laut.de-Kritik
Musik wie goldener Samt.
Review von Kerstin KratochwillMit goldrichtigem Timing erschien am Valentinstag 1985 ein Debüt-Album, das bis heute nicht nur musikalischer Goldstandard in Sachen Lovestory zwischen Soul, Pop, 80s-Dance-Sounds, Funk und R'n'B ist, sondern auch weltweit zu den meistverkauften Alben aller Zeiten gehört. Whitney Houstons gleichnamiger Eintritt in die Musikwelt ist stimmgewaltig, stilsicher und stilprägend.
Wenn eine Musik wie goldener Samt klingt, dann "Whitney Houston": Zehn elegante, hochpolierte und geschliffene Tracks, auf denen die drei bis vier Oktaven umfassende Stimme der Amerikanerin glänzen kann. Nahe an der Perfektion hört man in ihren sonoren wie ausgeschmückten Einschüben ein müheloses Wechseln von sanft zu dramatisch – Expertinnen und Experten nennen diese Technik "Melisma".
Diese geradezu akrobatische, aber nie gekünstelt wirkende Stimmleistung verdankt Houston ihrem gospel-geschulten Timbre, das eine Tiefe und einen Sog entfaltet, so dass noch so gefühlsbetonte Songs niemals in den Kitsch abgleiten. Das jazzige-smoothe "Saving All My Love For You" oder auch das überlebensgroße "Greatest Love Of All" mit seine kristallinen Vocals sind solche Lieder, die einem die Tränen in die Augen treiben und zugleich optimistisch glitzernd in die Zukunft blicken lassen.
Eine Zukunft, die Whitney Houston letztlich leider nicht vergönnt war, was seinerzeit undenkbar erschien, als sie mit diesem Album strahlend schön und stark die Pop-Welt eroberte. Nach außen hin als makellose Prinzessin oder Girl-Next-Door-Crush in Szene gesetzt, war Houston eine durchaus ambivalente Person, führte privat ein freies Liebes- und leider auch ein sorglos freies Drogenleben.
Sie wurde zur Identifikationsfigur der schwarzen und der queeren Community, die ihre Songs zu Klassikern und Hymnen erhoben. Mit ihrem Debüt setzte sie den Grundstein zu ihrem globalen Pop-Star-Dasein, ein Album, dass so triefend und tröstend "Achtziger Jahre!" in Look und Sound schreit und dennoch jeder Nostalgie-Falle trotzt.
Neben den schon erwähnten Monster-Balladen findet sich zu dem irgendwie Talking-Heads-inspirierten "Thinking About You" mit "How Will I Know" ein weiterer Synth-Funk-Kracher mit unglaublichem Groove auf dem Album, das unter anderem von Jermaine Jackson (älterer Bruder von Michael Jackson und auf dem harmoniesüchtigen "Take Good Care Of My Heart" im Duett mit Whitney zu hören) mitproduziert wurde.
Jermaine offerierte den Track anfangs seiner Schwester Janet Jackson, und es wäre spannend gewesen zu hören, welch dreckigen Beat sie auf ihrem Album "Control" in den Song eingebaut hätte. Aber sie lehnte ab – war ihr Freiheitssound von der Jackson-Family sowieso eine bewusst rohe wie rotzige Abgrenzung zu eben smoothen Künstlerinnnen wie Patti LaBelle oder eben Whitney Houston.
Keiner weiß also, wie "How Will I Know" in der Janet-Variante geklungen hätte, was wir aber wissen: Eine solch sprühende reine Energie, wie sie Whitney diesem Song infusioniert, hört man selten. Zudem sind die zehn vorliegenden Songs ein Vorbote zu jener Vielfalt, die ihre späteren Alben kennzeichnen sollte.
Whitney konnte eine kraftvolle Hymne im Stil von Aretha Franklin zum Besten geben, einen lässigen R'n'B-Groove à la Chaka Khan abliefern oder eben einen mitreißenden Pop-Hit schmettern, der es mit Diana Ross aufnehmen könnte. Sie war die Erbin all dieser Diven und die Vorreiterin von Sängerinnen wie Mariah Carey, Christina Aguilera oder Mary J. Blige. Und sie bleibt dank ihrer Diversität und ihrem Diven-Spiel: The Greatest.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.


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