7. Juli 2009
Kein Bock mehr auf 'Liebeslied'
Interview geführt von Dani FrommKein Schwein kennt Dennis Lisk. Alle kennen Denyo. Noch.Unter seinem richtigen Namen bringt der Mann, der in den Reihen der Absoluten Beginner deutsche Rap-Geschichte schrieb, ein Album heraus, das er als sein Debüt bezeichnet. Es geht um "Suchen Und Finden", um Aufbruch, ums Loslassen - und gar nicht mehr um Rap. Rap war gestern. Denyo war gestern. Heute nennt sich Dennis Lisk, wie es in seinem Pass steht, tauscht die Beats gegen eine Gitarre und die Reime gegen Gesang. Warum eigentlich? Ein Anruf schafft Klarheit.
Gehts Dir gut?
Mir gehts sehr gut, prächtig.
Die Interviews hängen Dir noch nicht zum Hals raus?
Nee, nee. Ich hab' ja erst um halb elf angefangen, und noch ist alles entspannt.
Dann los. Am Thema Namenswechsel werden wir kaum vorbei kommen. Ich sag' hier: "Ich mach' ein Interview mit Dennis Lisk. " Alle: "Mit wem? " Ich: "Denyo. " Alle: "Aaaah, klar. " Glaubst Du nicht, dass Du Dir auf diese Weise 'ne Menge Aufmerksamkeit verschenkst, die Du Dir eigentlich über die Jahre erarbeitet und verdient hättest?
Das ist 'ne ganz schwierige Frage. Ich glaub', ich werd' sie nie wirklich beantworten können. Ich fühl' mich aber einfach viel besser damit, mich Dennis Lisk zu nennen, weil das, das ich jetzt mache, einfach was komplett anderes ist als das, das ich als Denyo gemacht habe. Ich hab' wirklich keine Lust drauf, dass ich 'ne Show spiele und dann stehen da Leute und rufen: "Spiel' doch mal 'Liebeslied'!" Das ist jetzt ein ganz anderes Genre, viel näher an mir dran, textlich und inhaltlich. Es ist sehr persönlich, irgendwie hat es für mich da einfach gepasst, dass ich mich so nenne, wie ich auch wirklich heiße.
Aber das ist schon ein bewusster Verzicht auf Erfolg, den man bereits erreicht hat.
Ja, bis zu einem gewissen Punkt schon. Aber auf der anderen Seite muss man sehen, dass ich ein komplett anderes Genre-Fass aufgemacht habe. Ich habe jetzt drei Jahre an etwas gearbeitet, was aber für die Leute urplötzlich wie ein kompletter Wandel erscheint. Andererseits möchte ich auch nicht, dass irgendwelche Leute blind Denyo kaufen und denken, da kommen jetzt irgendwelche Beats und der rappt da irgendwie rum, sondern dass das unmissverständlich 'ne ganz andere Geschichte ist. Jetzt wird gesungen, mit Streicherquartetten, mit Bläsern, Gitarre, live ... das ist 'ne ganz andere Machart und verdient einen anderen Namen. Ich bin der Meinung, dass ich mich auch so durchsetzen kann. Ohne den Namen Denyo.
Über Deinen musikalischen Wechsel weg vom Rap hast Du Dich bereits an verschiedenen Stellen ausgelassen. Ich habe gelesen, Du sagst, Rap sei für Dich wie die erste Liebe. Auf die ist man ja auch manchmal ganz schön sauer, weil sie einem die ersten richtig derben Blessuren verpasst hat. Ist das bei Dir auch so?
Nee. Das ist für mich definitiv keine Hassliebe, nee. Aber Blessuren hab' ich auf jeden Fall. Ich hab' sehr, sehr viele Narben davon getragen. Aber auf der anderen Seite hat es mich auch dahin geführt, wo ich jetzt bin. Ich möchte meine ganzen Erfahrungen, die ich gesammelt habe, nicht missen. Egal, obs vor den 20.000 Leuten auf dem Splash! ist, oder vor den fünf Leuten im Jugendzentrum um die Ecke. Es hat mich dahin geführt, wo ich jetzt bin. Ich hab' für Hip Hop auch auf sehr, sehr viel verzichtet. Das lebe ich jetzt aus.
