1991) stellt ohnehin den Fixpunkt in Sednaouis Schaffen dar. Mit dem Award gekrönten Clip gingen sowohl die Red Hot Chili Peppers als auch der Regisseur durch die Decke. Danach wollten U2 oder Björk Stéphane als Regisseur verpflichten. Bierernst gibt sich hier Michael Stipe, der die Arbeit Sednaouis offensichtlich mehr schätzt als die Musik der Chili Peppers. Dennoch spricht er die Wahrheit: Der Franzose schaffe es, mit seiner Bildsprache den Sound auf ein neues Level zu heben. Die Darstellung des Körpers und das Spiel mit ihm nimmt ebenfalls eine wichtige Rolle in seinen Videos ein, wie es in R.E.M.s "Lotus" oder eben in "Give It Away" ersichtlich ist.

Sednaouis künstlerische Fähigkeiten verdeutlichen auch die futuristischen Clips für seinen Landsmann Mirwais. Mit Licht, Farben, Filtern und teils abstrakten Dispositionen schafft er es, die Macht der Musik zu potenzieren. In "I Can't Wait" wird Mirwais im Hi-Tech-Licht fast zu einem höheren Wesen, in den Traumsequenzen von "Disco Science" feuern Frauen aus ihren Brüsten Lichtblitze ab - Sednaoui verändert Sehgewohnheiten.

Mit einer Idee (beispielsweise U2 als Village People verkleidet), Disko-Utensilien und Metallfolie kreiert er auf engstem Raum eine eigenständige Welt. Für Alanis Morissette schafft er so selbstverständlich eine fröhliche, lebenslustige Atmosphäre ("Ironic"), wie er für Massive Attack oder Tricky düsterere Szenarien entwirft. Und der französischen Hip Hop-Crew NTM entwirft er ein künstlerisch ambitioniertes Video, ohne dass deren Street Credibility verloren geht.

Wer sich dafür interessiert, wie man für Musik bzw. deren Protagonisten den passenden visuellen Code entwirft, einen breiter angelegten Musikgeschmack besitzt und von seinem Umtauschrecht für Weihnachtsgeschenke noch nicht Gebrauch gemacht hat, sollte nun wissen, was in seinem DVD-Regal fehlt.