20. Februar 2013
"Die Auto-Werbung war eine Ehre"
Interview geführt von Andreas BachmannMit "Gladys" hat Leslie Clio ein bemerkenswertes Stück Soulpop veröffentlicht, das so aus deutschen Landen eher selten kommt. Wir trafen die gebürtige Hamburgerin während einer kurzen Stippvisite in einem Lokal in ihrer Wahlheimat.Zum Einstieg ins Gespräch legt Leslie erstmal ihre Beine auf dem niedrigen Tisch des Muschi Obermeier ab und fragt: "Ich darf doch, oder?" So redet es sich gleich viel leichter über die eigene musikalische Identität, das Debütalbum und darüber, wie sie ihren musikalischen Partner Nikolai Potthoff kennenlernte: Morgens, im Nachthemd, mit zersausten Haaren. Eines stellt sie klar, bevor man fragt: "Ja, ich heiße wirklich Leslie Clio."
"Jetzt nur nicht zu clever erscheinen", heißt es gleich im ersten Satz der von deiner Plattenfirma herausgegeben Biografie quasi als Warnung an dich selbst. Das fand ich bemerkenswert. Ist clever zu sein nicht mehr cool, oder was?
Leslie Clio: Hm, heißt das, dass ich mich dumm stellen soll? Oh mein Gott. Heißt es das eigentlich?
Weiß ich nicht, deshalb frag ich ja. Oder musste das rein, weil zwischen den Zuschreibungen "sieht gut aus", "hat eine Stimme" und "schreibt die Texte selber" noch irgendetwas stehen sollte à la "Aber keine Panik, perfekt ist sie nicht"?
Ich weiß es auch nicht. Witzig, witzig. Das stammt aus meiner Biografie, die Lars Brinkmann geschrieben hat. Er hat darin den Vergleich mit Dusty Springfield gezogen: Dass sich Springfield innerhalb des ganzen Blue-Eyed-Soul und Northern Soul zu ihrer Zeit nicht für alles die Credits geholt hat. Sprich: Sie war nach außen immer nur die Sängerin, die aber an allem beteiligt war.
Das hat er einfach auf mich gepolt: Dass ich eben jetzt nicht raushängen lasse, dass ich hier alles in der Hand hab und so geil bin. Aber ich selbst habe mit diesem Gedanken gar nichts zu tun und stehe zu dem, was ich mache. Ich habe auch meine Meinung und sage nicht "Weiß ich nicht!", wenn ich's weiß.
Wann immer deine Musik vorgestellt wird, sind die Quervergleiche nicht weit: Angefangen bei Duffy über Adele, Amy Winehouse oder Joss Stone, mit der du ja auch bald auf Tour gehen sollst.
Ich gehe nicht mit Joss Stone auf Tour.
Aber davon war doch immer die Rede?
Ja, Ente, Ente, Ente.
Okay, dann eben nicht. Das sind ja nicht zufällig alles internationale Künstlerinnen. Aus Deutschland gibt es offenbar einfach keinen Soulpop, der haften bleibt. Und jetzt kommst du.
Meine Wurzeln sind ja auch international. Ich habe mit deutscher Musik gar nichts am Hut, beziehungsweise gibt's da auch gar nicht so viel zu hören. Ich habe viel alten Soul gehört, Motown, die ganzen Sachen, Sam Cooke, Marvin Gaye, Marvelettes, afrikanische Sachen, das ist alles Englisch.
Dennoch hast du dich für dein Album "Gladys" mit Nikolai Potthoff zusammengetan, der vor allem als Bassist der Hamburger Band Tomte bekannt ist. Kannst du dich an euer erstes Zusammentreffen erinnern?
Da kam ich gerade im Nachthemd gekleidet aus dem Schlafzimmer, weil ich bei seiner Freundin übernachtet hatte. Morgens mit zersausten Haaren beim Frühstück: So haben wir uns kennengelernt und waren uns sofort sympathisch. Er kannte meine Musik schon, weil die Freundin ihm auch etwas von mir vorgespielt hatte. Alte Aufnahmen, in die er sich sofort verliebt hat. Er hat mich in sein Studio eingeladen und mir dort das Instrumental von "Told You So" vorgespielt. Das lag da noch so rum, oder besser: eine Grundidee davon.