Wie gesagt: Ich hatte einfach keine Leidenschaften mehr. Es ist halt die erste Jugendliebe gewesen, das erste Feuer, die erste Euphorie, die Abenteuerlust, das ganze Ding. Das war vor zehn Jahren einfach total krass und geil. Mittlerweile ist es eben ein bisschen langweilig geworden. Zu viel Alltag, zu viel Routine. Dementsprechend fand ich den Vergleich mit der ersten Jugendliebe eigentlich recht gut. Irgendwann ist es halt over.
Das, was ich jetzt mache, ist bestimmt 'n bisschen reifer, erwachsener und es ist ... keine Ahnung ... die zweite oder dritte große Liebe. Auf jeden Fall etwas, womit ich mich sehr, sehr gut und sehr, sehr sicher fühle und auch glaube, dass ich da in Zukunft noch viel damit machen werde. Mit dieser Liebe.
Wenn Du sagst, es sei langweilig geworden, zu viel Routine drin: Glaubst du, das liegt an Dir selbst? Oder liegt das an der Sache generell.
Schwer zu sagen. Es liegt natürlich an mir selbst. Ich hab' einfach zig Rapstrophen geschrieben und Tausende von Songs in der Richtung gemacht. Naja, nicht Tausende, aber sehr, sehr viele. Für mich ist das dann irgendwann nichts Neues mehr gewesen. Das birgt immer eine gewisse Gefahr. Ich hab' dann, vor drei Jahren etwa, das Gefühl gehabt, dass ich mich nur noch wiederhole und dass ich dem Ganzen nichts mehr hinzufügen kann. Dann hab' ich im Studio, so ein bisschen gelangweilt von meinen eigenen Rapsachen, statt den Sampler wieder anzumachen und das Reimbuch rauszuholen, erstmal meine Gitarre rausgekramt, die da noch irgendwo rumlag und hab' einfach mal rumgedudelt. Auf einmal hat es klick gemacht, und ich hab' gemerkt: "Ey, krass! Das ist es doch. Das macht mir derbe Spaß." Es hat auch eine bestimmte melancholische Seite an mir, die ich ein bisschen verdrängt habe, zum Vorschein gebracht. Warte mal. Ich muss mir mal kurz 'nen Kaffee machen.
Ja, ohne Kaffee geht gar nix.
Ohne Kaffee geht wenig.
Unsere Maschine ist seit zwei Tagen kaputt, es ist die reinste Folter.
Haha, das glaub' ich. Was macht Ihr jetzt?
Wir trinken halt ab drei schon Bier. Ist aber der Produktivität nicht besonders zuträglich.
(Lacht) Das ist ja ähnlich wie bei Moses. Moses Schneider, mein Produzent. Da heißt es auch immer, dieser klassische Spruch: "Kein Bier vor vier", und dann, fünf vor vier, das erste Bier aufgemacht. Was hattest Du gefragt? Frag' noch mal, ich bin ein bisschen raus.
Ich wollte wissen, ob Du glaubst, es liege an Dir, dass im Rap nichts Neues mehr kommt und dass es langweilig geworden ist - oder an der ganzen Szene. Ich hab' vor kurzem mit FlowinImmo telefoniert. Der beklagte, der ganzen Szene sei über die Jahre der Pioniergeist abhanden gekommen - was ganz normal ist. Dass es nichts Neues mehr gibt und dass das, das früher wenige gemacht haben, jetzt plötzlich alle machen wollen. Und dass damit halt 'ne Menge verloren geht. Empfindest Du das auch so?
Da hat er definitiv mal den Nagel auf den Kopf getroffen. Das find' ich schon, das kann man wirklich so stehen lassen, was er sagt. Das ist ein Blickwinkel, der einen Kern hat. Auf der anderen Seite gibts natürlich viele junge Leute, für die ist das ganz neu, ne? Die sind 16, 17, fangen an zu rappen, hören vielleicht erst seit drei, vier Jahren diese Musik und feiern das dann auch noch so. Alte Hasen wie wir können dann, weil wir das die letzten zehn Jahre schon gehört und gemacht haben, schwer nachvollziehen, dass das für die dann immer noch frisch ist.
