26. April 2000
Ville und Mige plaudern aus dem Nähkästchen
Interview geführt von Alexander CordasWie sieht es mit den neuen Bandmitgliedern aus, haben sie sich gut in den Bandkontext eingelebt?
Mige:
Es ist immer schwer, neue Leute zu integrieren, aber wir sind ja schon einige Zeit auf Tour und haben viele Konzerte gespielt, das hilft. Die Tour lief bislang prima für uns. Wir haben in großen Hallen vor vielen Leuten gespielt. Bis jetzt waren wir in Deutschland, Österreich, in der Schweiz, Luxemburg, Belgien und Holland.
Ville:
Wir haben jetzt einige Tage Ruhe, danach gehen wir nach England, Spanien, Italien und Portugal.
Ihr habt davon gesprochen, dass das neue Album auch im Rest von Europa veröffentlicht wird.
Ville:
Ich glaube die Platte wird in England im Juni veröffentlicht. Es ist ein bisschen merkwürdig. Durch den plötzlichen Erfolg von "Join Me" wurden auf einmal alle Plattenfirmen hellhörig. Wir versuchen die dritte Platte überall gleichzeitig zu veröffentlichen. Das erste Album wurde ja außerhalb von Finnland, Deutschland, Österreich und der Schweiz nirgendwo veröffentlicht und deshalb kennt niemand die Band. Wir fangen dort praktisch noch mal von vorne an, was aber auch seinen Reiz hat.
Wie ist das mit den kleinen kreischenden Mädels, die jetzt überall dort auftauchen, wo Ihr seid. Ist das nicht ein wenig seltsam?
Ville:
Das ist der Fluch der Teeniepresse. Wir dachten aber, dass es wesentlich schlimmer sein würde. Aber unser Publikum hat sich eigentlich gar nicht verändert. Da sind immer noch die gleichen Goth- und Pop-Fans, genauso wie die Rocker oder die Metal-Freaks. Sogar viele ältere finden unsere Musik gut. Aber insgesamt gesehen war es nicht so seltsam. Es ist nicht so schlimm wie wir erwartet hatten.
Ist Euer großer Erfolg nicht gefährlich für Eure Glaubwürdigkeit?
Ville:
Auf was es ankommt ist letztendlich die Musik. Wir haben "Razorblade Romance" gemacht, bevor wir wussten, dass wir auf dem Cover der Bravo sein werden. Wir haben die Platte nicht für spezielle Leute gemacht. Wir wollten einfach nur ein gutes Album machen und damit auf Tour gehen. Es ist ja auch nicht so, dass ich zum Second Hand CD-Laden gehe und meine CDs von den Bands verkaufe, die erfolgreich geworden sind, auf die Musik kommt es an. Madonna schreibt gute Songs und auch Savage Garden haben ein paar verdammt gute Lieder.
Die Metal-Szene könnte man aber als sehr konservativ bezeichnen
Ville:
Ich glaube nicht, dass das heute noch so ist. Die Metal-Szene hat sich ziemlich ausdifferenziert. Ich weiß schon gar nicht mehr, was heute eigentlich noch Metal ist. Da gibt's dieses New-Metal Zeugs wie Limp Bizkit. Das halte ich aber eher für Scheiße als Metal. Für mich ist Metal eher so etwas wie Iron Maiden, W.A.S.P. und der ganze 80er Kram wie Black Sabbath.
Was inspiriert Dich, Deine Texte zu schreiben?
Ville:
Ich versuche einfach meine Idole zu imitieren. Ich habe einfach viele Texte von guten Bands gelesen.
Und was ist der Grund dafür, dass Du Dich so sehr mit diesem Liebe, Tod und Sünde Kram beschäftigst?
Ville:
Die Sachen, in denen das Wort "Death" vorkommt sind sehr alt, so um die drei Jahre. Aber das ist sowieso eher
symbolisch gemeint. Nicht in dem Sinne, dass man sich selbst oder jemanden anderen umbringt. Eher in dem Sinne, dass ich kleine Tode in Beziehungen beschreibe. Als wir die Band gründeten war ich von den Wortspielen der Gothic-Szene beeindruckt und ich habe ziemlich viele Horrorfilme gesehen.
Es ist aber nicht so, dass Du so emotional bist, dass Du über diese Sachen unbedingt schreiben musst?
