laut.de-Kritik

Right Thoughts. Right Words. Right Action.

Review von

Franz Ferdinand gehören zu jenen Bands, deren Debüt ihr späteres Schaffen stets überstrahlt. Dabei wird gerne vergessen, dass die Schotten seit 2004 konstant auf hohem Niveau abliefern. Nun gab es bandintern Veränderungen: Der stilprägende Gitarrist und Co-Songschreiber Nick McCarthy verließ die Band 2016, Franz Ferdinand nahmen mit "Always Ascending" ihr erstes Album ohne ihn auf.

Wohl auch deshalb peilen die Herren nichts anderes als eine musikalische Neuerfindung an: "Diese Platte sollte anders klingen als alles, was wir je zuvor gemacht haben.", geben sie im Pressetext zu Protokoll. Die gute Nachricht für die Fans ist: Das hat nur bedingt funktioniert.

Symptomatisch für die neuen Franz Ferdinand ist der Titeltrack "Always Ascending": Die einleitenden, schweren Klavierklänge vermischen sich mit dem Mantra-artig wiederholtem "Put Your Ladder Down", während im Hintergrund der Synthesizer anschwillt und den Songtitel klanglich abbildet. Nach etwa 90 Sekunden setzt jedoch das Schlagzeug ein und Franz Ferdinand grooven wie eh und je. Nach kurzer Synthie-Dominanz selbstverständlich auch mit Trademark-Gitarre, die immer noch selbst die provinziellsten Indie-Dancefloors mit Leben füllt. Definitiv eine nachvollziehbare Vorabsingle.

"Lazy Boy" im Anschluss überzeugt dagegen weniger. Rhythmisches Mitwippen ist natürlich drin, die allzu repetitiven Vocals und der karge Refrain lassen die Nummer aber lediglich wie einen seichten Aufguss des Debütalbum-Sounds wirken. Ähnlich verhält es sich mit "Paper Cages", das seine Stärke vor allem in den Strophen entwickelt. Im entschleunigten Tempo begleitet eine "Hold The Line"-Klavierspur Kapranos psychedelische Lyrics rund um das Leben in Papierkäfigen.

Wirklich aufhorchen lässt das balladeske "The Academy Award", das träumerisch-wehmütige Töne anschlägt, reduzierte Gitarren und kühle Synthie-Flächen inklusive. Und irgendwie geben Franz Ferdinand eigentlich seichten Zeilen eine augenzwinkernde Tiefe mit: "And the academy award for good times goes to you".

"Lois Lane", dessen muntere Melodie ausschließlich von Keyboard-Synths getragen wird, mutet danach poppig wie nie an. Fast ausschließlich, um genau zu sein: Am Ende stellt Kapranos zu betont rockigerem Geschrammel fest: "At the over 30s singles nite it's bleak". Das hört sich einerseits trotzig, andererseits ziemlich nach Midlife Crisis an. Vielleicht ist das aber auch einfach nur eine nüchterne Erkenntnis.

Erst kurz vor Beginn der Studioarbeiten geschrieben, ist "Huck And Jim" der unorthodoxeste Song des Albums. Mit Versatzstücken aus Indie, Trap-Hi-Hats und Rap-ähnlichen Parts lehnen sich Franz Ferdinand hier am weitesten aus dem Fenster. Im Refrain planen die Herren dann noch, nach Amerika zu gehen und der dortigen Bevölkerung vom staatlichen Gesundheitssystem Großbritanniens zu erzählen - eine Blaupause für Experimentierfreude.

"Glimpse Of Love" unternimmt einen Ausflug in die Rollschuh-Disco und intensiviert den Trend, der sich schon das ganze Album über abzeichnet, einmal mehr: Die Hierarchie der Instrumente hat sich zugunsten des Synthesizers verschoben. Auch hier bildet die Elektronik die melodische Grundlage, die kraftvolle Gitarren pointiert ergänzen.

"Feel The Love Go" weckt schließlich den Verdacht, LCD Soundsystem-Mastermind James Murphy persönlich hätte das Studio geentert und mit seinen Ideen für die tanzbarste Nummer des Albums des Albums gesorgt. Aus dem an sich schon ungemein treibenden Song kitzelt auf dem Zenit außerdem noch ein Saxophon die letzten Prozentpunkte heraus.

