laut.de-Kritik

Moreno schreit, wispert, jault – und das ist gut so.

Review von

Deftones haben in den letzten Jahren einen enormen Hype erfahren. Dank TikTok und Co. sind sie mittlerweile auch bei der jüngeren Generation angekommen – was die Fanbase förmlich explodieren lässt. Dabei trifft man auf alle möglichen Kombis: Slipknot-Fans, Taylor Swift-Fans. An sich ist das natürlich erstmal positiv – bis man versucht, Tickets für die Europatour zu ergattern.

Diejenigen, bei denen dank TikTok nicht nur "My Own Summer" in der Playlist gelandet ist, dürften das letzte Album "Ohms" noch in guter Erinnerung haben. Jetzt steht "Private Music" in den Startlöchern, nach der längsten Albumpause der Bandgeschichte.

Vor kurzem habe ich das neue Album noch als "nicht unbedingt evolvierend" eingeordnet. Mein heutiges Ich, das "Private Music" inzwischen mehrfach durchgehört hat, würde diese Aussage allerdings gerne entschuldigend revidieren. Deftones liefern hier natürlich nichts völlig Neues – aber dem Album Blaupausencharakter zu unterstellen, greift zu kurz. Und nur weil "Ohms" ein großartiges Album war, rechtfertigt das nicht, "Private Music" als dessen Schatten zu sehen.

Meines Erachtens liegt das eigentliche Problem der Deftones darin, dass sie in vielen Augen – und da nehme ich mich nicht aus – immer noch im Nu Metal-Kosmos verortet werden. Dabei haben die aktuellen Deftones herzlich wenig mit Genrekollegen wie Limp Bizkit gemein – und das ist auch völlig in Ordnung. Betrachtet man das Album so objektiv wie irgend möglich, entfaltet es sich mal wieder zu einer eigenen Meisterklasse.

Allen voran steht – natürlich – "My Mind Is A Mountain". Die Vorabsingle macht keine Abstriche; der Einstieg sitzt wie ein Motor, der gerade warmläuft. Moreno so leidend wie eh und je, die Pausen verleihen die wuchtige Schwere. Ein Song, zu dem man sich schwermütig selbst ins Koma saufen und gleichzeitig im Moshpit die Sau rauslassen will.

"Locked Club" lehnt sich rifftechnisch nah an den Opener-Track an. Insgesamt wirken die ersten beiden Stücke durchdacht, leidenschaftlich und ehrlich – so wie man es von Deftones nach fünf Jahren Albumpause erwartet. "Ecdysis" ballert mit gut hörbarem Bass durch die Tracklist; die tiefgestimmten Gitarren fehlen natürlich nicht. Das einzige Problem: Irgendwie hat man das Gefühl, es schimmert in jedem Track immer noch ein wenig "My Mind Is A Mountain" durch. Als hätte man diesen Banger erschaffen und wollte jedem Song ein wenig von dieser Entdeckung einflößen. Funktioniert, aber nicht so gut, dass der Rest an den Opener rankommt.

"Infinite Source" traut sich endlich in neue Fahrwasser: melodischere Gitarre, sehnsüchtigerer Gesang, alles ein wenig hellgrauer statt melancholisch dunkelgrau. "Souvenir" macht ähnlich transzendental weiter, ohne auf die bedrohlichen Gitarrenriffs zu verzichten. Moreno schreit, wispert, jault – und das ist gut so. Alles kulminiert bei Minute viereinhalb und mündet in Synthesizer-Sounds wie die Ruhe nach dem Deftones-Sturm.

Diese Beinahe-Ruhe geht nahtlos in "CXz" über, das aber direkt weiterprügelt. Hier traut sich auch Cunningham endlich mehr. "I Think About You All The Time" klingt schnulzig, ist es auch. Clean-Gitarre, Moreno ist traurig, also sind wir es auch. Langsamer, ruhiger Song, den man beim ersten Hören gerne unterschätzt, der später aber wahre Größe beweist.