Ville:
Irgendwie handelt jeder Song, den ich bisher geschrieben habe, von Liebe. Das ist einfach ein Thema, das ich sehr mag. Normalerweise ist es so: je persönlicher die Sachen sind, die du schreibst, desto universeller werden sie. Jeder hat so seine Vorstellungen über Liebe und Liebe ist ja ein großes Wort und bedeutet für jeden etwas anderes und wenn Du so etwas behutsam beschreibst und vieles offen lässt, dann bleibt auch Raum für Interpretationen und das ist sehr wichtig.
Wie sieht es in Finnland aus? Hat Euer Erfolg hier in der finnischen Musikszene etwas verändert?
Mige:
Es gibt viele Musiker in Finnland aber bislang ist noch nicht viel von dort gekommen. Das hängt sicher mit unserer Kultur zusammen. Die Plattenfirmen trauen sich aber auch nicht, Bands ins Ausland zu bringen. Vielleicht sollte man den entsprechenden Leuten nur mal ordentlich in ihre fetten Ärsche treten.
Ville:
Ich habe gehört, dass da jetzt Interesse besteht, finnische Bands, die englisch singen, im Rest von Europa bekannt zu machen und das ist gut für die Szene dort.
Gib doch mal einen kleinen Überblick über die finnische Musikszene, denn hier sind außer den Leningrad Cowboys kaum andere Bands bekannt.
Ville:
Das sind doch alte Fürze und eher Komödianten als richtige Musiker.
Mige:
Es gibt viele Alternative-Bands dort. Die schielen aber nicht ins Ausland, weil sie denken, dass das sowieso nicht passieren wird, dass sie mal raus kommen.
Ville:
Die Finnen sind wahrscheinlich zu verrückt, um normale Sachen zu machen. Es gibt viele Alternative- und Black Metal-Bands und auch viele Künstler, die elektronische Musik machen, die auch in der ganzen Welt bekannt sind, aber ein großer kommerzieller Erfolg war bislang nicht dabei, keine Ahnung, warum.
Mige:
Vielleicht wollen sie einfach nur zu originell sein.
Ville:
Es gibt aber eine ganze Reihe von guten Bands. Die machen eher so Hardrock Sachen oder Stoner Rock wie Kyuss.
Mige, weißt Du, dass es im Internet eine Adresse gibt, wo sie Nacktfotos von Dir veröffentlicht haben?
Mige:
Oh ja, das ist cool. Ich habe mich in einer Dokumentation über HIM so gezeigt.
Ville:
Er war noch nie sonderlich schüchtern. Er ist der Hippie der Band. Er kümmert sich gar nicht darum. Ich wäre gerne so extrovertiert wie er. Die haben diese Dokumentation in der Hauptsendezeit in Finnland gebracht, somit hat jeder fünfte in Finnland seinen Schwanz gesehen.
Mige:
Ja, mein Schwanz ist berühmter als ich es bin.
Hier in Deutschland wurde Eure CD zusammen mit der neuen von Phillip Boa als erste mit einem Kopierschutz versehen. Was sagt Ihr dazu?
Ville:
Das ist schon komisch. Ich habe selbst sehr viele gebrannte CDs weil ich nicht viel Geld hatte, um mir neue zu kaufen. Ich habe in den 80ern auch viele Platten auf Kassetten kopiert und das hat die Musikindustrie in keinster Weise getroffen, es hat einfach die Musik unter die Leute gebracht. Es gibt genug, die sich die CDs kaufen, wenn ein Album rauskommt. Mit dem Originalcover, Bildern und dem ganzen Zeugs. Klar verlieren sie dadurch Geld, wir ja auch, aber mir ist das eigentlich egal. Es ist wichtiger, dass die Leute die Platten haben, dann kommen sie auch zu
Konzerten, wenn ihnen die Musik gefällt. Nicht jeder hat die Kohle, um sich Platten zu kaufen. Mit den Tapes war es doch auch so, dass man sich die Sachen von Freunden kopieren ließ und dann mal reingehört hat, ob einem das gefällt und dann hat man sich das dann auch gekauft.
Mige:
Das ist doch auch eine Art von Promotion, um die Musik unter die Leute zu bringen.
Was macht Ihr eigentlich im Internet?
Ville:
Ich habe mit Computern eigentlich nichts am Hut.
Mige:
Ich mag es, E-Mails zu verschicken. Das ist eine sehr nette Art, zu kommunizieren, speziell auf Tour.
Ville:
Für die Musik ist es ein verdammt guter Weg, ein Album zu gestalten. Zum Beispiel kann man mehrere Covers anbieten, kleine Filmchen einbauen, aber ich selbst mag es lieber, in einem Plattenladen herumzulaufen und ein wenig zu stöbern.
