laut.de-Kritik
Der Reiz der Platte liegt im Unscheinbaren.
Review von David HutzelUnbeholfen und isoliert steht er da, die Gitarre schützend vor sich haltend, die langen Haare fallen ihm ins Gesicht. Einzig der Mikrofonständer dringt als Antenne zu ihm durch. Kurt Vile hat sich diesen märchenhaften Stil zu eigen gemacht: Beinah blass anmutendes Gitarrenpicking unterlegt seine nuschelnden Monologe. Diese Unaufdringlichkeit macht "B'lieve I'm Goin Down..." zu einer der besten Folk-Platten des Jahres.
Griffige Riffs bietet der Songwriter aus Philadelphia auf seinem neuesten Werk nur wenige an. Stattdessen setzt Vile mit seinem Gesang geschickt die repetitiven, minimalistischen Gitarrenmuster in Szene : "I Woke up this morning / Didn't recognize the man in the mirror / Then I laughed and I said, 'Oh silly me, that's just me'", gibt Vile seine eigenwillig intonierten Worte in "Pretty Pimpin" dem elektronischen Hall preis. Die bildhafte Sprache Viles, sein monotoner Gesang und seine dezente Gitarre verleihen dem Stück den Charme einer prosaischen Erzählung.
Nun muss man nicht krampfhaft versuchen, Viles nuschelnden Gesang zu entschlüsseln, um "B'lieve I'm Goin Down..." etwas abzugewinnen: Der Ex-War On Drugs-Gitarrist bewegt sich wieder in folkigen Gefilden, macht mal den Springsteen oder schnappt sich ein Banjo und driftet in Richtung Americana-Sound ab. Im Vergleich zum letzten Album steht das Klavier in einigen der zwölf Songs deutlich im Vordergrund.
Bei "Life Like This" drückt sich eine schroffe Lead-Gitarre zwischen das melodische Klimpern der Akkorde, "Lost My Head There" endet als vom Piano getragene Tanz-Nummer. Einzig sein melancholisches Fingerpicking lässt Vile dann kurz an seine Grenzen stoßen, wenn er sich in Songs wie "All In A Daze Work" oder "Stand Inside" selbst wiederholt. Zumindest "Wheelhouse" versöhnt hier mit einem ausgedehnten Instrumental-Outro und damit einhergehendem psychedelischen Warpaint-Moment (deren Drummerin Stella Mozgawa die Platte übrigens mit eingespielt hat).
"B'lieve I'm Goin Down..." ist ein Meisterwerk der Subtilität – und trotzdem finden diese Melodien ihren Weg ins Ohr. Denn der Reiz der Platte liegt im Unscheinbaren. Als falle man unbemerkt in den Schlaf, während man einer Gutenachtgeschichte lauscht: Am nächsten Morgen erinnert man sich doch an jedes Wort, jedes Luftholen, jede Kunstpause.
2 Kommentare
Pretty pimpin fand ich schon klasse, mal gucken was die platte noch zu bieten hat
Für mich eine der Platten 2015. Bringt mich abends total runter.