Aber das Problem ist, dass sich diese Neuen so krass wiederholen. Jetzt dieses Straßending, "Hey, du Nutte" hier und "Du Bitch" da, und "Ich hau dich weg" und so ... Da wiederholt sich halt auch sehr, sehr vieles. Letztens hab' ich Harris getroffen und bin mit dem 'ne Zeit lang in der Bahn gefahren. Der hat mir ein paar neue Hip Hop-Sachen gezeigt: Auch da passiert was. Für mich persönlich reicht das aber nicht aus. Ich spür' keine Leidenschaft, wenn ich das höre. Ich kann mich auch mit dem heutigen Bild eines Rappers nicht identifizieren. Ich pass' da nicht rein. Ich weiß nicht, das war mir alles zu ... da kam alles zusammen. Ich wollte es einfach für mich persönlich erst mal nicht mehr machen.
Man merkt das auch, in vielen Tracks: Es klingt, als habe sich über die Jahre eine gewisse Unzufriedenheit breit gemacht. Du wirkst stellenweise ziemlich enttäuscht von dem, das Du erreicht hast. Täuscht der Eindruck?
Ich weiß nicht. Ich hab' das Gefühl, es ist alles nicht ganz einfach, mein Dasein als Künstler und das, was ich so mache. Ich bin auf sehr, sehr vieles stolz - aber halt nicht auf alles. Sowohl künstlerisch als auch menschlich hab' ich viele Fehler gemacht. Denen stell' ich mich - und das geb' ich dann auch zu. Trotzdem bin ich im Großen und Ganzen extrem stolz und auch dankbar für das, was ich machen durfte und erreicht habe. Es ist nicht so, dass ich meine ganze Hip Hop-Geschichte in Frage stellen würde. Es ist eher so, dass ich mich trotzdem getraut hab' und trotzdem gesagt hab': "Ich mach' das jetzt einfach. Ich schüttel' das jetzt mal für mich ab und zwäng' mich mal nicht in diese Rap-Schablone oder in diese Schublade, sondern ich mach' jetzt einfach das, worauf ich Lust habe, komme, was wolle."
In "Wo Auch Immer" singst Du sinngemäß: "Schütze meinen Song vor dem, das kommen mag." Hast Du Angst vor Kritik? Angst vor den Reaktionen Deiner ... ich sag' mal alten Fans?
Nee, ich hab' davor keine Angst. Vor drei Jahren, als ich mich entschieden habe, diesen Weg zu gehen, da hab' ich mir diese Fragen gestellt und auch beantwortet. Ich hab' mir gesagt: "Okay, du ziehst das jetzt hier hundertfünfzigprozentig durch und machst ein wirklich gutes, schönes, ganz anderes Album, das gar nichts zu tun hat mit diesem Rap-Ding." Natürlich werden da Leute enttäuscht sein und das irgendwie nicht cool finden. Aber damit kann ich leben, weil ich auf der anderen Seite einfach glücklich bin mit meinen Songs und einen neuen Zugang gefunden habe und mir auch neue Fans erspielen werde. Diese Frage hab' ich mir vor ein paar Jahren gestellt. Dementsprechend hab' ich da keine Angst mehr davor. Ich habe mich damit schon auseinandergesetzt.
Gerade in meinem Fall trägt es aber trotzdem sehr viele autobiografische Züge, es ist relativ persönlich, weil ich Musik halt nun mal so mache, wie ich sie mache. Die ist immer ziemlich nah an mir dran. Ich habe eine rituelle Beziehung zu meinem verstorbenen Vater, das ist einfach nun mal so. In dem Moment, in dem ich den Song geschrieben habe, habe ich ihn gefragt, ob er mir dabei helfen kann, mich zu schützen, meine Leidenschaft zu schützen und meine Songs zu schützen, weil ich die nun mal aus Leidenschaft mache. Natürlich ist es immer schwer, das dann rauszubringen. Weil man an Kritiken nicht vorbei kommt.
So wahnsinnig persönliche Songs, wie sie auf Deinem Album jetzt gelandet sind, bieten ja auch immer eine gewisse Angriffsfläche. Hast Du keine Angst, Dich zu entblößen und angreifbar zu machen?
Doch, natürlich. Ich hab' aufgepasst - und bin der Meinung, dass ich das auch geschafft habe - dass ich mich nicht einfach nur nackt zeige, um mich nackt zu zeigen. Das ist nicht die Intention. Es war nicht die Idee dahinter, mich einfach nur auszuziehen und mein Seelenleben preis zu geben. Das Album hat zwar autobiografische Züge, aber es sind trotzdem Geschichten. Es sind viele ausgedachte Sachen dabei, manches wurde noch mit hinzugefügt, und so weiter. Es ist jetzt nicht: "Kuck' ma, hier. Nimm' das mal eins zu eins, das ist mein Tagebuch", oder so.
