18. Januar 2005
"Es geht um jedermanns Zukunft ..."
Interview geführt vonAlles an dieser Band strahlt Freundlichkeit aus. Die Musik, ihre Live-Auftritte, sogar ihre Videos scheinen zu sagen: Hey Mama, ich bin dein Schwiegersohn! Und du wirst mich mögen! Kein Grund also, sich vor zickigen oder einfach nur schlecht gelaunten Künstler-Egos zu fürchten. In der Tat sind Basser Rick Burch und Gitarrero Tom Linton auch während der nervenzehrenden Promotrips die Strahlemänner vom Dienst. Und servicebewusst sind sie auch noch!
Rick: Check! Check! Ich heiße Rick. Los, sag deinen Namen!
Tom: Soll ich echt? Ich bin Tom, spiele Gitarre und bin 29. Aus Phoenix, Arizona.
Rick: ... und ich fahre gern Wasserski!
War es ein guter Sommer zum Wasserskifahren?
Tom: Ja. Es war ein verdammt heißer Sommer. Wir leben ja immer noch in Phoenix.
Kann man da denn Wassersport betreiben?
Tom: Klar! Ich war ein paar Mal Wakeboarden. Mit meinem Bruder. Ein Freund von ihm hat einen kleinen See.
Mich wundert, dass ihr Zeit für so was habt!
Rick: Den Großteil der Zeit haben wir schon im Studio verbracht. Die Drums haben wir in den Cello Studios in L.A. aufgenommen. Das hat ca. drei Wochen gedauert. Als wir fertig waren, sind wir nach Tucson, Arizona umgezogen und haben da die Gitarren und die Vocals aufgenommen. Danach sind wir in unser eigenes kleines Studio in Tempe, Arizona, gegangen und haben da noch ein paar mehr Vocals aufgenommen. Nur um es abzurunden.
Warum der Aufwand? Wegen des Sounds, oder wegen der Tontechniker?
Rick: Wir wollten die Drums in diesem Studio in L.A. aufnehmen, weil es gut klingende Räumlichkeiten hat. Das Studio in Tucson dagegen liegt weit draußen, ein bisschen von der Außenwelt abgeschnitten. Es ist billiger, und wir können uns mehr auf unsere Arbeit konzentrieren.
Das klingt ja ziemlich perfektionistisch.
Tom: Ja, wir experimentieren schon sehr viel. Ob das jetzt ein bestimmter Gitarren-Sound ist oder Keyboards.
Rick: Wir halten viele Ideen fest, und nehmen am Ende beim Mischen dann die, die am besten passt. Das nimmt viel Zeit in Anspruch.
Dann seid ihr ja quasi zweimal im Studio. Einmal für die Aufnahmen und dann noch mal, um alles zusammenzustellen.
Tom: Genau. Abgemischt haben wir das Ganze dann wieder in L.A. Das hat etwa einen Monat gedauert.
Freut man sich mehr über das fertige Album, wenn es so lange dauert, bis man alles zusammen hat?
Tom: Ja, es ist schon spannend, den Weg von den ersten Demos bis zum fertigen Album mitzuverfolgen. Es ist ein langer Weg.
"Clarity" war ja so etwas wie euer Balladen-Album, dann kam mit "Bleed American" eine etwas rockigere Platte, und jetzt: "Futures". Das klingt wie eine Mischung aus den beiden davor. Seht ihr einen Fortschritt von den beiden vorherigen Platten zu "Futures"? Einer, der sich dem Hörer vielleicht nicht sofort erschließt?
Rick: Die ruhigen Sachen sind wie die "Clarity"-Songs, nur doppelt so ruhig, und die rockigen Stücke sind wie die "Bleed American"-Rocker, nur doppelt so rockig. More Rock! Es passiert mehr. Ein Fortschritt in beide Richtung.
Tom: Aber "Clarity" hatte doch auch Rocksongs. "Your New Aesthetic" zum Beispielt. Das rockt ganz schön.
Rick: Aber "Futures" ist gut ausbalanciert, würde ich sagen.
Hat man so was im Kopf, wenn man ins Studio geht?
Tom: Nein. Wir hatten ca. dreißig Songs, als wir ins Studio gegangen sind und haben uns die besten ausgesucht. Wir denken da nicht: "Wir brauchen zwei Balladen, und zwei Rock-Songs." Wir nehmen nur die besten.
Was habt ihr denn sonst so in den letzten drei Jahren getrieben?
Rick: Wir haben zweieinhalb Jahre davon getourt.
Tom: Weil "Bleed American" so populär war. Wir haben so viel Airplay bekommen, also mussten wir auch viel touren. Als wir nach Hause gekommen sind, ging es direkt wieder ins Studio.
Rick: Und dann hat es ein gutes Jahr gedauert, bis dieses Album fertig war.
Es heißt "Futures". Wofür steht das, was bedeutet euch der Titel?
Rick: Jedermanns Zukunft. Darum geht es. Es hat nicht wirklich einen tiefere Bedeutung.
Tom: Einer der Songs heißt so, also dachten wir, es wäre das Rock'n'Roll-Ding, es einfach "Futures" zu nennen.
Wie bei "Bleed American". Der erste Song auf dem Album stellt den Albumtitel.
Tom: Es scheint zu funktionieren. Und es ist ein einfaches Prinzip! (lacht)
Rick: Außerdem hat es einen positiven Klang.
Positivismus ist etwas, was mir sofort einfällt, wenn ich an Jimmy Eat World und eure Musik denke. Woher nehmt ihr diese positive Grundeinstellung?