Dann die zweite Vorabsingle: "Milk Of The Madonna" hat nicht den Alleinstellungscharakter wie die erste Single, kommt aber genauso gut durchdacht um die Ecke. "Cut Hands" macht dann wieder ein bisschen mehr Nu statt Prog, und das fetzt anders. Mein Favorit im Album. Ein Song, der sich kaum merklich abzuheben versucht und dadurch immer noch ins Album passt.

Auch "~Metal Dream" wirkt ein bisschen frischer, segelt aber langsam zurück auf bekannte Gewässer. Obwohl das Drumspiel nicht besonders heraussticht, ist es doch eines der tragenden Elemente der meisten Songs. Es gibt die Schwere, die Struktur. "Departing The Body" nimmt sich zum Schluss fast sechs Minuten Zeit. Es baut sich auf durch einzelnes langsames Gitarrenspiel und stapft dann schleppend Richtung Ende.

Insgesamt kein Werk, das Genrewechsel vollzieht – aber das ist auch gut so. Deftones bleiben Deftones und machen das, was sie am besten können: Deftones. Und sie servieren trotzdem Neues dabei.

Trackliste

  1. 1. My Mind Is A Mountain
  2. 2. Locked Club
  3. 3. Ecdysis
  4. 4. Infinite Source
  5. 5. Souvenir
  6. 6. CXz
  7. 7. I Think About You All The Time
  8. 8. Milk Of The Madonna
  9. 9. Cut Hands
  10. 10. ~Metal Dream
  11. 11. Departing The Body

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15 Kommentare mit 18 Antworten

  • Vor 20 Tagen

    Nach wie vor habe ich die beiden großartigen Vorgängeralben -insbes. "Ohms" - als sehr verträumt und durchweg sphärisch abgespeichert, was ja auch die Signatare darstellen soll.
    Dieses hier liefert tatsächlich etwas Abwechslung, was Melancholie & (leicht angedeutete, aber pointierte) Aggression angeht. Die Zweite Single "Milk of The Madonna" (oder auch "Souvenir" etwas mehr in die aggressivere Richtung) steht für mich exemplarisch für diese "Entwicklung" - was sich auf dem gesamten Album abspielt, wird hier in einen Song gepackt.
    Ich mag es einfach, wenn Dinge eigentlich simple gestrickt sind, aber komplex daher kommen oder sogar umgekehrt und das Umgekehrte dann am Ende im Grunde dasselbe ist.

    Fast so, als würde man versuchen, die Deftones mit einer schönen Abschlusspointe zu beehren, es aber keine genialere gibt - weil tautologisch und gleichzeitig nicht tautologisch - als diese, dass es "Insgesamt kein Werk [ist], das Genrewechsel vollzieht – aber das ist auch gut so. Deftones bleiben Deftones und machen das, was sie am besten können: Deftones. Und sie servieren trotzdem Neues dabei."

  • Vor 20 Tagen

    "Deftones - private music (Indie Exclusive Edition) (White Vinyl) (Alternate Cover), Medium: LP, lieferbar innerhalb einer Woche"

    :|

    • Vor 10 Tagen

      Hilft halt nix in Sachen durch Warten gestiegene Erwartungshaltungen, wenn das Albung insgesamt so dermaßen mid ist, dass mensch sich schon beinahe wünscht, es wäre echt richtig schlecht geworden, da es dann wenigstens richtig etwas zu fühlen und drüber zu schreiben gäbe. Am besten gelungen an der Scheibe finde ich noch das Artwork. Schade, dass es ausgerechnet das musikalisch uninteressanteste deftones-Werk seit dem selbstbetitelten ziert. Und selbst auf der "Deftones" heben sich meine persönlichen Favoriten wie "Battle Axe", "Minerva" oder "Moana" nochmal sehr viel deutlicher und intensiver vom nicht sehr guten, aber auch nicht total beschissenen Rest ab. Ähnlich "Gore", wo allein die auf allen Ebenen gelungene Experimentierfreude in den Vorzeigetracks (Hearts/Wires"; "Phantom Bride) das stellenweise planlose Dahindümpeln zwischen Selbstzitaten und unausgegorenen Einzelideen auf der restlichen Platte beinahe völlig vergessen macht.

