21. Januar 2020

"Niemand hat geweint"

Interview geführt von

Im Telefon-Interview quatscht Bassist Ed Nash über Trennungsgründe, wieso die wenigsten mit einer Band-Reunion rechneten und wie sich der Prozess des Songwritings bei Bombay Bicycle Club verändert hat.

Sie waren eine der erfolgreichsten britischen Indie-Bands des 21. Jahrhunderts - und machten 2015 einfach Schluss: Bombay Bicycle Club. Seit letztem Sommer lagen Gerüchte über eine Rückkehr in der Luft. 2020 kommen sie zurück. Der Jubiläums-Tour zum Debüt "I Had The Blues But I Shook Them Loose" folgte das fünfte Album "Everything Else Has Gone Wrong", kurz: eine nicht für möglich gehaltene Band-Reunion. Um die unmenschlichen Weiten von der Weltmetropole Jena hin zur Kleinstadt London zu umgehen, quatschten wir mit Bassist Ed, Bruder von Kate Nash, am Telefon über persönliche Erfahrungen sowohl in- als auch außerhalb der Band.

Hi Ed, letzte Woche habt ihr nach fünf Jahren Pause euer fünftes Album veröffentlicht. Mal ehrlich, welcher Release war der aufregendste?

Ich sollte natürlich sagen, dass es die neue Platte ist, aber um ehrlich zu sein war es unser Debüt. Das erste Mal ist immer besonders. Heute kennen wir die Presse und wissen, wie es läuft. Es gibt gute und schlechte Kritiken und damit musst du eben umgehen. Beim ersten Album waren wir einfach grundsätzlich aufgeregter.

Konntet ihr euch sofort auf eine musikalische Richtung einigen? Ihr habt immerhin länger nicht zusammen musiziert.

Wir haben nie wirklich darüber gesprochen. Unser Sänger Jack schreibt die Songs, abhängig davon was ihn inspiriert, was er für Musik hört und was in seinem Leben passiert. Es ist die Musik, auf die er Lust hat. Der Rest der Band fügt sich dann ein. Wir machen einfach, was sich natürlich anfühlt und versuchen nichts zu überdenken.

Kannst du dich an den ersten Song erinnern, den ihr nach der Pause zusammen gespielt habt?

Ich glaube, es war "Lights Out, Words Gone" von unserer dritten Platte. Es war total komisch, weil wir fünf Jahre nicht gespielt hatten, aber du fängst an und plötzlich kommt alles zurück. Es war, als hätte sich nichts verändert – total verrückt.

War es emotional?

Ja, total. In einer glücklichen Art. Niemand hat geweint oder so, aber es war überwältigend. Als würdest du einen alten Freund nach langer Zeit wiedersehen oder einen Song, den du seit deiner Kindheit nicht mehr gehört hast, spielen - nostalgisch eben.

Nachdem ich das neue Album zum ersten Mal gehört habe, war der rohe und teilweise schwere Bass-Sound das Erste, was mir aufgefallen ist. Wie würdest du die Platte im Vergleich zu euren anderen einordnen?

Ich würde schon sagen, dass der Bass auf diesem Album roher klingt. Wir haben ihn viel häufiger gedoppelt und ihm mehr Raum gegeben. Viel mehr als auf den anderen Platten. Also ja, da stimme ich dir zu. Grundsätzlich würde ich sagen, dass sich unsere Alben extrem voneinander unterscheiden. Wir waren jung, haben viel experimentiert und ausprobiert. Wir haben ein Indie-Album gemacht, dann eine akustische, daraufhin eine elektronische Gitarren-Platte und schließlich ein Elektro-Pop-Album mit weniger Gitarren, aber elektronischen Drums und Synthies. "Everything Else Has Gone Wrong" ist irgendwo dazwischen, weder das Eine noch das Andere. Ich glaube, wir sind reifer geworden, haben uns viele Gedanken gemacht, basteln an Dingen, die wir mögen und fügen sie zusammen. Alles ohne eine richtige Zielsetzung.

Gibt es für dich persönlich einen Song auf der neuen Platte, den du kaum warten kannst live zu performen?

"I Worry Bout You" würde ich sagen. Der hat elektronische Elemente, eine Art UK-Garage-Beat und vollen Gitarrensound. Das finde ich gut. Live spiele ich nur Shaker und singe. Es ist cool mal für einen ganzen Song eine Pause vom Bass zu haben.

"Die größte Herausforderung ist das Umgehen mit Ängsten"

Ihr habt erzählt, dass ihr wahnsinnig viel Spaß bei den Aufnahmen zu diesem Album hattet. Was war denn die größte Herausforderung?