Auf der anderen Seite war mir wichtig, dass ich nur Sachen erzähle, bei denen ich das Gefühl habe, dass es Sinn macht. Dass die Leute auch was damit anfangen können, und dass ich den Leuten damit etwas geben kann. Dass sie eventuell manche Erfahrungen ebenfalls kennen, dass es sie inspiriert oder weiter bringt. Es ist kein selbstmitleidiges Rumheulen oder Rumjaulen, "Oh, mir gehts so schlecht" oder whatever, sondern einfach so: "Ey, komm: Ich erzähl' dir was aus meinem Leben. Da gibts schöne Sachen, da gibts traurige Sachen, da gibts Sachen, wo man zweifelt, aber auch Sachen, auf die man stolz ist." Das ist das Leben, und dieses Leben ist auf meiner Platte.
"Das Wichtigste ist die Liebe zum Leben."
Loslassen und Aufbruch habe ich als die beiden großen Themen heraus gehört.Ja.
Korrespondiert das mit Deiner persönlichen Situation?
Das kommt bei mir wirklich alles zusammen: dieses Loslassen, etwas loslassen, was einem vielleicht auch viel bedeutet hat, das einen aber nicht weiter bringt, daraus neue Euphorie, neuen Mut schöpfen, weitergehen, nach vorne schauen, irgendwie auch eine gewisse Gelassenheit haben. Das sag' ich auch bei "Weiterdrehn", das finde ich eigentlich ganz gut: "Was passiert, wenn ich nach dem Glück greife, es flutscht mir aus der Hand wie ein Stück Seife." Das ist eigentlich das, was ich mit diesem Album sagen wollte: Dass man nicht zu verkrampft, zu verbissen etwas suchen sollte. Das Glück kommt, wenn man seinen Weg weiter geht, nach vorne schaut, aber auch spontan bleibt. Bei aller Melancholie ist das Wichtigste die Liebe zum Leben und ein glücklicher Mensch zu sein.
Das heißt: Stillstand ist keine Option.
Stillstand ist keine Option, nee.
Musikalisch ist "Suchen Und Finden" ganz etwas Neues - für Dich. Aber du erfindest wirklich nicht unbedingt das Rad neu. Ich hab' mir beim Hören die ganze Zeit gedacht: "Mann, es klingt wie Clueso." Da Du einen Track mit ihm gemacht hast, kann das ja keine Beleidigung für Dich sein. Oder?
Nee. Ist es nicht. Aber es ist schwer, das einfach so stehen zu lassen. Das kann ich einfach nicht so stehen lassen. Ich habe drei Jahre an diesem Album gearbeitet. Da war Clueso einfach nicht der, der er jetzt ist. Musikalisch natürlich schon, aber nicht, was seine Popularität betrifft. Ich hab' dieses Album nicht gemacht, weil ich dachte: "Cool, dann verkauf' ich auch so viele Platten wie Clueso" oder sowas. Das hat damit nichts zu tun. Ich fand den schon immer cool. Ich finde auch geil, was er macht, nach wie vor. Aber ich hab' mich damit gar nicht viel beschäftigt, sondern habe nach meinem eigenen Zugang zur Musik gesucht.
Ich habe mit ihm darüber gesprochen, es ist wohl einfach dieses Ding: Wir haben 'ne ähnliche Geschichte, wir kommen aus dem Hip Hop und haben jetzt Gitarre und Gesang als Schlüssel zur Musik gefunden. Man hat natürlich, wenn man aus dem Hip Hop kommt, einen gewissen Flow oder geht ein bisschen anders an Texte ran. Deswegen landet man vielleicht in einer Schublade. Aber ich persönlich - und er auch - ich kann da mehr als eine ähnliche Schublade nicht sehen.
Schade, dass der Kollabo-Track auf der Promo-Kopie nicht drauf war. Auf den wäre ich nämlich neugierig gewesen.
Ja.
Woran hast Du Dich denn musikalisch orientiert? Gab es Vorbilder?
