laut.de-Biographie
Muddy Waters
Muddy Waters ist schon zu Lebzeiten eine Legende. Für die Entwicklung des Chicago Blues ist er eine der wichtigsten zeitgeschichtlichen Figuren. Sein unverkennbarer Gesangs-Stil, der Einsatz von Slidegitarre oder sein parolenartiger Gesang - Waters' Einflüsse sind mannigfaltig und auch heute noch zu beobachten. Schließlich entlehnt sogar eine kleine unbedeutende englische Band ihren Namen einem seiner Songs.
Als McKinley Morganfield kommt er am 4. April 1915 in Jug's Corner, einem Winzkaff im Staate Mississipi als Bauernsohn auf die Welt. Den Spitznamen Muddy Waters verpasst ihm seine Großmutter, da er es als Kind ziemlich toll findet, in den Schlammpfützen rund um das Haus seiner Eltern herum zu matschen. Schon im zarten Kindesalter pustet klein Muddy begeistert in die Mundharmonika, klopft auf Benzinfässern herum und missbraucht die alte Quetschkommode und Maultrommel der Großmutter, die nach dem Tod seiner Mutter für seine Erziehung sorgt. Die Gitarre als Blues-Instrument gewinnt um 1930 immer mehr an Bedeutung, und so ist es nur logisch, dass auch der Teenager Waters sich einen Sechssaiter zulegt. Als Mitglied der Son Sims Four spielt er Konzerte, mit denen er sich ein Zubrot zum mageren Landarbeiter-Lohn verdient. Sims, der Namensgeber der Gruppe, engagiert Muddy aufgrund seiner kraftvollen Stimme und fungiert als sein erster Gitarrenlehrer.
So richtig heiß aufs Klampfen wird Waters jedoch erst, als er den ehemaligen Mentor Robert Johnsons, Son House, performen sieht. Zum ersten Mal bestaunt er jemanden beim Bottleneck spielen, was ihn nur noch mehr anspornt, diese Technik ebenfalls zu erlernen, die er Jahre später selbst auf ein höheres Level hebt. Mit der Zeit bringt er es zu einem lokal angesehenen Musiker, der auf allen Festen und Partys seine Songs zum Besten gibt. 1941 ziehen John Work III und Alan Lomax durch die Gegend seines Heimatdörfchens, auf der Suche nach Blues-Musikern, die sie für Aufnahmen zur Library Of Congress gewinnen können. Ihr Ziel ist die Erforschung des musikalischen Erbes der Afro-Amerikaner. Die beiden suchen jemanden, der den Blues so ähnlich interpretiert wie Robert Johnson. Mehrere Leute verweisen sie auf Muddy Waters. Als jener hört, dass ihn ein Weißer sucht, verdächtigt er ihn zuerst, ein Steuereintreiber zu sein, der es auf seine Whisky-Destille abgesehen hat. Erst als Lomax aus demselben Glas sein Wasser trinkt, ist er überzeugt und stimmt den Aufnahmen zu. In seiner Hütte nimmt Muddy "Can't Be Satisfied" und "Feel Like Goin' Home" auf. Mit den Son Sims Four spielt er weitere Tracks ein, bevor es ihn 1943 gezwungener Maßen zu Verwandten nach Chicago verschlägt. Nach einem Streit mit einem Aufseher muss er von dannen schleichen und begibt sich nach 'Windy City', deren Blues-Szene er bis zu seinem Tod ganz entscheidend prägt.
In der Eingewöhnungszeit arbeitet er tagsüber in einer Papierfabrik, steht abends auf der Bühne, was ihm auch in seiner neuen Heimatstadt einen Ruf als Könner seines Fachs einbringt. 1944 spielt er zum ersten Mal auf einer elektrischen Gitarre, und von da an sollte das Genre um eine aufregende Facette reicher sein. Deutlich härter gibt er sich von da an und passt seinen Sound der urbanen Umgebung an, die so gar nichts mit seinen Wurzeln im ländlichen Mississippi gemein hat. Dass viele Leute damals aus dem ärmeren Süden in die Industriestädte des Nordens ziehen, kommt Muddy dabei sehr entgegen. So neuartig sein Blues auch klingt, hat er doch eine unüberhörbare Delta-Färbung, die für Menschen aus seiner Heimat sehr vertraut klingt.