Ich glaube die größte Herausforderung ist allgemein das kreative Umgehen mit Sorgen und Ängsten. An manchen Tagen fragst du dich: "Was mache ich hier eigentlich?" und an anderen Tagen denkst du, du bist ein Genie. Die meiste Zeit pendelst du zwischen diesen komplett unterschiedlichen Gefühlszuständen hin und her. Eigentlich total verrückt. Das Schwierigste ist, zuversichtlich zu bleiben.

Welche Musik hat euch bei dieser Platte inspiriert?

Ich habe viel Smog und Bill Callahan gehört, aber auch so was wie Sun Kil Moon. Bands und Künstler*innen, die mich lyrisch beeindrucken. Vor allen Dingen bei den Songs, die ich geschrieben habe ("People People", "Good Day").

Wie kann man sich euren Songwriting-Prozess heutzutage im Vergleich zu euren ersten Werken vorstellen?

Das hat sich auch über die Jahre sehr verändert. Das letzte Album "So Long, See You Tomorrow" haben wir ausschließlich am Laptop und im Studio geschrieben und, weil wir es selbst produziert haben, auch über eine lange Zeit immer wieder bearbeitet. Dieses Mal sind wir wieder zurück zu einer alten Art des Schreibens gegangen: Jack hat uns Songs oder Riffs geschickt, wir haben sie uns angehört und dazu gespielt. Daraufhin sind wir dann ins Studio, wo unser Produzent John Congleton nochmal an Song-Arrangements und Sounds geschraubt hat. Es war ein Vorgang in drei Schritten.

"Die Wahrscheinlichkeit war hoch, nie wieder zusammen zu kommen"

Blicken wir nochmal fünf Jahre zurück, auf den Tag, an dem ihr euch entschieden habt eine Pause einzulegen. Was hast du dir von der Pause erhofft und ist es wahr geworden?

Wir waren alle einfach nur müde von der Band, weißt du? Bombay Bicycle Club gibt es seit wir 15 sind. In dieser Zeit gab es viele Dinge, die wir machen wollten, aber nicht konnten: Sowas wie zur Uni gehen, Musik außerhalb der Band machen, reisen oder normale Beziehungen zu Hause pflegen. Als wir beschlossen, die Band aufzulösen, ging es viel mehr darum, diese Dinge jetzt endlich tun zu können, als darum, Bombay Bicycle Club zu beenden. Ich habe dann ein Album unter dem Namen Toothless veröffentlicht und Jack eins unter dem Namen Mr. Jukes. Das waren Projekte, die wir unbedingt machen wollten, für die wir aber nie die nötige Zeit hatten. Jamie ist zurück an die Uni gegangen und hat seinen Master gemacht. Wir haben alle unterschiedliche Dinge erlebt und uns weiterentwickelt. Als wir dann wieder zusammengekommen sind, hatten wir alle diese unterschiedlichen Sachen in unserem Leben – nicht mehr nur Bombay Bicycle Club. Wir sind alle reifer geworden. Also ja, die Pause war sehr erfolgreich.

Gab es einen Punkt, an dem du dir nicht sicher warst, ob es Bombay Bicycle Club jemals wieder geben wird?

Ja, ich denke für uns alle war die Wahrscheinlichkeit hoch, nie wieder zusammen zu kommen. Es gab keine Zukunftspläne. Wir wussten nur, dass wir nicht mehr bei Bombay Bicycle Club spielen und haben sogar einen Großteil unseres Equipments verkauft, weil wir nicht mehr damit gerechnet hatten, es je wieder zu brauchen. Aber so ist es eben manchmal. Wir haben es einfach vermisst und erkannt, dass wir da etwas Gutes hatten und wieder Lust bekommen.

Und jetzt geht ihr tatsächlich wieder auf Tour. Welchen Song hast du über die letzten Jahre am meisten vermisst live zu spielen?

Ich mag "Lights Out, Words Gone", den ersten Song, den wir nach der Pause wieder gespielt haben. Er hat eine coole Bass-Line und ich mag, wie das Publikum sofort anfängt zu tanzen.

Was sind deine Wünsche für dieses Jahr mit der Band?

Das klingt vielleicht ein bisschen kitschig, aber ich will nur eine gute Zeit mit meinen Freunden haben. Es ist schön, zurück zu sein und Musik zu machen. Mir ist bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist. Jetzt weiß ich, dass man es auch verlieren kann und was es mir bedeutet. Es ist das, was ich machen will: bei meinen Freunden sein, Shows spielen, Menschen kennenlernen und einfach das Beste daraus machen.

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