Ja, bestimmt. Auf jeden Fall. Ich hör' sehr querbeet. Police haben mich extrem geflasht, ob man das jetzt raushört oder nicht. Keine Ahnung. Dann solche Tracy Chapman-Geschichten. Auch natürlich Lindenberg und Grönemeyer. Ich feiere auch den einen oder anderen Grönemeyer-Song, das ist einfach so. Ansonsten ... ich weiß es nicht. Ich hab' einfach gemerkt: Es gibt ein gutes Gefühl, das kann und möchte ich in einem Song transportieren. Das gibt mir derbe was und das wollte ich halt machen. Das ist dann vielleicht ein Stück weit mein Eigenes.
Wie geht man mit dem Wissen um, dass man möglicherweise nicht der allergrößte Sänger unter der Sonne ist - und singt trotzdem?
Indem man auf einmal Songs hat, die trotzdem extrem schön und geil geworden sind, die wichtig sind und die man sich gerne anhört. Ab dem Moment kann egal sein, ob man der geilste Sänger ist oder nicht. Mir gehts nicht darum, hier Hochleistungssport zu machen, sondern Songs, Musik. Und darum, ein Gefühl zu transportieren. Das kann man auch, wenn man nicht der krasseste Techniker ist. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb das Resultat 'ne gewisse Eigenheit hat. Ich find' es okay.
Ich find es auch okay. Aber das ist ja mal eine komplett gegensätzliche Herangehensweise zu Rap. Da gehts ja schon eher um Hochleistungssport.
Genau. Das ist auch genau das, was mich am Ende in eine Sackgasse geführt hat. Ich hab' irgendwann gemerkt, dass es mir nur noch um Metaphern geht, um wie viele Silben reimen sich aufeinander und wie toll ist der Flow, nicht mehr um den Inhalt. Mir war es bei dem Album extrem wichtig, beim Text, beim Inhalt zu bleiben, bei dem, das ich wirklich sagen möchte, und dafür gegebenenfalls auch mal auf 'nen tollen Reim verzichten. Und eben auch auf die supergeile, elegante Gesangslinie, die allen zeigen würde, was für ein geiler Soulsänger ich bin. Das bin ich halt nun mal nicht. Ich hab' das gemacht, was ich kann, was ich fühle, was ich liebe. Das ist jetzt drauf, mit allen Stärken und Schwächen.
Es ist ja nicht so, dass Du jahrelang pausiert hättest. Ich erinnere mich beispielsweise an den Soundtrack zu "Leroy". Da warst Du maßgeblich beteiligt. Wie kamst Du an dieses Projekt?
Das war einfach 'ne Anfrage. Es gab erst einen Kurzfilm von "Leroy". Den fand ich sehr, sehr charmant. Das war so ein zehnminütiges Ding, auch schon mit souligen Sachen unterlegt. Die haben mir das gezeigt und gemeint, sie hätten Bock auf einen Soundtrack. Irgendwie auf Songs, die ein bisschen in die Richtung gehen, aber mit Leuten hier aus der Szene. Da hatte ich dann echt Bock drauf. Während sie den langen Film produziert haben, habe ich angefangen, Leute zu checken, die vielleicht auch Bock drauf hätten. Und dann haben wir eben den Soundtrack gemacht.
Lust bekommen auf mehr Filmmusik?
Nee. Mm-mm, nee. Nee! Das war 'ne einmalige Geschichte. Das hat Spaß gemacht. Das war total cool. Es war für mich wichtig, weil es hat mir auch für mein Album sehr viel gebracht. Erst mal hab' ich viele Musiker, auch Live-Musiker, kennengelernt. Und ich hab' eine andere Art zu arbeiten kennengelernt. Vorher war ich derjenige, der angerufen wurde und dem gesagt wurde: "Ey, bis dann und dann musst du das und das fertig haben." Auf einmal war ich der, der den anderen gesagt hat: "Pass auf, ich brauch' die Gitarre bis dann, du musst bis dann und dann den Song eingerappt haben, und dann passiert dies und jenes." Das hat mir sehr viel gebracht, weil ich gelernt habe, zu delegieren. Das hab' ich für mein Album genutzt. Ich hab' mit Tausenden von Spezialisten zusammen gearbeitet, für dieses Album. Das war auf jeden Fall eine gute Erfahrung, die war sehr wertvoll.
Du willst Dein Album live auf die Bühne bringen - mit Band. Wie lief das im Studio? Hattest Du 'ne feste Studioband? Einzelne Musiker? Oder hast Du vielleicht sogar manches selbst eingespielt?