Ich habe einen Text drauf geschrieben und eingesungen, dann haben wir das noch ein wenig verfeinert und es war fertig. Wir haben uns angeguckt und waren längst musikalisch verliebt ineinander. Von da an wussten wir, dass wir die gleiche Sprache sprechen und genau das sind, worauf der jeweils andere gewartet hat: Er wollte schon immer mal so eine Platte produzieren und sich dabei austoben und ich wollte jemanden haben, der mich musikalisch versteht.
"Man muss nicht todunglücklich sein, um über Gefühle zu schreiben"
Der Weg, den ihr dann beschlossen habt zu gehen, war, ein komplettes Album einzuspielen, ohne zu wissen, ob es euch jemand abkaufen möchte. Großes Wagnis, oder?Ja, aber ich hab nicht viel darüber nachgedacht. Ich hatte einfach Bock, jetzt mal meine Platte zu machen, weil ich das schon immer machen wollte. Mir war natürlich nicht klar, was da kommt und ob da was kommt. Ist immer gesund so etwas: Also nicht im Vorhinein daran zu denken, was man im Nachhinein darüber sagen kann, was man sich dabei gedacht hat und auf diese Art von vornherein daran zu arbeiten. Das ist ein bisschen hinderlich.
Euer Album wurde ja dann so wie es war komplett von Universal gekauft und jetzt auch so veröffentlicht. Gab es da wirklich gar keine Nachbereitung und Beeinflussung vonseiten des großen Labels?
Nein. Als wir den Vertrag hatten, wussten wir, dass wir das Geld haben, das Album im Abbey Road Studio noch einmal mischen zu lassen. Das haben wir dann gemacht. Aber ansonsten war es fertig.
Diese "Alles kann, nichts muss"-Einstellung hast du auch in früheren Gesprächen immer wieder betont. Wann kam denn der Punkt, an dem du gespürt hast, dass das mit der Musik wirklich was werden könnte?
Im ersten Jahr in Berlin habe ich nur so rumgeguckt: Socialising, networking, überall mal in Studios vorbeischauen. Das hat für mich aber alles nicht gepasst. Ich war dann auch ein bisschen entmutigt und hatte keine Lust mehr, weil ich eben zu Potte kommen wollte. Ich dachte mir: Mach ich das jetzt doch nicht und was mache ich jetzt? Und dann habe ich im richtigen Moment nach einem Jahr Nico kennengelernt und er war der Anker für mich. Ich bin also nicht zu Potte gekommen, ich bin zu Potthoff gekommen.
Du bist viel herumgereist, hast viele verschiedene Jobs gehabt. Über deine Heimat Hamburg hast du nie viel gesagt, außer: Ja, da komm ich halt her. Keine besondere emotionale Bindung für dich?
Nö. Ich meine, die Pubertät bringt ja auch sehr viel Verwirrung mit sich. Man weiß nicht, wo man steht und das verbinde ich mit Hamburg natürlich auch: Sehr viel Orientierungslosigkeit und rumlungern. Das hängt eben auch damit zusammen und das wollte ich hinter mir lassen.
Du hast bei früheren Gelegenheiten auch von einem Wandel gesprochen, der im Zuge dessen bei dir selbst eingesetzt hat. Früher hättest du vieles in dich reingefressen, was dich störte, heute sagst du das direkt heraus. Das merkt man ja auch an deinen Texten. Sind die auch ein Stück Verarbeitung und von welcher Zeit genau?
Ja, aber es ist jetzt aber nicht jedes Lied eine Abrechnung mit irgendwas, oder jedes Lied eine Geschichte. Machmal ist es auch einfach nur das Lied. Es geht mir ja auch um Sprache und Lyrik. Man muss nicht todunglücklich sein, um sich in Gefühle hineinzuversetzen und über Gefühle zu schreiben und die auszuformulieren. Das ist wie beim Schauspiel. Da versetzt du dich auch in Dinge, die du kennst und die du mal erlebt hast. Die musst du aber nicht in diesem Moment fühlen.
