laut.de-Biographie
Nettspend
Ein Gespenst geht durch den Hip Hop-Kosmos. Das Gespenst von ... komischen, terminally online Discord-Teenagern, die auch Auotune-Rapstars werden wollen. Wir schreiben das Jahr 2024, irgendwo am anderen Ende von Rap hat Kendrick Lamar den Begriff der "culture" wieder hochleben lassen – und an diesem Ende von Rap steht ein weißer Teenager aus Richmond, Virginia, einer der größten neuen Stars der Szene.
Nettspend ist die Antithese zu "the culture": Der Junge ist der Sohn eines Country-Sängers, wächst mit Katy Perry und Justin Bieber auf, schmeißt die Schule in der neunten Klasse, weil er sich im Rahmen der Covid-Restriktionen zu isoliert fühlt (feel old yet?) und beginnt, online Musik hochzuladen.
Sein musikalischer Ereignishorizont ist dabei so weit von einem Oldhead entkoppelt, dass man kaum noch vom selben Genre sprechen kann: Akute Vorbilder für ihn sind Rapper wie Playboi Carti, Yeat und Ken Carson. Soundcloud-Artists wie Lil Uzi Vert und Lil Yachty sind für ihn Veteranen und Future oder Chief Keef die absoluten, das Genre-Fundament legenden Legenden. Wenn dieser Junge Nas kennt, dann so wie er Marvin Gaye oder Ludwig van Beethoven kennt.
Aber das macht alles nichts, denn er ist weiß, sieht gut aus und seine Musik zieht schnell lokale wie überregionale Aufmerksamkeit auf sich: Bis 2023 gehen Songs wie "Drankdrankdrank" oder "Shine N Peace" mehrfach viral und landen sogar auf den Bestenlisten von Musikpublikationen. Sein Genre ist Post-Rage, Jerk, Digicore, mehr oder weniger alles, wozu man in den Zwanzigern moshen kann. Er veröffentlicht noch im selben Jahr ein erstes Mixtape namens "Kickdoor".
2024 kommt er in Kontakt mit mehreren relevanten Zeitgenossen: Evilgiane von der Surfgang, Xaviersobased, OsamaSon. Wo auch immer gerade eine neue Stimme (meist mit Autotune ohne Ende) Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist Nettspend nicht weit. Das führt zu einer ganzen Menge kleiner Erfolge: Er spielt Rolling Loud, geht exzessiv auf Tour, er ist im Musikvideo für einen derzeit sehr gehypten Tommy Richman zu sehen und seine Songs "Fuck Swag" oder "We Not Like You" schreiben sehr solide Zahlen.
Er wächst zu so etwas wie dem Bindeglied zwischen Untergrund und Mainstream für all diese Sounds heran. Seine Musik bleibt immer noch weird und treu, aber die kurzen Spieldauern, das rasante Pace und die markige Ästhetik machen ihn immer wieder zum Vorzeigekind, das die Soundcloud-Maschine noch nicht ganz fertigmutiert hat. Er veröffentlicht 2024 mit "Bad Ass F*cking Kid" ein Album, das so ziemlich von allen rezipiert wurde, auch wenn es natürlich auf seine Art polarisiert.
Zu polarisieren ist wohl das Beste, was einem Jungen wie ihm passieren kann. Da wächst gerade wieder eine Generation an kosmischen Weirdos zusammen, und ehe wir uns versehen, könnte da wieder eine richtig bizarre Freshman Class in den Löchern stehen: Nettspend, OsamaSon, Glokk40Spazz, Xaviersobased, wer auch immer: Und dann wird Geschichte sich einmal mehr wiederholt haben, wenn die Kids von einer Generation vorher die Oldheads von früher sein werden. Und vielleicht werden auch diese verrückten Kinder hier der Geschichte zeigen, dass sie die ganze Zeit im Recht waren.
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