Die Skizze ist selbst eingespielt, in der Regel. Ich hatte auch Leute, mit denen ich zusammen gearbeitet hab', bei manchen Sachen. Aber in der Regel war das so. Dann habe ich meine Rhythm Band, 'ne feste Band, die ich mir zusammen gestellt hab', die auch schon vorher zusammen agiert haben und die echt oberkrass sind. Mit denen bin ich ins Studio gegangen, bis ich diese Skizzen fertig hatte. Weil ich einen gewissen Schlagzeugsound haben wollte, oder auch Gitarrensound, technisch, habe ich mir zwischendrin Moses Schneider ins Boot geholt. Der macht Beatsteaks-mäßig krassen Sound und hat Tocotronic und zig andere Sachen produziert, der ist einfach gut. Den hab' ich dann auch noch dafür gewinnen können. Dann sind wir irgendwann ins Studio und haben die Sachen eingespielt - und hatten krass viel Spaß. Hinterher hab' ich dann eingesungen, hab' noch diverse Streicherquartette ausprobiert, bis es dann irgendwann mit einem geklappt hat, das gut genug war. Und Bläser - das ganze Programm. Von der ersten Skizze, die ich zu Hause bei mir im Wohnzimmer gemacht hab', Gitarre, Gesang, bis zur Vollendung des Songs sind es an die fünfhundert Schritte. Mindestens.
Die Gitarre spielst Du selbst?
Ja. Ich spiel' selber Gitarre. Aber nicht auf der Bühne, weil ich dafür als Gitarrist nicht gut genug bin. Wir haben jetzt schon 'n paar Shows gespielt. Besser gesagt: zwei. Ich bin da mit meiner Rhythm Band, also Schlagzeug, Gitarre, Keyboards, Backgroundsängerinnen. Und dann legen wir los. Macht Spaß.
Wie kommts an?
Kommt gut an! Auf jeden Fall. Wir haben gerade gestern gespielt. Die erste Show war ein bisschen zäh, weil es da krass geregnet hat. Krasser Platzregen, da waren nicht so viele Leute da, leider. Aber jetzt gestern in Paderborn, so ein Uni-Festival, wo dann auch die Töpfe gespielt haben und ein paar andere Leute: Das war ein Knaller. 2000 Leute, die es noch nicht kennen, aber geil fanden.
Was ist das dann für ein Publikum? Junge Leute - oder solche gesetzteren Alters? Wie ... ähem ... wir?
Ja, das ist witzig zu sehen. Man macht da so ein Album, gibt alles und bringt das dann raus. Da muss man selber erst mal sehen: Was für Leute hören das jetzt eigentlich? Das ist krass durchmischt. Was soll ich sagen? Da sind 15-, 16-Jährige, aber daneben der 35-Jährige, der Hip Hop seit der ersten Schule hört, aber trotzdem offene Ohren hat, für das, das ich da mache. Es war 'ne coole Crowd. Bisher.
"Eminem ist ein guter Mensch."
Glückwunsch. In einem Interview hast Du mal gesagt, Deutschland brauche mehr Patriotismus. In "Gerne Hier" klingt das zwar immer noch durch, aber es tönt doch sehr viel verhaltener. Wie stehst Du zu Kampagnen wie "Du bist Deutschland" oder plakativen Einlassungen, wie sie derzeit zum Beispiel Samy Deluxe propagiert?Grundsätzlich find' ich den Ansatz richtig. Es kommt aber natürlich immer darauf an, mit wie viel Feingefühl man so was macht. Finde ich. Ich kann das verstehen, ich seh' das auch selber so, dass man dann vielleicht mal sagt: Komm, bei allem, das hier auch falsch läuft, das man kritisiert, und bei allem, das es global zu kritisieren gibt oder wo man vielleicht als Mensch irgendwann hin möchte. Auch gesellschaftlich: Es gibt viel zu tun, wenn man immer noch Utopien und Vorstellungen von einer besseren Welt hat. Bei alledem kann man trotzdem nicht leugnen, das es echt schöne Dinge gibt, auf die man stolz sein kann. Man kann stolz sein, hier zu leben, glücklich sein, und man kann versuchen, die Dinge noch zu verbessern. Das darf man dann auch mal sagen.
