6. November 2017

"Wir versuchen, eine große Frau zu sein"

Interview geführt von

Als sich im Frühjahr 2016 der Moop Mama-Tross in Bewegung setzte, gab es in der Republik kaum mehr ein Örtchen, das nicht Heimat eines spontanen Guerilla-Gigs im Park wurde. Mit Fahrrädern und Blasinstrumenten ausgestattet rollten sie durch das Land und gaben viele Songs ihres Albums "M.O.O.P.Topia" zum Besten.

Nicht nur in Parks, auf Marktplätzen oder in Einkaufsstraßen fanden Moop Mama neue Fans, auch auf unzähligen Festivals und einer anschließenden, ausgedehnten Club-Tour. Die Perlen dieser Club-Tour gibt es seit Anfang Oktober zusammengefasst auf dem Album "Live, Vol. 1". Grund genug also, mit Keno, dem sympathischen MC der Band, zu telefonieren.

Hallo Keno, wie geht es dir?

Danke, gut.

Als wir uns vor ca. zwei Jahren unterhalten haben, kam unter anderem das Thema München auf. Damals meintest du, dass du immer wieder kurz davor warst umzuziehen. Du lebst jetzt in Hamburg. Wie gefällt es dir dort?

Gut, allerdings habe ich unterschätzt wie schlecht das Wetter dort ist (lacht). Ich bin aber nicht mit der Erwartung weggezogen, dass in Hamburg alles besser ist. Ich wollte schon immer mal woanders gelebt haben. Und Hamburg ist eine super Stadt, die hält was sie verspricht. Ich mag die Leute dort und fühle mich wohl. Ich könnte jetzt aber in dem Sinne keine Rangliste aufstellen, ich mag beide Städte. Als ich nach längerer Zeit mal wieder nach München zurück kam, ist mir erst wieder aufgefallen, wie viele Leute ich hier kenne und wie coole Sachen ich hier mit denen erlebt habe.

Gehen wir mal davon aus, ich hätte noch nie etwas von euch gehört. Wie würdest du eure Band vorstellen?

Das hast du jetzt nett formuliert. Meistens fragen Journalisten einfach direkt wer wir sind (lacht). Wir sind eine Besetzung mit sieben Blasinstrumenten, zwei Schlagzeugern und einem MC. Unser Stil ist durch eben diese Besetzung geprägt: Wir kommen aus unterschiedlichen Richtungen, hören urbane Musikstile von Jazz bis Hip Hop, über Funk und Soul. Daraus machen wir dann unser eigenes Ding, was auch sehr live-lastig ist. Wir sind eine direkte Band, die auf der Bühne sehr viel Energie versprüht. Die Instrumente werden unverstärkt bedient, einfach so wie sie sind.

Und wie kam es zu dem Namen Moop Mama?

Als wir noch ganz am Anfang waren und einen Namen gesucht haben, stießen wir auf die Serie South Park. In einer Folge gründen die eine Band. Und die heißt glaube ich Moop. Das Wort hat uns gefallen aber wir wollten nicht genau so heißen wie die Band in South Park. Moop ist für uns das lautmalerische Wort für das Blasinstrument und für den Sound den wir machen. Im Nachhinein haben wir dann noch weitere Bedeutungen festgestellt, wie z.B. die Abkürzung für matter out of place, ein Begriff, der glaube ich auf dem Burning Man-Festival entstanden ist und Müll bezeichnet. Sprich Dinge, die irgendwo liegen wo sie nicht hingehören. Das passt eben auch sehr gut zu uns, weil wir oft dort auftauchen wo wir eigentlich nicht hingehören und einfach unangekündigt irgendwo spielen.

Verstehe. Und woher kommt die Mama?

Wir haben eine Unterstützerin aus den ersten Tagen, die uns auf ihrem Bauernhof proben und wohnen ließ. Als wir bei ihr am Tisch saßen und über den Namen diskutiert haben, lief sie vorbei und meinte: Moop? Ja dann bin ich die Moop Mama. Das haben wir dann so aufgenommen.

Das ist ja mal eine schöne Geschichte der Namensfindung!