Weitere Aufnahmesessions folgen, die jedoch entweder unter dem Namen eines Anderen erscheinen, oder in den Archiven langsam vor sich hin schimmeln. Erst die Zusammenarbeit mit Leonard Chess und dem Aristocrat-Label (das spätere legendäre Label 'Chess') scheinen vielversprechend zu sein. Mit der Elektrischen bewaffnet, nimmt er abermals "Feel Like Goin' Home" und "Can't Be Satisfied" auf. Die daraus hervorgehende Single geht weg wie geschnitten Brot, Muddy selbst hat Probleme, seine eigene Produktion in einem Plattenladen zu finden.
1946 sammelt er eine Band um sich, mit der er permanent in und um Chicago zu sehen ist. Mit Jimmy Rogers und Little Walter hat er dabei zwei Musiker im Line Up, die solo später selbst erfolgreich sind. Zusammen nennen sie sich The Headhunters, die bei Konzerten anderer Musiker reinplatzen, selbst spielen und ihnen musikalisch gesehen den Kopf abrasieren. 1950 mutiert Aristocrat zu Chess, für die er die erste Aufnahme "Rollin' Stone" einspielt, die den Mannen um Mick Jagger später den Bandnamen liefert. Ungewollt ist Muddy Waters sogar dabei behilflich, dass der Rock'n'Roll den Blues an Popularität ablöst. Als Chuck Berry 1955 nach Chicago kommt, bittet er Waters um einen Tipp, bei welcher Firma er denn am ehesten landen könnte. Den Tipp mit Chess setzt Berry in "Maybellene" um, alles weitere ist (Rock'n'Roll) Geschichte.
Ende der 50er Jahre unternimmt er seine erste von drei Konzertreisen nach Großbritannien, um den Blues in seiner modernen Form auch im Königreich bekannt zu machen. Nicht umsonst pflegen Jeff Beck, Eric Clapton und co. eine besondere Beziehung zum Blues. Zurück in den Staaten, versucht Chess, Muddy Waters einer größeren Käuferschicht anzupreisen, was in seltsamen Produktionen mit psychedelischen Elementen ("Electric Mud", "After The Rain") oder omnipotenten Bläsersätzen ("Brass & The Blues") gipfelt. Ironie pur, dass er bei "Electric Mud" "Let's Spend The Night Together" der Stones interpretiert. Die Geschäftsbeziehung mit Chess findet erst 1975 ein Ende.
1976 unterschreibt er bei Blue Sky. Hier nimmt er das Album "Hard Again" auf, das in Zusammenarbeit mit Johnny Winter entsteht. Bei den Grammys sahnt er damit 1977 seinen vierten von insgesamt acht Preisen ab, die er (auch posthum) bis 1998 erhält. Seine letzte Studioproduktion "King Bee" - wiederum mit Johnny Winter - beschließt Muddy Waters Musikerkarriere; am 30. April 1983 stirbt er in Chicago. Er geht als der derjenige Interpret in die Geschichte ein, der den Blues in moderne Zeiten transportiert hat. Welche Bedeutung er für andere Musiker hat, beweist folgende Anekdote. Billy Gibbons von ZZ Top bekommt für sein musikalisches Engagement in Sachen Blues ein Stück Holz der Hütte geschenkt, in der Muddy Waters in frühen Jahren gelebt hat. Er lässt sich daraus eine Gitarre bauen, die er 'Muddywood' nennt und lässt sie für wohltätige Zwecke ausstellen. Auch er hat ihn, den Blues.
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