Der neue Sprössling im Epizentrum der urbanen Popkultur ist düster und verwandelt Dancefloors in Darkrooms. Ein Lo-Fi-Rauschen lässt vermuten, wo vor unzähligen Filtergängen einmal Snares und Hi-Hats waren. Die schleppenden,
versch(r)obenen Beats formen den minimalistischen Sound, tiefste Frequenzen fundamentieren das Klangbild.
Um die Jahrtausendwende zwingt sich im Süden Londons der 2Step aus seinem Beat-Korsett. Gegenläufige Drum'n'Bass-Beats, Garage-Sounds und Subbässe werden addiert: Dubstep ist geboren.
Häusliche Soundsysteme sind den wuchtigen Bässen der kompromisslosen Produktionen nicht gewachsen. Der Style wird auf die High-End-Anlagen der Clubs verbannt. Bei Dubstep-Events steht der Sound, die Atmosphäre und vor allem das Community-Feeling im Vordergrund.
Das damals noch unbekannte Label Tempa spielt eine stilbildende Rolle in der Entwicklung des Dubstep. Die Tempa-Veröffentlichungen des Sublabels Horsepower Productions klingen zwar noch vergleichsweise fröhlich, leiten aber dennoch die Ausbildung einer eigenen Szene in die Gänge.
Die Akteure, die meistens kaum älter als zwanzig Jahre sind, lassen sich noch an zwei Händen abzählen, als Skream, der seine ersten Tracks auf einer Playstation produziert, und Benga aufeinander treffen. Sie entschließen sich zum gemeinsamen Versuch, die DJ- und Produzenten-Legende El-B nachzuahmen. Sein mystifiziertes, nie veröffentlichtes Album wird in der Szene verehrt wie kein zweites. Burial beschreibt seinen dunklen 2Step als "letztes großes Geheimnis". Zwar scheitern Skream und Benga nach eigenen Angaben an ihrem El-B-Imitationsversuch, schaffen es aber, den Sound von seinen restlichen Garage-Wurzeln zu lösen und ihn bei Live-Sets unter die Leute zu bringen. Der Grundstein ist gelegt.
Durch Tempas Partyreihe "Forward" kommt der Sound regelmäßig in die Klubs. Durch Kode9, Produzent und Radio-DJ beim Piratensender RinseFM, gelangt Dubstep auch in die Volksempfänger. Mit der Zeit wird das Spektrum an Einflussquellen immer größer. Soundfetzen aus Rock, Metal und Techno tauchen auf, Beatstrukturen werden gesprengt. Der Einfluss von Reggae, Dub und Drum'n'Bass wird sichtbar(er).
2006 berichtet BBC über die Dubstep-Szene. Der Style verbreitet sich daraufhin explosionsartig und spült Leute wie Skrillex sogar in die Popcharts. Auch in Deutschland wächst der Schauplatz über Berlin hinaus und die Musik des "Bass und Raum", wie sie Kode9 definiert, ist nun auch in anderen Städten zu erleben. Digital Mystikz und Loefah organisieren über ihr Label DMZ regelmäßig Dubstep-Nights und erhalten weltweit Referenzen. Durch leistungsfähige Sound-Anlagen erreicht die Musik eine physische Ebene, die Dubstep-Veranstaltungen schnell das Prädikat "wertvoll" verleihen.