Ja. Heutzutage kann man es auch ein bisschen feministisch aufladen, indem wir sagen, dass wir zehn Männer sind, die versuchen, eine große Frau zu sein.

Ui. Das wird ja immer besser. Gefällt mir. Ein guter Freund von mir lebt in München und sieht dich hin und wieder mal. Er lässt fragen, ob es dich stört oder nervt, wenn dich wildfremde Fans anquatschen.

Das passiert mir nur ab und zu. Das hält sich echt in Grenzen. Wahrscheinlich ist das der Vorteil einer großen Band, dass sich da nicht so ein starker Personenkult entwickelt. Ich glaube ich bin nicht so bekannt wie die Band, was sicherlich Vorteile hat. Aber generell kommt es eben krass auf die Person an, die einen anspricht und in welcher Situation sie einen gerade erwischt. Beim Essen kann es vielleicht nerven. Zu einem anderen Zeitpunkt kann es aber auch total schön sein, dass man erkannt wird und so das Selbstbewusstsein gestreichelt wird (lacht). Ich bin aber insgesamt ganz zufrieden damit wie es im Moment ist. Denn für Leute die so richtig bekannt sind, z.B. aus dem Fernsehen, ist das bestimmt schwieriger. Wenn uns Leute ansprechen, dann wissen die wie wir aussehen, haben sich mit der Band auseinander gesetzt und sind somit auch Leute, die wir ja mit unserer Musik ansprechen. Fernsehstars hingegen können ja auch gehasst werden. Wenn die dann angesprochen werden, kann das bestimmt ätzend sein.

Stimmt, das leuchtet ein. Ich kann also meinem Kumpel mit gutem Gewissen sagen, sprich den Keno ruhig an wenn du ihn das nächste Mal siehst.

(Lacht) Ach du, ich weiß nicht ... Nein, Quatsch, es kommt auch einfach auf das Feingefühl der Leute an, denke ich. Ich habe nichts dagegen, wenn die Leute mich ansprechen.

"Der Charakter und das Gefühl der Live-Show soll auf der Platte rüberkommen."

Schön, das werde ich so weitergeben. Was treibt euch denn an, nach wie vor als Straßenmusiker aufzutreten. Ihr bespielt ja mittlerweile auch große Festivalbühnen. Woher nehmt ihr die Motivation in einem Park spontan zu spielen?

Das war schon immer Teil unserer Programmatik, sozusagen. Wir wollen unverstärkt und spontan spielen. Und das werden wir auch beibehalten, egal wie groß die Bühnen werden. Das ist einfach nochmal eine ganz andere Welt, ein ganz anderes Erlebnis. Man trifft die unterschiedlichsten Leute. Manchmal ist man überrascht darüber, welche Leute stehen bleiben und welche nicht. Das ist für uns jedes Mal ein Abenteuer.

Apropos Live-Auftritte: Ihr habt ein neues Album am Start: "Live, Vol. 1". Das beginnt mit dem Song "Meermenschen", der ja sehr ernst und ruhig ist. Wie kam es zu der Entscheidung mit einem solchen Song eure Auftritte zu beginnen?

Wir haben lange überlegt, wo wir den Song unterbringen könnten. Und wir dachten, dass das eigentlich der perfekte Platz dafür ist. Man erwartet von uns vielleicht, dass es gleich ein Feuerwerk gibt, sobald wir auf die Bühne kommen. Aber gerade bei den Club-Shows, wo die Leute auf das warten, was wir machen, wollten wir dem Song einen sehr speziellen Platz geben. Ich glaube, das ist uns damit gelungen. So kriegt man die Leute während sie noch unter Spannung stehen und auf jedes Wort hören. Es ist ja ein sehr ruhiger Song und ich glaube, wenn man den irgendwo im Set zwischen zwei Partykrachern eingequetscht spielt, würde er eventuell ein bisschen untergehen. Bei den Club-Shows ist es sehr schön damit anzufangen, weil man die Leute damit ganz anders erreicht und man damit auch der Thematik gerecht wird. Bei Festivals haben wir den Song aus dem Programm genommen. Wenn eine betrunkene Horde schon zehn Bands gesehen hat, ist klar, dass die darauf nicht so einsteigt. Bei den eigenen Shows kann man sowas aber durchaus machen und die Leute fordern.

