3. Februar 2005

"Ich wollte die Leidenschaft wieder erlangen"

Interview geführt von

Wenn Latin-Queen Jennifer Lopez Promotermine macht, dann findet das nicht in irgendwelchen Hinterzimmern der Plattenfirma statt, dann darf es auch schon mal Berlins beste Adresse am Pariser Platz sein. Im schnieken Hotel mit den arroganten Türstehern tummeln sich Medienvertreter aus diversen Ländern, und sogar die Leute von der Plattenfirma haben sich was Ordentliches angezogen.

Auch wenn es musikalisch sicherlich größere Heldentaten gibt als ein neues J.Lo-Album, die Dame ist halt doch was Besonderes. Vor allem, wenn sie mal nicht so aufgestylt daherkommt wie in ihren Videos, sondern verhältnismäßig zivil in der großzügigen Interview-Suite auf die Fragenden wartet und trotzdem umwerfend aussieht.

Hallo Jennifer, ich hab mir gerade ein paar Songs von dir anhören können. Ist Latin Wave jetzt endgültig vorbei bei dir?

Ich hatte ja eigentlich immer eine Mischung aus Pop und R'n'B, dazu ein bisschen Latin. Aber während der Aufnahmen für dieses Album habe ich gleichzeitig ein spanischsprachiges Album gemacht. Da ist wohl meine ganze Latin-Energie in diese Platte geflossen. Aber das Album kommt erst später im Jahr raus.

Deine Vorab-Single "Get Right" beginnt mit einem Saxofon-Solo!

(begeistert) Ja!

Ich finde, es klingt ein wenig befremdlich.

Gefällt es dir nicht? Ich liebe es. Es hat einen freshen Sound, und wird hoffentlich die Leute zum Tanzen bringen. Ich liebe Rich Harrisons Produktionen. Sie sind simpel und doch kompliziert. Auf diesem Album habe ich versucht, was Neues zu machen, abseits vom alten Pop-R'n'B-Schema. Ein bisschen mehr Energie reinzubringen. Ich habe viel James Brown und alte Soul- und Funkplatten gehört, und das, was einen wirklich bewegt, sind die Bläser und die Drumsounds. Diese Elemente wollte ich in meine Songs einzubauen. Ich finde, das Ergebnis ist hübsch geworden.

Warum nennst du dein neues Album "Rebirth"?

Ich habe mir vor diesem Album das erste Mal in meiner Musikerkarriere eine Auszeit gegönnt. Die ersten drei Platten kamen direkt hintereinander, und dazwischen standen noch Dreharbeiten an. Ich hatte also nie Zeit, mal ein wenig zu chillen und mich zu entspannen. Also habe ich mir sechs, sieben Monate frei genommen. Dann erst bin ich für dieses Album ins Studio gegangen. Es fühlte sich an, als würde ich meine erste Platte machen. Ich fühlte mich sehr fit und jung. Ich wollte diese Leidenschaft wieder erlangen. Daher der Name "Rebirth".

Bedeutet "Rebirth" denn auch, dass wir eine ganz neue Jennifer sehen werden, mit einem neuen Image?

Ich fühle mich, als hätte ich einen Wachstumsschub gehabt. Zumindest auf der musikalischen Seite. In gewisser Hinsicht also, ja. Die ersten drei Alben sehe ich als Phase eins an, dieses hier als den Beginn von Phase zwei. Ich bringe meine Erfahrungen von den ersten Alben ein. Darum heißt es ja auch "Rebirth" und nicht "Birth".

Gibt es denn ein bestimmtes Leben, das du hinter dir gelassen hast?

Nein, so tiefgehend würde ich das nicht sehen. Als ich mich mit meinem Produzent Corey zusammengesetzt habe, stellten wir fest, dass wir dasselbe Konzept für dieses Album haben. Er sagte zu mir: "Wir sollten diese Platte angehen, als wäre sie deine erste. Als wärst du völlig unbekannt." Wir haben uns viel Gedanken gemacht um das Material, das wir verwendet haben. Es sollte etwas Spezielles werden. Jeder Song ist etwas Besonderes, jeder Song steht für sich selbst und ist einzigartig.

Du arbeitest ja auch mit Timbaland, dem Hip Hop-Produzenten, zusammen. Wie läuft das, kommen die Produzenten auf dich zu, oder gehst du zu ihnen?

Das ist unterschiedlich. Ich wähle sie nicht wirklich aus. Es geht ja um die Songs. Ich sage nicht, mit dem und dem will ich unbedingt was machen. So funktioniert das nicht. Man muss einen Song haben, an den man glaubt. Denn es ist immer eine Reflektion dessen, was du bist. Manche Produzenten treffen den Nagel auf den Kopf, andere wiederum nicht. Es geht um den Vibe, und der ist bei jedem Künstler und bei jedem Produzenten anders.

Wie ist denn dann der Timbaland-Song? Sehr hiphoppig?

Es ist eine Ballade, aber es hat einen Beat. Ein großartiger Song. Er heißt "He'll Be Back", und ich wünschte, ich könnte ein Video dazu drehen.

Wie groß ist eigentlich der Druck, wenn man schon über 25 Millionen Alben verkauft hat? Denkst du dir: "Ich muss so und so viele Alben verkaufen, um mich selbst zufrieden zu stellen?"