Der ausgesprochen ruhige Closer "Slow Don't Kill Me Slow" lässt den Hörer dann erstmal etwas ratlos zurück. Nach einer Eingewöhnungsphase gefällt das neue Soundgewand aber immer mehr: Franz Ferdinand klingen frisch wie lange nicht: Der Sound unterzog sich einer Frischzellenkur, während die Essenz der Band im Kern erhalten bleibt.

Garantiert erfinden Franz Ferdinand mit ihrem Bestreben, Elektronik in stärkerem Maße mit Indie-Sound zu fusionieren, das Rad nicht neu. Erstens waren Synthesizer den Indierockern nie wirklich fremd, zweitens lässt sich die neue Gangart durchaus mit der Franz Ferdinand-Attitüde vereinbaren und wirkt keineswegs aufgesetzt. Auch wenn man also den ein oder anderen Hardliner mit "Always Ascending" vergrault, hat sich das Setzen neuer Impulse in der Summe absolut gelohnt.

Trackliste

  1. 1. Always Ascending
  2. 2. Lazy Boy
  3. 3. Paper Cages
  4. 4. Finally
  5. 5. The Academy Award
  6. 6. Lois Lane
  7. 7. Huck And Jim
  8. 8. Glimpse Of Love
  9. 9. Feel The Love Go
  10. 10. Slow Don't Kill Me Slow

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Franz Ferdinand – Always Ascending €11,21 €3,00 €14,21
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Franz Ferdinand – Always Ascending €42,34 Frei €45,34

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Franz Ferdinand

2004 scheinen die Menschen im Vereinigten Königreich ihrer Pop-Eigenerzeugnisse Robbie Williams, Sugababes und Co. überdrüssig zu sein, anders ist …

6 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Bin ganz erstaunt, dass noch keiner was dazu gesagt hat :D
    Aus meiner Sicht polarisiert das Album schon recht.

    Ich kann verstehen, dass es Leute mögen, gerade wenn jemand auch die Zusammenarbeit mit den Sparks mochte.

    Aber ich persönlich finde das Album furchtbar belanglos und stellenweise nervig.

    Schon seltsam, dass so viele Bands mit der Zeit immer ins elektronische abdriften. Immer dann, wenn es heißt "Wir wollten mal was neues machen".

    Gerade da ich das erste Album der 1990 sogar recht mochte, habe ich mir ein bisschen etwas anderes erhofft.

    Von mir gibts leider nur 2 Sterne.

  • Vor 6 Jahren

    Franz Ferdinand haben ihren Zenit schon lange überschritten, darum auch so wenig Feedback.

  • Vor 6 Jahren

    Finds auch recht gelungen. Klar, für Leute die Elektro überhaupt nicht abkönnen, ist das natürlich ein leichter Upfuck. Ansonsten mindestens drei Sterne, möglicherweise sogar vier.

  • Vor 6 Jahren

    Ja es geht mir ähnlich. Waren schon besser und ideenreicher. Die Single geht nach mehreren Male auf und ab im Radio noch vertretbar sein. Hört man die ganze Scheibe an, wird es einen irgendwann fad = langweilig. FF und Synti passt nur bedingt. Leider nur zwei bis drei. Sorry Jungs, aber das FFS Konzert beim LolaPaluzza war Euer letzter großer Wurf.

  • Vor 6 Jahren

    Ich finde den Elektronik-Anteil auf "Tonight: Franz Ferdinand" noch um einiges präsenter. Hier sinds eher 80s-Pads, welche die Songs sanft unterstützen. Sie kämen aber auch vollkommen ohne Eletronik aus.

    Gibt nach wie vor keine groovendere, tanzbarere Rockpopband. Ist nicht ihr größter Wurf, aber nach wie vor erstklassig. 4/5 gehen klar.

    • Vor 6 Jahren

      Vielleicht bin ich auch auch einfach nur neben übergewichtig,übelst riechend und niedlich einfach nur taub,aber ich höre deutlich mehr Synthies als auf Tonight....und kaum Pads,sondern Leads bis der Arzt,vielleicht auch der Ohrenarzt,kommt.Ich mag Synthies eigentlich,aber hier wirkt es eher so,als würde man schlechtes Songeriting damit kaschieren wollen.Muss die Scheibe aber noch öfters hören,wäre nicht das erste Mal,dass ich meine Meinung über Bord werfe.Eigentlich werfe ich mein ganzes Leben andauernd über Bord.Danke fürs Lesen.

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 3 Jahren

    Großartige groovy Band, die sich gut entwickelt hat. Ich freue mich auf jede Neuerscheinung. Ein paar Songs sind so lala, aber wenn sie gut drauf sind, sind sie echt gut.