laut.de-Biographie
Bruce Dickinson
Paul Dickinson erblickt am 7. August 1958 in Worksop, Nottinghamshire das Licht der Welt und legt sich schon früh den Namen Bruce zu. In der Schule hat er notorisch Ärger und fliegt schließlich auch raus, da er dem Schuldirektor ins Essen geschifft haben soll. Somit ist er schon beinahe gezwungen, eine Karriere als Musiker zu starten.
Als er merkt, dass er als Drummer nicht viel taugt, entscheidet er sich für den Gesang und macht da auch eine passable Figur. Seine ersten Bands sind mehr oder minder nicht erwähnenswert, doch als er bei Samson einsteigt, hier unter dem Namen Bruce Bruce, nimmt das Ganze Formen an. Mit Samson bringt er 1980 "Head On" und 1981 "Shock Tactics" raus, bevor er ihnen den Rücken zuwendet, um den wichtigsten Schritt seiner Karriere zu machen. Bruce steigt bei Iron Maiden ein.
Auf die unsterblichen Klassiker, die er mit der Band eingespielt hat, wird an anderer Stelle eingegangen. 1990 kommt seine erste Solo-Scheibe "Tattooed Millionaire" raus, die härtetechnisch nicht ganz mit Maiden konkurrieren kann, aber durch Bruce' Stimme überzeugt und zeigt, dass der Mann wunderschöne Balladen singt. Da zur selben Zeit Adrian Smith bei Maiden aussteigt, holt Bruce kurzerhand Jannick Gers zu Maiden, der ihm schon bei "Tattooed Millionaire" zur Hand geht. Mit Maiden folgen noch zwei Alben, bevor sich Bruce '93 entschließt, die Band zu verlassen, da die Konflikte mit Basser Steve Harris überhand nehmen.
Die Arbeiten für sein Zweitwerk "Balls To Picasso" (1994) erweisen sich als ungewöhnlich kompliziert und umständlich. Die Aufnahmen werden zweimal abgebrochen, da Bruce nicht wirklich vom Resultat überzeugt ist und einzelne Songs auch nur als B-Seiten zum letztendlichen "Balls To Picasso"-Werk verwendet. Während des zweiten Versuchs mit Keith Olsen kommt Bruce in Kontakt mit Roy Z und dessen Band Tribe Of Gypsies. Mit diesen Leuten nimmt er das Album erneut in Angriff und endlich ist er mit dem Ergebnis zufrieden. Die Scheibe wird sogar bei den American Music Awards in der Kategorie "Best New Band" nominiert - geht aber leer aus.
Nach den Aufnahmen konzentrieren sich TOG erst mal wieder auf ihre eigenen Sachen und Bruce sucht sich in Europa eine Truppe zusammen, mit der er auf Tour geht. Anschließend bringt er die Doppel CD "Alive At The Marquee/Alive in Studio A" (1995) raus. Mit dem gleichen Line Up - Alex Dixon (Gitarre), Chris Dale (Bass) und "nem italienischen Drummer" - erscheint 1996 "Skunkworks", was nicht nur der Titel der Platte ist, sondern auch Name der Band sein soll, in der Bruce nicht mehr und nicht weniger als alle anderen zählt. Doch das Album floppt und das Bandgefüge hält nicht lange.
Glücklicherweise trifft der ehemalige Maiden-Fronter wieder auf Roy Z, der ihm vorschlägt, endlich wieder das zu machen, was er wirklich kann, und zwar Metal, der in den Arsch tritt. Gesagt getan, aber damit nicht genug, holt sich Bruce auch seinen alten Kumpel Adrian Smith in die Band, der mit seinem ASAP auch nicht so richtig in die Gänge kommt. "Accident Of Birth" (1997) ist schließlich ein absolutes Hammeralbum und verhilft Bruce und Adrian nicht nur dazu, ihren angeknacksten Ruf wieder herzustellen, sondern bringt Roy Z auch den Ruf eines hervorragenden Produzenten ein. Auch Rob Halford soll bald seine Hilfe in Anspruch nehmen.
