laut.de-Biographie
Mr. Scruff
Ein Typ, der eines der größten Festivals der Insel, das weltweit bekannte Big Chill, aus freien Stücken mit einem Tee-Zelt versorgt und zusätzlich eigens entworfene Teetassen, -mischungen und sonstige Utensilien vertreibt, ist eigentlich viel zu englisch, um wahr zu sein.
Doch leider lebt der Mensch für gewöhnlich nicht von Tee allein und ist gezwungen, sich weitere Einnahmequellen zu erschließen. Ein Glück, dass Andy Carthy neben einem ausgeprägten Geschmack für die verschiedensten Sorten des urchinesischen Gebräus einen ebensolchen Sinn für die mannigfaltigen Facetten der Musikwelt entwickelt hat.
"Als DJ spiele ich durch die Bank alles, unter anderem Soul, Funk, Hip Hop, Jazz, Reggae, Latin, African, Ska, Disco, House, Funk, Breaks, Soundtracks und vieles mehr. Als Produzent mache ich Musik, die diesen Einflüssen gerecht wird", sagt der Engländer über sich selbst und seine Musik.
Keine schlechte Strategie, schließlich hat ihm dieser Stil einen Plattenvertrag bei Ninja Tune, eine beachtliche Diskografie, massenhaft Remix-Projekte und aufgrund seiner durchgehend abwechslungsreichen und qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen grenzenlose Lobhudeleien seitens der Presse beschert. Der großen Masse wird er durch seinen Titel "Get A Move On" bekannt, der von den Autoherstellern Volvo und Lincoln sowie von der BBC und der Schuhmarke Adio zu Werbezwecken benutzt wurde.
Der Stellenwert, den Mr. Scruff bei Ninja Tune einnimmt, manifestiert sich nicht nur darin, dass er neben DJ Food als einziger einen zweiten Teil zur hauseigenen "Solid Steel"-Reihe beisteuern darf, wie das Label im November 2006 bekannt gibt.
2008 unterstützt ihn die Kult-Plattenschmiede bei der Gründung seines eigenen Labels "Ninja Tuna". Der Name rührt von der Kollaboration mit den Londonern und einer Eigenart her, die sich durch sämtliche Mr. Scruff-Veröffentlichungen zieht: Auf allen seiner Alben befasst sich wenigstens ein Titel zumindest indirekt mit Fischen, Walen oder anderen Meeresgeschöpfen.
Geboren wird Andy Carthy 1972 in Macclesfield, einem kleinen Städtchen nahe Manchester, in dem auch Ian Curtis von Joy Division aufwuchs. Im Alter von zwölf Jahren kommt Andy zum ersten Mal mit der Arbeit eines DJs in Kontakt, als ihm ein Freund die Streetsounds LP "Crucial Electro Volume 2" vorspielt. Schon wenig später sitzt der Teenie selbst am Kassettenrecorder und nimmt Mixtapes auf. Die Übergänge versucht er durch rechtzeitiges Drücken der Pausetaste nachzustellen.
Im Laufe der Jahre trifft Andy immer mehr DJs aus der Umgebung, woraus sein weit gefächertes musikalisches Repertoire erwächst. "Damals wurden jede Woche deutlich weniger Platten veröffentlicht als heute. Die DJs mussten vielseitig sein und die verschiedensten Genres anspielen."
Im Laufe der Jahre entwickelt und verfeinert er seine technischen Qualitäten, spielt Mixes auf Piratensendern in Manchester, bespielt haufenweise Mixtapes und nimmt Demo um Demo auf. Eines davon drückt er Barney Doodlebug in die Hand, der ihn an das Label Rob's Records vermittelt. Im März 1995 veröffentlicht man dort mit der "Hocus Pocus EP" Mr. Scruffs erste 12".
Nebenbei studiert Andy Kunst am Sheffield College of Art, was sich unweigerlich auf seine Arbeit auswirkt. Der von ihm entwickelte "potato style" ziert nicht nur viele seiner Albencover, bei seinen Shows unterhält er sein Publikum auch mit selbst produzierten Visualisierungen und Animationen.
Der EP folgen verschiedene Releases für unterschiedliche Labels und Kollaborationen unter anderem mit Mark Rae. Inspiriert von der Zusammenarbeit veranstaltet Grand Central, das für die Kollabo zuständige Label, regelmäßige DJ-Battles mit DJ Food, der wenig später den Kontakt zu Ninja Tune herstellt.
Auf Touren mit Roots Manuva und The Herbaliser erobert Scruff den europäischen Kontinent, auf der Insel wird er bekannt mit seinen Marathonshows. Es sei frustrierend und einengend, nicht alles spielen zu können, sondern sich auf einen zweistündigen Gig beschränken zu müssen.
"Ich bin jetzt in einer Position, die es mir erlaubt, viel esoterische und unübliche Musik zu spielen. Die lange Dauer meiner Auftritte ermöglicht es mir, eine entspannte Atmosphäre zu entwickeln, bevor ich den Pegel anhebe und währenddessen so viel unterschiedliche Musik wie möglich unterbringe."
Womöglich holt er sich die Kraft für die langen Clubnächte in den Teezimmern, die bei jedem seiner Auftritte eingerichtet werden, soweit die Örtlichkeiten es zulassen. Das ist definitiv viel zu englisch um wahr zu sein.
Noch keine Kommentare