Fällt es danach schwer die Stimmung wieder aufzuheitern?

Dieser Song baut eine irrsinnige Spannung auf. Danach haben wir schon versucht, das Ganze wieder zum Positiven zu wenden. Dass sich die Leute bewegen, das war noch nie unsere Schwierigkeit. Eher ist es manchmal eine Herausforderung ruhige Momente zu finden und ernst sein zu können. Wir sind ja keine totale Klamaukband. Es ist ja auch immer eine gewisser Ernst dabei.

Wie habt ihr entschieden, welche Songs auf dem Album landen?

Wir haben auf einer Tour fast alle Konzerte mitgeschnitten. Das heißt, wir haben mehr oder weniger die selben Songs jeden Abend gespielt. Natürlich verändert sich das auf der Tour auch minimal, aber der Ablauf und die Songs die hintereinander gespielt werden bleiben gleich. Das Album folgt damit auch mehr oder weniger dieser Reihenfolge, wie wir sie auch live gespielt haben.

Zunächst einmal mussten wir schauen, welche Aufnahmen in welchen Städten überhaupt etwas taugen. Wir haben darum keinen großen Aufwand getrieben sondern einfach mit den Mikrophonen aufgenommen, die wir eh an den Instrumenten haben. Manche Aufnahmen waren gut, andere schlecht. Von den Songs, die zur Diskussion standen, haben wir ein paar Lieblinge herausgesucht und die kamen dann auf die CD. Wir wollten kein ganzes Konzert auf die Platte packen. Wir wollten etwas machen, was knackig ist und funktioniert. Trotzdem soll der Charakter und das Gefühl der Live-Show rüberkommen, aber eben in einer gerafften Version. Ich finde es bei Live-Alben total cool, wenn man das Publikum hört und man merkt, dass eine besondere Stimmung herrscht. Auf der Platte gibt es z.B. den Song "Insel". Während wir den gespielt haben, bin ich auf einer Plastikinsel auf dem Publikum geschwommen. In der Aufnahme hört man, dass ich manchmal so halb runterfalle. Es fehlen auch ein paar Worte weil ich lachen muss. Und das sind genau die Sachen, die den Unterschied ausmachen.

Genau bei dem Song dachte ich mir, wie es wohl auf jemanden wirkt, der euch nicht live gesehen hat. Aus deiner Ansage vor dem Song geht jetzt nicht hervor, dass du auf einer Plastikinsel über das Publikum schwimmen wirst.

Ja, klar, das ist dann der eigenen Fantasie überlassen. Ich denke aber, man hört auf jeden Fall dass was passiert.

Gab es die Idee ein Live-Album herauszubringen schon länger oder entstand die erst auf Tour?

Nein, die Idee gibt es schon sehr lange. Schon nach der ersten Platte wollten wir ein Live-Album aufnehmen. Einfach weil uns die Leute als Live-Band wahrnehmen und das auch gerne mit nach Hause nehmen würden. Für uns war der Zeitpunkt jetzt einfach der richtige, plus wir hatten die Möglichkeit das Projekt auf dieser Tour umzusetzen. Vielleicht ist es ganz gut, dass wir sie erst jetzt rausbringen, weil dadurch unterschiedlichste Songs von allen drei Alben vertreten sind.

"Wir haben jetzt erklärte Neonazis im Bundestag sitzen, das geht zu weit."

Ich finde ja, dass es durchaus eine berechtigte Kritik ist, wenn man einer Band den Ausverkauf vorwirft, wenn sie ein Live-Album rausbringt. Der Aufwand für die Band hält sich in Grenzen, die Gigs spielt man sowieso. Wie stehst du denn dazu?