"Destiny's Child habe ich geliebt"
Die dazu passende Soulstimme hast du dir selber beigebracht. Wie kann man sich das vorstellen?Learning by doing. Da hat mein Herz dann geschlagen, das war einfach so ein magischer Moment. Als Lauryn Hills Album "The Miseducation Of Lauryn Hill" erschienen ist, war ich elf, zwölf Jahre alt und ich dachte: Woah! Das war der Beginn einer wirklich intensiven Musikleidenschaft. Ich war schon immer sehr musikaffin, hab viel gesungen, auch zuhause.
Aber das war so ein Entdecken für sich: In Plattenläden gehen und alles anhören und sich zuhause hinsetzen und Musik hören. Andere gehen Fußballspielen, ich hab einfach Soul, Blues und Jazz für mich entdeckt.
Dabei war Lauryn Hill als zeitgenössische Künstlerin aber eine Ausnahme für dich, oder? Sonst ging es ja gleich ganz weit zurück in der Musikgeschichte.
Ja, aber ganz ehrlich: Mit 15 habe ich auch Sachen wie "Survivor" von Destiny's Child gehört. Das war toller R'n'B. Destiny's Child habe ich geliebt. Und als junges Mädchen nimmt man auch immer ernst, was die Vorbilder sagen. Wenn Destiny's Child im Interview gesagt haben, sie sind von dem und dem beeinflusst worden, konntest du dir sicher sein, dass Leslie Clio sofort in den Laden rennt und das alles anhört. Auf diese Art hat sich das entwickelt. Das kam nicht von meinen Eltern, und Geschwister habe ich ja keine.
Und welche Soul-Klassiker würdest du gern mal covern?
Viele, sehr viele. Es wäre gar nicht so schlau, dir das jetzt zu sagen, ich plane auch gerade viel für die Tour und habe da auch bestimmte Sachen im Kopf, aber es soll eine Überraschung werden. Komm einfach zu meinem Konzert. Dann gebe ich die Antwort.
Ich habe gesehen, du hast jetzt auch ein neues Auto?
Nee, hab ich nicht.
Aber es gibt doch diese Kampagne, in der du einen Wagen fährst.
Ja, es ist witzig, wie sich das so weiterträgt und was das für eine Aufmerksamkeit bekommt. Ich wurde von einem Freund gefragt, der bei Vice arbeitet. Die haben das übernommen und für Ford gemacht und mich dann einfach gefragt, ob ich Bock habe, einen Tag Auto zu fahren. Und ich habe gesagt: Ja, why not. Mehr steckt da auch nicht dahinter. Ich habe kein neues Auto, ich fahre auch gar nicht so viel. Wenn das Voraussetzung gewesen wäre, hätte ich das auch absagen müssen.
Und jetzt bist Du Teil einer Werbekampagne.
Richtig, jetzt bin ich Teil einer Werbekampagne. Aber auch da habe ich gar nicht so weit gedacht: In der Frage habe ich meinem Management vertraut. Ich habe da nie so recht die Dimension im Kopf. Das würde auch einfach behindern, genauso wie beim Musikmachen, wenn du die Zuhörer und die Reaktionen im Kopf hast.
Ich habe jetzt auch keine Angst, das neue Fiesta-Mädchen zu sein. Ich habe die Referenzvideos gesehen, welche Sängerinnen und Musiker das schon gemacht haben und als man mich für Deutschland fragte, war das auch eine Ehre für mich. Eher unter diesem Aspekt habe ich das gesehen, nicht als bloße Autowerbung.
Und wenn dann Fans kommen und sagen: Die ist ja nicht authentisch, jetzt macht sie schon Werbung für ein Auto?
Warum soll das nicht authentisch sein? Ich habe mich nie gegen Autos ausgesprochen.
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