laut.de-Biographie
Katseye
Wenn man an der Spitze der Welt ist, kann man wilde Projekte anregen und kommt wahrscheinlich sogar noch damit durch. Diesen Gedanken hatte wohl der Chef des BTS-Labels HYBE, als er Anfang der Zwanziger-Jahre darüber nachdachte, wie er das neueste Wettrüsten in der K-Pop-Industrie für sich entscheiden könnte. Denn zu der Zeit ging ein neuer Virus in den großen Labels des Genres um. Nachdem nach vielen Jahren K-Pop-Boom der lokale Markt zumindest temporäre Zeichen der Sättigung andeutete, galt es, neue Märkte zu erschließen. Alle großen Labels teilten plötzlich den Traum der globalen Idol-Gruppe.
JYP, SM und HYBE gingen alle mit unterschiedlichen Herangehensweisen auf den Weg, dieses neue Wettrüsten für sich zu entscheiden. Und genau wie JYP mit ihrer globalen Gruppe VCHA entscheiden auch HYBE sich für eine Castingshow. Aus 200.000 Einsendungen schmieden sie mit verschiedenen Performance-Missionen 2023 in der Reality-Show Dream Academy ihren Kader.
Fast alle der sechs Mitglieder haben schon ein paar interessante Erfahrungen auf dem Kerbholz: Sophie, eine Amerikanerin mit philippinischen Wurzeln, ist als Tochter einer berühmten nationalen Musical-Darstellerin schon öfter im Fernsehen ihrer Heimat zu sehen gewesen. Manon ist Tochter von Eltern aus der Schweiz und Ghana, hat vor Katseye als Model gearbeitet und eine kleine Fangemeinde auf TikTok versammelt. Daniela hat italienisch-venezuelanisch-kubanische-amerikanische Wurzeln und Erfolge in mehreren amerikanischen Tanz-Formaten aufzuweisen.
Lara ist Kind von tamilischen Eltern aus Indien und Sri Lanka, die nach LA ausgewandert sind. Sie teilte schon als Sängerin für ein Projekt die Bühne mit Michelle Obama. Megan hat Wurzeln in Schweden, Singapur, China und den Staaten und ist in Honolulu geboren, wo sie von frühesten Kindesbeinen professionell als Tänzerin trainiert wird. Die Koreanerin Yoonchae schließt das Line-Up mit einer eher klassischen K-Pop-Ausbildung ab.
Es ist also überhaupt nicht schwer, die Faszination an dieser Gruppe zu sehen. Das sind schon alles einfach Charaktere - nicht nur, weil sie gefühlt alle Nationalitäten wie Panini-Sticker sammeln, sondern auch, weil jede einzelne von ihnen schon vor dem Debüt an der Biographie eines Stars geschrieben hat.
Trotzdem läuft es für Katseye gar nicht so einfach an. Zusammen mit Ryan Tedder erarbeiten sie ihr Debüt, sinngemäß "Debut" genannt, aber die erste Rezeption läuft schleppend. Man merkt, dass die Szene noch nicht so recht weiß, was sie mit der Gruppe eigentlich anfangen will. VCHA, die zeitgleich auflaufen, gehen relativ schnell in Flammen auf, Katseye kämpft dagegen eher mit dem Desinteresse. Es ist nicht so, als würden nicht direkt ein paar Leute den Wert in ihrer ersten EP "SIS (Soft Is Strong)" erkennen, aber die große Reaktion bleibt zuerst aus.
Zum Glück haben sie noch einen Trumpf in der Hinterhand: Stumpfen, aggressiven Schockfaktor. "Gnarly" ist 2025 die Nummer, die Katseye in aller Munde bringt. Der Hyperpop-Track ist bold, geschmacklos, ein bisschen dämlich und absolut nicht aus dem Kopf zu kriegen. Es braucht gefühlt sieben Tage, bis die initiale Hatewelle ins Gegenteil umschlägt. Der Track chartet in den Billboard-Charts, bekommt einen Remix von Ice Spice und holt auch ihre zweite EP "Beautiful Chaos" ordentlich nach vorne. Gerade in einem Jahr, in dem die K-Pop-Welt von einem Rassismus-Skandal nach dem anderen erschüttert wird, scheinen Katseye auf einmal plötzlich wie ein guter Kompromiss.
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