Nein. Neinneinneinneinnein. Wenn man fertig ist mit einem Album, oder auch mit einem Film, muss man sich davon losmachen. Nachdem man fertig ist, ist es aus deinen Händen. Verkaufszahlen können nicht der Maßstab für deinen Erfolg sein. Ich wüsste, dass ich versagt hätte, wenn ich mir eingestehen müsste, dass ich nicht alles gegeben habe.

Aber du guckst schon auf die Charts!

Das machen die da! (zeigt auf die Promoterin und Ehemann Marc Anthony, die sich in der Ecke lümmeln) Sie sagen mir Bescheid, wenn irgendwas Wichtiges passiert.

Wie bleibst du du selbst?

Das ist schwer. Man muss seinen Wert in etwas anderem finden als in der Musik oder im Schauspielen. Ich habe das zum Glück früh gelernt. Wenn ein Album fertig ist, kann man sowieso nichts mehr dran machen, außer zu hoffen, dass es den Leuten gefällt. Das Gefühl, sagen zu können: "Das ist gut, ich habe hier etwas Gutes geleistet", dieses Gefühl ist so viel mehr wert als irgendwelche Verkaufszahlen. Das meine ich wirklich so. Es geht mir darum, Singen und Schauspielern zu können. Um die Tätigkeit selbst, und nicht das Verkaufen von Alben.

Wie sieht es mit einer Tour aus?

Ich bin noch nie getourt. Das liegt daran, dass ich zwischendurch immer noch Filme gedreht habe. Pro Film muss man so drei, vier Monate einrechnen, und wenn ich zwei Filme und ein Album im Jahr mache, bin ich ausgebucht. Ich würde es aber wirklich gerne mal machen. Ein paar mal gab es auch schon Pläne dafür, in Puerto Rico hab ich mal zwei Konzerte fürs Fernsehen gespielt. Das hat mich fast umgebracht! (lacht) Aber ich möchte touren, hoffentlich klappt es dieses Jahr.

Kommst du dann auch nach Europa?

Nein, wir fangen mal mit den USA an. Hey, ich habe das noch nie gemacht, ich muss langsam anfangen. Bei einem Foto-Shooting habe ich mal Gwen Stefani und Alicia Keys getroffen, die haben zu mir gesagt: "Du hast es gut, du musst nicht touren! Du machst nebenbei Filme, das ist unfair!" Als ich ihnen antwortete, dass ich schon gerne touren wollte, meinten sie, ich solle es bloß bleiben lassen. Es muss sehr hart sein.

Würdest du denn sagen, dass deine Musikkarriere mittlerweile größer ist als deine Filmkarriere?

Nein, nicht wirklich. Ich entscheide mich immer nach dem Bauch. Wenn ein Film gut klingt, mache ich ihn. Ich hatte viel Glück mit meinen Filmen, naja, nicht alle waren so gut. Und dann habe ich halt noch ein paar gute Alben gemacht. Ich hoffe, das bleibt so. Es ist, wie es ist. Ich befasse mich damit nicht allzu sehr, ich sehe es einfach so, dass ich viel Glück hatte.

Wie suchst du denn deine Filme aus? Nach welchen Kriterien gehst du vor?

Das ist wie mit einem Song, man muss mit dem vorhandenen Material arbeiten können. Es muss ein gutes Skript haben und fordernd sein. Das habe ich gelernt. An so etwas denkt man nicht, wenn man am Anfang einer Karriere steht. Als junge Schauspielerin macht man alles, was sie einem anbieten. Wenn man in der Position ist, sich die Rollen aussuchen zu können, lernt man schnell, dass man vorsichtig sein muss. Manchmal ist alles super, alles stimmt, die Schauspieler, der Regisseur, alles. Und trotzdem ist es Mist. Es muss mich in den Bann ziehen und mich auch ein wenig gruseln.

Nenne mir bitte einen Rapper, mit dem du gerne gearbeitet hast und einen Schauspieler!

(Ohne zu überlegen) Es war großartig, mit LL Cool J zu arbeiten. Er ist so professionell. Man kann verstehen, warum er schon so lange so gut im Geschäft ist. Wir haben eine ganz ähnliche Arbeitsethik. Das hat mir gezeigt, dass ich etwas richtig mache. Wir haben großen Respekt füreinander. Die Chemie hat auch gestimmt. Er ist ein Super-Songschreiber, ist pünktlich, macht seinen Part. - Schauspieler, da muss ich überlegen. (überlegt wirklich lange) Die Crew von "U-Turn" mit Sean Penn, Nick Nolte, Billy Bob Thornton und Oliver Stone war sehr interessant. Alle waren sehr ungewöhnliche Typen. Das hat Spaß gemacht.

In Filmen gibt es ja auch so sexuelle Untertöne. Ist das anders als in der Musik?

Sexuell würde ich das nicht nennen, aber es gibt da so eine besondere Chemie, das stimmt. Das ist anders als in der Musik, ja. Man kann das schlecht definieren. Der Film lebt von dieser Chemie zwischen den Darstellern.

Pünktlich nach Ablauf der Zeit geht an dieser Stelle leider die Promoterin dazwischen, gerade, als es interessant wird ...

Das Interview führte Mathias Möller

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