21. Juli 2009
"Die deutsche Rap-Szene ist big"
Interview geführt von Matthias von ViereckDie erste Jazzmatazz-Scheibe kam 1993 einem Erweckungserlebnis gleich! Die anfängliche Skepsis – Jazz und Rap? – wich Begeisterung.Allein dieser Großtat wegen hat Rapper Guru einen Platz im Hip Hop-Olymp verdient. Und heute? Betreibt der Herr mit Solar, dem "Super Producer", ein gemeinsames Label (7 Grand Records) und veröffentlicht Platten, die freilich nicht mehr ganz so viel Aufmerksamkeit generieren, wie man das aus vergangenen Tagen kennt.
Dafür ist man unter dem Motto "Jazzmatazz Vol. 4 - Back To The Future" um so fleißiger auf Tour. laut.de trifft Guru vor dessen Auftritt im Astra Kulturhaus, Berlin-Friedrichshain. Eigentlich sollte das Gespräch gegen 16 Uhr beginnen. Doch erst muss der Soundcheck absolviert werden, und der zieht sich …
Dann endlich: ab in den Backstage-Bereich! Dort herrscht wuseliges Durcheinander. Viel Zeit haben wir nicht, Gurus Entourage, darunter auch Solar, schaut ständig auf die Uhr. Der Meister selbst trägt ein grünes Basecap, einen silbernen Glitzergürtel, Sonnenbrille, Sneakers. Das Catering ist auffällig gemüse- und obstlastig. Sogar frische Erdbeeren! Im Kühlschrank steht auch Bier, doch Guru betont, dass er schon lang nix mehr trinkt. Nicht einmal an seinem Ehrentag ...
Happy birthday! Du hast heute Geburtstag, oder?
Ja, das stimmt. Sehr gut. Danke! Ich weiß das zu schätzen.
Da solltest Du eigentlich zu Hause sein und mit Deiner Family feiern!
Ich habe das nie gemacht in all den Jahren. Ich war auch an meinem Geburtstag immer on the road.
Gab es denn schon paar Geschenke heut?
Nein, das Geschenk ist, dass ich heute live hier für die Leute in Berlin performen darf.
(Solar, der während des Gesprächs vor seinem Laptop hockt, wirft irgendetwas Unverständliches in den Raum).
Ich wolle Dich fragen, ob dies gute oder eher schlechte Zeiten für schwarze Musik sind. Gerade wurde ja mit dem Vibe Magazine ein wichtiges Sprachrohr schwarzer Kultur in den USA eingestellt?
Was gerade passiert, ist, dass sich die Dinge ändern. Als Solar und ich mit unserem Label 7 Grand anfingen, haben wir die digitale Technologie umarmt. Wir haben die Zukunft umarmt! Auch für die schwarze Musik birgt das viele großartige Möglichkeiten. Und nun sind wir hier. Ich liebe Berlin. Berlin ist das kulturelle Zentrum von Deutschland.
"Samy und Fanta Vier waren echt Pioniere!"
Hast Du Freunde hier in Berlin, die Du triffst?Dafür ist echt keine Zeit. Wir sind zu busy.
Oder kennst Du irgendwelche Namen aus der Berliner Rap-Szene?
Nein. Ich kenne aber natürlich so Leute wie Samy Deluxe oder die Fantastischen Vier. Die waren echt Pioniere. Those guys are fantastic. Deren Karriere habe ich schon verfolgt.
Hast Du von Leuten wie Sido oder Bushido gehört?
Ja, klar. Wie heißen die noch mal?
Sido und Bushido
Bushido? Ich habe nur den Namen gehört. Die deutsche Rap-Szene ist big! Respekt auch an die Graffiti-Künstler und Turntable Artists, die die Hip Hop-Kultur lebendig gehalten haben. Ich habe gerade außerhalb der Konzerthalle Fotos von den ganzen Graffitis gemacht. Mit meiner Kamera. Das bedeutet mir sehr viel.
Habt Ihr das in New York denn gar nicht mehr?
Doch, das gibt es schon noch. Aber die deutsche Szene hat das auch am Leben gehalten, als die ganze Bling-Ära im Hip Hop losging.
Wo wart Ihr, als Ihr von Michael Jacksons Tod hörtet?
Wir waren in London.
Solar: Wir waren in Tokio!
Guru: Das stimmt, wir waren in Tokio. Wir feiern, was er der Welt gegeben hat: seine brillante Stimme, sein tänzerisches Können und all die großartige Musik. Eine der ersten Platten, die ich gekauft habe, war von den Jackson Five. Großer Respekt an Michael Jackson!
Werdet Ihr heute Abend auch etwas von ihm in Euer Set integrieren?
Das haben wir schon in Japan gemacht.
Solar: Wie viele Fragen sind das denn noch, wir müssen bald aufhören!
"Das Radio wartet!"
Was hältst Du von Künstlern wie Kanye West? Repräsentiert er oder irgendjemand sonst für Dich die Zukunft des HipHop?Es gibt viele gute Künstler, die ihr Ding machen. Ich verbringe meine Zeit aber nicht damit, andere Künstler zu analysieren. Ich beschäftige mich damit, was ich mache und was ich auf den Tisch bringe. (zählt auf, was das Label 7 Grand seit seiner Gründung schon alles raus gebracht hat…)
Seit dem ersten Gang Starr-Album sind unglaubliche 20 Jahre vergangen, seit dem ersten Jazzmatazz-Werk 16 Jahre. Worauf bist Du stolzer?
Es gibt keinen Grund, auf etwas stolzer zu sein. Es ist alles dasselbe. Jazzmatazz geht immer weiter und steht für Kollaborationen mit den größten Musikern und Vokalisten der Welt. Gang Starr steht eher für die rauen, dreckigen Sachen. Man kann das nicht separieren. Es ist alles eins.
Was für eine Zukunft könnte es denn für Jazzmatazz geben. Ihr habt ja von Jazz über Neo-Soul bis Reggae schon so viel abgedeckt. Was kann da noch kommen?
Solar: Alle fragen uns immer nach einer fünften Ausgabe von Jazzmatazz. Mit der vierten Ausgabe haben wir es ja schon geschafft, auch richtige Hip Hop Heads zu begeistern, die bei den ersten drei Ausgaben vielleicht noch nicht dabei waren. Wir haben das Franchise neu belebt.
Ihr kennt ja wahrscheinlich die deutsche Version, Jazzkantine, die stark von Jazzmatazz beeinflusst war?
Guru: Ja, die kenne ich.
Letztes Jahr haben die Swing-, Jazz- und Funkversionen von Metal- und Hardrock-Klassikern raus gebracht. Das wär' doch mal was ...
Solar kennt sich auch mit Rocksachen sehr gut aus. Man weiß also nie, was da noch kommt.
Wie wichtig sind Euch denn europäische Künstler als Einfluss. Du hattest ja immer ein offenes Ohr für diverse Einflüsse?
Selbst jetzt auf der Tour nehmen wir ständig neue Einflüsse auf. Wir haben CDs in allen möglichen Sprachen und aus allen möglichen Ländern dabei, die wir dann auch nach Hause mitnehmen.
Könnt Ihr Namen nennen?
(Jemand ruft: "Wir müssen weiter, das Radio-Interview wartet!")
Okay, eine Sache noch. Jeder, der mit mir und Solar in Kontakt treten möchte: Es gibt die Website, unseren MySpace-Auftritt, Twitter ...
(Guru zählt alle möglichen Web-Adressen auf, alle im Raum lachen).
Vielen Dank für das Gespräch
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