Das Internet wird wohl in Zukunft eine große Rolle beim Vertrieb von Musik spielen.
Mige:
Ja klar, aber man muss es auch kontrollieren können und da frage ich mich wie?
Ville:
Das kann aber auch kompliziert werden, wenn jeder seine Sachen über das Internet vertreibt. Das wird dann schnell ziemlich unübersichtlich. Man braucht dann Jahre, um zu schauen, was wirklich abgeht.
Aber für neue Bands ist es doch eine gute Möglichkeit, sich zu präsentieren.
Ville:
Ja, das stimmt. Aber der beste Weg, sich über Musik zu informieren, ist immer noch, am Freitag in einen Club zu gehen, gute Musik zu hören und Leute zu treffen.
Du hast gemeint, dass Du die Rob Zombie-Remixes magst. War das auch der Grund dafür, dass Ihr mit John Fryer zusammengearbeitet habt?
Ville:
Nein nicht wirklich. Die Plattenfirma hat da einen Typen vorgeschlagen, den ich gar nicht kannte. Wir haben ihn dann in London getroffen und auf einem Zettel stand dann, was er bislang alles gemacht hat. Ich hatte zuerst Bedenken, dass wir zu elektronisch klingen könnten, weil er viel mit Sequenzern arbeitet aber er hat viele verschiedene Sachen gemacht, sogar Weltmusik.
Ist das auch Deine Philosophie von Musik, immer ein offenes Ohr zu haben?
Ville:
Mhh, es ist einfach gut zu wissen, was vor sich geht. Das macht es auch einfacher, gute Riffs zu klauen. Ha ha
Mige:
Aber ein bisschen umändern. Ha ha
Ville:
Mit Fryer, das war ein wirklich glücklicher Umstand, dass wir mit ihm zusammengearbeitet haben. Er ist ein wirklich netter Zeitgenosse und mittlerweile ein guter Freund geworden. Ich würde gerne das nächste Album mit ihm aufnehmen. Im Juli nehmen wir Demos von neuen Songs mit ihm auf.
Ihr habt schon neue Songs geschrieben?
Ville:
Von acht Songs stehen die Riffs, der Chorus und die Melodien aber es gibt noch keine Texte und richtig arrangiert sind die Sachen auch noch nicht. Es gab ja eine große Zeitspanne zwischen dem ersten und dem zweiten Album. "Greatest Love Songs" ist ja in Finnland schon '97 erschienen. Das sind über zweieinhalb Jahre und für einen Künstler ist das ziemlich lang. Du fängst an, dich zu langweilen, wenn Du immer den alten Kram spielst. Wir werden die neuen Sachen im November aufnehmen und im Frühjahr kommt die nächste Platte.
Schon?
Ville:
Ja, dann bleibt die Sache für uns und auch für die Fans interessant. Wir brauchen dazu keine drei Jahre. Wir wollen ein Album so schnell wie möglich aufnehmen. Platten sind ja immer Momentaufnahmen einer Band und deswegen interessiert mich "Razorblade Romance" schon gar nicht mehr. Das war unser Sound vom letzten Jahr.
Dann habt Ihr ja einen richtigen kreativen Lauf.
Ville:
Das haben wir immer. Man ändert sich auch und das hat Auswirkungen auf das, was Du machst. Speziell in der Musik. Wenn ich zum Beispiel traurig bin, hört man das auch. Wir wollen das so machen wie in den 70ern. Album aufnehmen, Promotion machen, auf Tour gehen und wieder ein Album aufnehmen. Wenn man die Sachen schnell macht, gibt einem das die Möglichkeit auch mal ein Scheißalbum zu machen. Wenn du an einer Platte ein ganzes Jahr arbeitest, dann dauert es letztendlich drei, um sie zu veröffentlichen und das erzeugt einen immensen Druck, auch von der Plattenfirma und dann muss man mit einem verdammten Meisterstück rüberrücken, um das zu rechtfertigen. Für uns sind die Aufnahmen immer etwas sehr spontanes. Man denkt zwar vorher immer an die Möglichkeiten, die man hat, aber zum Schluss geht man einfach hin und legt los. Die Songs müssen natürlich zu einem Großteil stehen. Ich halte die Sache gerne kompakt. Man wird ja schizophren, wenn man an einem Ding drei Monate ununterbrochen arbeitet.
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