Tom: Das kann alles sein: Beziehungen, alles einfach.
Rick: Diese Einstellung hilft uns auch weiter.
Tom: Wir haben so viel durchgemacht mit unseren Labels. Und es stimmt: es wird immer besser.
Rick: Manchmal sind wir auch depressiv!
Andere Künstler schreiben dann darüber Songs!
Rick: Ja, und das ist gut! Das ist real!
Und ihr seid das genaue Gegenteil davon. Ihr seid nie düster und depressiv. Zumindest nicht in euren Songs.
Rick: Ich denke schon, dass wir das sind. Allerdings versuchen wir immer, einen Schritt weiter zu sehen. Das macht es auch für uns leichter.
Bekommt ihr denn manchmal Feedback von Fans, die euch sagen, dass ihnen eure Musik geholfen hat?
Rick: Manchmal kommen Kids nach einer Show zu uns und erzählen uns davon. Von ihren Freundinnen und dem Stress, den sie mit ihr hatten. So was ist cool, zu wissen, dass man da helfen kann.
Auf "Futures" sind ja auch einige Songs, die sehr persönlich sind, so wie "Jen" oder "Drugs Or Me". Gab es wirklich diese Begebenheiten in euren Leben?
Rick: Oh, da musst du Jim fragen, der schreibt seine Lyrics selbst.
Tom: Wenn ich mir "Drugs Or Me" anhöre, solche Erfahrungen hab ich auch schon gemacht. Es geht um Leute, die versuchen, von Drogen los zu kommen. So was kann sehr frustrierend sein. Du möchtest ihnen helfen, aber du kannst nicht viel tun.
Rick: Ich glaube aber nicht, dass Jim dir etwas verraten wird. Er redet nicht so gerne über seine Lyrics. Er will keine Interpretationsanleitung zu seinen Songs geben. Jeder kann diese Texte auf eine andere Art und Weise lesen.
Lasst uns noch mal über diesen Positivismus reden, den eure Musik ausstrahlt. Findet ihr es schwer, in solchen Zeiten stets positiv zu sein?
Tom: Naja, wenn du aufgibst, ist alles vorbei. You gotta believe! Das ist aus einem alten Playstation-Spiel.
Ihr seid aktiv in der Organisation "One". Was steckt dahinter?
Rick: Wir wollen etwas verändern. Es geht darum, die Armut und AIDS in Afrika zu bekämpfen. Jeder einzelne kann etwas dazu beitragen.
Was tragt ihr dazu bei?
Rick: Wir werben für die Organisation auf unserer Website.
Tom: Und wir haben für sie eine Show in Michigan gespielt. Wir machen auf sie und auf ihr Anliegen aufmerksam.
Rick: Es besteht dieses Problem, und wir haben das Gefühl, dass wir da was bewegen können.
Das ist interessant, denn in der Regel kümmern sich amerikanische Künstler doch eher um Projekte im eigenen Land. Ihr jedoch kümmert euch um einen Kontinent, der vom Rest der Welt vernachlässigt wird.
Rick: Wir wollen eine globale Perspektive behalten. Manchmal ist das schwer in den USA, die Medien filtern solche Dinge gerne raus. Man muss sich richtig dahinterklemmen, wenn man etwas über die tatsächlichen Zustände erfahren möchte.
Tom: Und da passiert so viel!
Wo? In den USA, oder in Afrika?
Rick: In Afrika!
Tom: In den USA!
Wie reagieren eure Fans auf euer Engagement?
Rick: Oh, erfreulich gut. Ein großer Teil der Besucher auf theonecampaign.org, der Website der Organisation, kommt direkt von unserer Page. Das ist cool, wenn die Leute den Link checken!
"Bleed American" war ja nicht nur ein Song, der sehr kritisch mit den Lebensweisen in Amerika umgeht, sondern auch ein sehr ausdrucksstarker Albumtitel. Hat es euch sehr weh getan, das Album nach 9/11 umzubenennen?
Rick: Nein, nicht wirklich. Nachdem das passiert ist, war klar, dass "Bleed American" in diesem Zusammenhang böse Reaktionen hervorrufen könnte. Aus Respekt vor den Leuten, die von 9/11 direkt betroffen waren, haben wir diese beiden Worte vom Cover genommen.
Das muss ein komisches Gefühl sein, die Gewissheit zu bekommen, "ok, dieser Titel könnte problematisch sein".
Tom: Oh ja. Auf jeden Fall! Aber es war unsere Idee, und die Plattenfirma war - natürlich - einverstanden.
Rick: Wir haben natürlich keine Rückrufaktionen gestartet, aber die nächste Pressung war dann nur noch "Jimmy Eat World" betitelt.
Ihr seid ja so etwas wie die Darlings der Plattenkritiker, zumindest hier in Deutschland. Wovor habt ihr mehr Respekt: vor den Erwartungen der Fans oder vor den Erwartungen der Kritiker?
Rick: Wir versuchen immer, das Bestmögliche aufzunehmen und rauszubringen. Die Leute sollen sich dann ihre Meinung bilden, und diese Meinungen respektieren wir.
Tom: Obwohl wir schon hoffen, dass sie unsere Songs mögen.
Rick: Ja, aber es kümmert uns nicht so sehr. Wenn wir alles lesen würden, was über unsere Musik geschrieben wird, das wäre zu viel. Sicher wird es auch mal schlechte Reviews geben.
Also ich habe noch keine gelesen.
Tom: Klar gibt es auch schlechte Kritiken.
Rick: Jetzt machst du mir gerade ein bisschen Angst! (lacht)
Das Interview führte Mathias Möller
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