      Nach sechs Durchläufen über die drei vergangenen Tage hinweg das mE bisher egalste und damit überflüssigste aller deftones-Studioalbeng, ohne jedes echte Highlight. Es war aber nach dem Monolithen "Ohms" im Alterswerk vermutlich nochmal ähnlich schwierig für sie wie nach dem absoluten kommerziellen Durchbruch weltweit mit "White Pony". Minus diesem ganzen "Fünf charakterlich sehr unterschiedlich Jugendfreunde, die diesen Rockstar-Traum irgendwie zusammen durchleben"-Pathos sowie der daraus resultierenden Bandchemie und der musikalischen Magie, die sie zur Erschaffung der selbstbetitelten noch erzeugen konnten.

      "Private Music" klingt daher in den besten Momenten maximal routiniert nach paar alten Hasen in nem perfekt für sie umarrangierten Kaninchentiefbau, in den schlechtesten einfach nur vom eigenen Selbstzitat gelangweilt bei gleichzeitig zu hoher Bequemlichkeit, künstlerischer Selbstzufriedenheit und manifestierter Risikoscheue im Alter.

    • Vor 10 Tagen

      ...ähnliches dachte ich viel mehr, als ich den "Kurz-Release-Auftritt" auf YT gesehen habe, bei dem ich sogar eingeschlafen bin. In Zeiten von Coldplay-Scooter-Höhenflügen, die völlig absurd abdriften, denke ich, sollte man über Bequemlichkeit und Risikoscheue auch mal froh sein und etwas innehalten, dass man möglicherweise vor viel Schlimmeren bewahrt wurde ;).

    • Vor 10 Tagen

      Ist nur die Enttäuschung, dass es definitiv nicht die erhoffte Stromgitarrenverzerrer-Rettung des Jahres geworden ist.

      Unter dieser "deftones können einfach kein schlechtes Albung machen!"-These bleibt halt zu jedem Zeitpunkt eine gewisse Restwahrscheinlichkeit, dass das nächste nur so mittelmäßig wird. Bei bisher zwei aus zehn Studioalben halten die sich bei mir aber weiterhin relativ bequem im Blindkauffeld für den "Private Music"-Nachfolger. :)

  • Vor 20 Tagen

    Erster Eindruck: Klingt songorientierter, weniger dicht und heller als die letzten beiden Alben. Tolles Drumming. Beim zweiten Song macht mir Chinos Sprechgesang ein bisschen was kaputt, aber dafür ist Milk of the Madonna ein absoluter Überhit.

  • Vor 10 Tagen

    Ich habe dem Ding jetzt 2-3 Durchläufe gegeben und finde es gut, aber Ohms war besser.
    Deftones machen auf Private Music halt das, was sie können, gut und routiniert.
    Vom Hocker reißt mich nur „Milk Of The Madonna“.
    Heavy Balladen im 3/4-Takt („I Think About You All The Time“) sind doch eigentlich seit „Nothing Else Matters“ durch…

    • Vor 3 Tagen

      "Heavy Balladen im 3/4-Takt („I Think About You All The Time“) sind doch eigentlich seit „Nothing Else Matters“ durch…"

      Pff! Bester Song.

  • Vor 8 Tagen

    Ich kann die hier geäußerte Enttäuschung auf hohem Niveau nachvollziehen. Das Album hört sich eher an, als hätten sie versucht, eine Essenz ihres Schaffens einzudampfen und ist eher vollendetes Handwerk als Genius.
    Als solches macht es mir eine Menge Spaß, schafft es aber wohl nicht in mein Triumvirat aus Saturday Night Wirst, Koi no yokan und Gore. Im Vergleich zu den Alben fehlt mir hier etwas die Atmosphäre, die über den einzelnen Songs thront.

  • Vor 3 Tagen

    Falls ihr Deftones sucht und nicht ganz so routiniert, sondern mittlerweile mehr mit atmosphärisch ambienten Momenten, dann hört mal Loathe. Sehr vielseitige und verspielte Band. Mehr als ein Deftones-Rip Off.