Der Zuspruch macht klar, dass diese Besetzung Zukunft hat. Das nächste Album "Chemical Wedding" (1998) knüpft an diese Glanztat an. Textlich vom britischen Romantiker William Blake beeinflusst, spannt das Gitarrenduo Z/Smith schon mal Bass-Saiten auf die Klampfen, um den Sound noch fetter zu machen. Was dann folgt, kursiert schon länger in der Öffentlichkeit und wird von unzähligen Fans erhofft: Bruce und Adrian kehren zu Maiden zurück und bringen endlich wieder Leben in die Bude. Zwar ist der Firlefanz mit drei Gitarristen (Geres/Smith/Murray) nicht wirklich nötig, schließlich haben Maiden Interimssänger Blaze Bayley gefeuert, aber letztendlich kann das egal sein.
Trotz seines Wiedereinstieges bei Maiden will Bruce die Solo-Karriere aber nicht ganz aufgeben. Dass sich beide Projekte verbinden lassen, sieht zunächst nicht so aus. Denn 2001 erscheint nicht nur "The Best Of Bruce Dickinson", sondern der Kerl gibt auch als Fechter noch ne klasse Figur ab und macht neben seinem Flugschein für kleinere Sportmaschinen auch noch einen für richtig große Flieger. Den recht guten Job als Autor wollen wir dabei mal ganz außen vor lassen. Als ob es damit nicht genug wäre, plant er mit Rob Halford und Geoff Tate (Queensryche) ein Projekt namens The Three Tremors, das leider nie über die Planungsphase hinaus geht, und moderiert eine Fernsehshow auf BBC.
Sieben Jahre nach "Chemical Wedding" finden Bruce und Roy Z die Zeit, sich an ein neues Album heranzuwagen. Da Bruce während eines Konzerts mit Maiden von der Bühne gefallen ist und sich ein paar Rippen angeknackst hat, muss er die Songs im Liegen einsingen, da Roy nur zwischen den Aufnahmen mit Judas Priest Zeit hat. Irgendwie scheint man das "Tyranny Of Souls" anzuhören, denn die Scheibe kann mit den beiden Vorgängern nicht mithalten und klingt immer wieder zu unausgegoren. Allein Bruce' Stimme und das ein oder andere gute Solo retten manche Songs vor der Belanglosigkeit.
Fast wie ein Abschied mutet 2006 das Köfferchen "Anthology" an: Auf drei DVDs und rekordverdächtige 430 Minuten packt Dickinson so ziemlich alles drauf, was sich in den Archiven finden lässt: Drei Auftritte (Los Angeles 1990, Spanien 1996 und Sao Paolo 1999), alle Videos (immerhin vierzehn) und einen 15-minütigen Kurzfilm, der ihn 1980 bei seinem Debüt mit Samson zeigt.
Tatsächlich nehmen in den folgenden Jahren die Aktivitäten mit Iron Maiden den Sänger voll in Beschlag. An Soloausflüge ist kaum zu denken. Dickinson fliegt die Band teilweise persönlich um den Erdball ("Flight 666").
Im Dezember 2014 diagnostizieren Ärzte bei ihm Zungenkrebs. Die sich anschließende Chemotherapie sowie die ungewissen Aussichten veranlassen Dickinson dazu, über sein Leben nachzudenken. Mit Stift, Papier und ein paar Pints an der Seite schreibt er in diversen englischen Pubs seine Memoiren. Diese erscheinen Anfang 2018 unter dem Titel "Bruce Dickinson - Die Autobiografie" auf deutsch und bieten einen geerdeten Blick auf das öffentliche Leben des Tausendsassas unter Aussparung des Privaten. Wer als Fechter, Autor, Pilot, Bierbrauer und Rockmusiker in Erscheinung tritt, hat wohl auch kein Privatleben.
Ein eigenes Kapitel nimmt der Auftritt im von Serben belagerten Sarajevo im Winter 1994 ein. Ein Zeugnis von diesem Event erscheint im Juni 2018. Die Dokumentation "Scream For Me Sarajevo" zeigt anschaulich, wie die kriegsgeplagten bosnischen Teenies Kraft aus der Musik des damals Ex-Maiden-Fronters ziehen. Im Umkehrschluss zerplatzt für Dickinson und seine Skunkworks-Truppe angesichts des Ausmaßes an Zerstörung und des allgegenwärtigen menschlichen Leids die heile Rock'n'Roll-Blase.
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