Ich finde, 'patriotisch' ist das falsche Wort. Ich bin grundsätzlich kein Patriot. Da hab' ich das falsche Wort gewählt. Ich bin auch kein Lokalpatriot, ich bin zum Beispiel einfach von Hamburg nach Berlin gezogen. Da hätten auch Leute sagen können: "Ey, was soll'n das? Du representest doch Hamburg!" Das macht mir aber nichts. Ich bin so ein globaler Typ. Ich komm' überall klar und lass' mich gerne inspirieren. Nichtsdestotrotz finde ich, dass man ein gesundes Selbstvertrauen haben darf, als junger Mensch hier. Gerade, wenn man Jugendlicher ist.
Deswegen find' ich den Ansatz von Samy gut, weil er genau diese Leute anspricht. Er spricht gerade junge, desillusionierte, vielleicht auch teilweise ... asoziale Typen an, die nicht wissen, was sie machen sollen. Die alles scheiße finden, außer Rap. Denen mal zu sagen: "Ey, passt auf: Wir sind hier in diesem Land zusammen. Wir können hier was verändern. Es gibt hier auch positive Seiten. Lass uns irgendwie was für dieses Land tun, das ist cool! Wir sind hier, wir sind selbstverständlich hier. Wir werden vielleicht teilweise ausgegrenzt oder von oben herab behandelt. Wir sind nicht in der Mehrheit. Aber nichtsdestotrotz sind wir ein Teil davon. Wir sind wichtig." Das halte ich eigentlich für einen guten Ansatz.
Soll das heißen, Du siehst Künstler, insbesondere Musiker, in der Pflicht, ein gutes Vorbild abzugeben?
Nein. Seh' ich nicht. Es kommt immer darauf an, was für ein Musiker und was für ein Vorbild. Für meinen Teil seh' ich mich schon ein bisschen in der Pflicht. Aber das heißt nicht, dass ich jetzt anfangen würde, zeigefingermäßig den Leuten was erzählen zu wollen. Aber es heißt, dass ich hier stehe und für etwas stehe, für eine positive Sache. Die möchte ich dann auch verkörpern.
Wenn jemand im Rampenlicht steht, besteht immer die Möglichkeit, dass Leute ihm nachlaufen. Wenn jetzt jemand komplett in die falsche Richtung voranrennt, birgt das aber doch auch Gefahren.
Das birgt definitiv Gefahren. Ich will gar nicht so lange in diesem Rap-Thema bleiben, aber da gabs halt auch viele Leute - ich möchte echt keine Namen nennen - die krass erfolgreich waren, mit ihrem Straßenkram. Die haben den Leuten schlimme, menschenverachtende, destruktive Scheiße vermittelt, die die dann nachgemacht haben. Diese ganze frauenfeindliche, "Ich koks mich hier voll und bin der geile Gangbanger"-Wichser - und das ist auch noch cool: Das machen 14-Jährige nach. Das find' ich persönlich schrecklich.
Das ist auch ein großer Grund gewesen, warum ich für mich gesagt habe: "Nee. Ich hör' zwar Rap, aber ich bin nicht stolz drauf." Das gilt auch für viele Amis. Da kann man das aufgrund der Sprachbarriere gerne mal ausblenden, find' ich. Aber letzten Endes labern die in der Regel auch nur Bullshit. Es gibt halt einen großen Unterschied zwischen einem ... sag ich jetzt mal ... Lil' Wayne- und einem Eminem-Hype. Eminem ist jetzt vielleicht auch nicht das krasse Vorbild. Der polarisiert letzten Endes mit dem, das er sagt, immer krass und man weiß nicht genau. Politisch korrekt sowieso nicht. Aber dennoch fühlt man einfach, das ist ein guter Typ. Das ist ein guter Mensch, der hat eigentlich Positives zu sagen und steht eigentlich für 'ne gute Sache, auch wenn es vielleicht vordergründig nicht so aussieht. Man kann das manchmal nicht so genau sagen.
Ich finde, das Schlimmste wäre, wenn jetzt alle so denken würden: "Oh Gott, wir sind Musiker! Wir müssen jetzt gute Vorbilder sein! Ich hör' jetzt auf zu rauchen, ich trink' nie wieder und erzähl' jetzt nur noch, wie schön das Leben ist." Das wäre 'ne Katastrophe. Aber man sollte sich bewusst sein, was man tut, und immer versuchen, den Leuten etwas Konstruktives mitzugeben.
Klingt nach einem ordentlichen Schlusswort. Ich sag' danke.
Ja, danke auch!
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