(Lacht) Den Vorwurf finde ich ehrlich gesagt ziemlich lustig. Ich verstehe ich ihn auch gar nicht so richtig. Klar, das Recording ist natürlich anders als beim Studio-Album: man muss sich sich nicht extra treffen, man spielt eh, richtig. Das mindert aber ja nicht den Wert, nur weil man sich dafür nicht extra in einem Studio getroffen hat. Es geht ja um was ganz anderes. Wenn man einer Band vorwirft, aus genau den gleichen Songs noch mehr Profit rauszuschlagen, dann kann ich das nachvollziehen. Aber bei uns entwickeln sich die Songs live ja weiter. Viele Songs, die so auf dem Live-Album drauf sind, haben sich über die Jahre entwickelt und haben dadurch schon einen Mehrwert. Z.B. der Song "Elefant", der zwar schon etwas älter ist, aber jetzt in dieser Version ganz anders rüberkommt als auf der Platte (lacht). Außerdem glaube ich, kann ich verraten, dass wir die wohl schlechteste Strategie gefahren hätten, wenn wir an einen Ausverkauf gedacht hätten. Wir haben das Album kaum beworben, es kam ganz klein auf unserem eigenen Label heraus und ich glaube auch nicht, dass wir viele Euros damit machen werden. CD und Vinyl gibt es beispielsweise ausschließlich über unseren Internetshop und bei unseren Live-Konzerten.

Ja, stimmt, bei Amazon gibt es das Album nur als Download.

Du kannst in deine Interview-Überschrift schreiben: Moop Mama zu dumm für Ausverkauf! (lacht).

Klingt gut, das nehme ich.

Klingt nach gelungenem Klick-Baiting.

Das ist wichtig. Unbedingt! Ich wollte einfach mal wissen, wie du reagieren würdest, wenn ich dir mit Ausverkauf ankomme.

Ja, ich mein, du hast schon recht: Es gibt viele Bands, die wirklich keine Live-Bands sind, wenn man es streng nimmt. Wir sind aber eine Live-Band durch und durch, bei uns passiert alles live.

Da bin ich ganz bei dir. Welches Instrument in der Band würdest du denn spielen wenn du nicht der MC wärst?

Also wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde ich vermutlich Sousaphon spielen. Ich bin eher ein Fan von tiefen Tönen (im Hintergrund erklingen schon seit ein paar Minuten immer wieder einige Akkorde auf einem Klavier).

Spielst du denn ein Instrument?

Ne, leider nicht. Ich habe als Kind die Chance verpasst, Klavier weiter zu lernen und habe irgendwann damit aufgehört. Ich bin dann erst übers Rappen wieder zur Musik gekommen.

Und das Klavier, das man im Hintergrund hört, spielst nicht du?

Nein, das bin nicht ich. Ich bin gerade bei einem Freund zuhause, Gerd Baumann, der Filmkomponist ist. Er schlägt sich gerade mit einem Film-Soundtrack herum.

Für die letzte Frage würde ich gerne eine ganz andere Richtung einschlagen: Was würdest du Angela Merkel sagen, wenn du 15 Minuten Zeit mit ihr hättest?

Boah, das ist ne sauschwierige Frage. Uff. Ich weiß gar nicht was da sagen würde, weil ich in der kurzen Zeit nichts maßgeblich ändern könnte (Pause). Also was mich wirklich mal interessieren würde, ist, wie ein Mensch der in einem solchen Beruf arbeitet und an einer solchen Stelle steht, wirklich persönlich und emotional die Sachen sieht die gerade in der Welt passieren. Jetzt ziehen Nazis in den Bundestag ein. Vielleicht würde ich versuchen so jemandem mal ins Gewissen zu reden und auf einen gewissen Idealismus und Grundprioritäten pochen. Mich würde mal interessieren, ob die noch da sind und sie nicht mit der Zeit geopfert wurden. Klar, Politiker können auch nur ein Schritt nach dem anderen machen. So funktioniert Diplomatie. Aber es gibt gewisse Grenzen und ich finde, die werden überschritten. Wir haben jetzt erklärte Neonazis im Bundestag sitzen, das geht zu weit. Danach würde ich fragen.

Wie sieht der Fahrplan von Moop Mama für die kommenden Monate aus?

Wir gehen im November auf Tour und wollen dann an einem neuen Album arbeiten.

Cool, darauf freue ich mich. Vielen Dank für deine Zeit und das Interview.

Gerne. Vielen Dank für das Interesse.

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