Vom Strip-Club in die Rollschuh-Disco: Um von Taylor Swift abzulenken, assistierten der R'n'B-Ikone unter anderem Alicia Keys, H.E.R., Ludacris und Lil Jon.
Las Vegas (dani) - Man mag Usher fast bedauern: Da bekommt er, pünktlich zum Release seines Albums "Coming Home", die größte Bühne der Welt, und dann interessiert sich alle Welt doch bloß für Taylor Swift. Kommt sie mit dem Helikopter oder doch mit dem Privatjet? Ist sie schon da? Wird sie ihrem Gspusi Travis Kelce und seinen Kansas City Chiefs auch diesmal wieder Glück bringen? Wird er ihr einen Antrag machen? Die Swift-Hysterie im Vorfeld des Events nahm dermaßen groteske Züge an, man hätte leicht vergessen können, wer eigentlich als Musik- und Pop-kulturelle Hauptattraktion des Sportspektakels gebucht war.
Fürs Protokoll: Ja, Taylor Swift war da, und, nein, ihre Erfolgs-Serie als Maskottchen der Chiefs ist nicht gerissen: Das Team aus Kansas brauchte zwar etwas länger als üblich, um mit den San Francisco 49ers fertig zu werden, die Kansas City Chiefs gewannen nach Verlängerung aber doch mit 25:22 und verteidigten damit ihren Titel. Als hätten sie es geahnt, zeigten sich die gegnerischen Fans vom Auftauchen der Sängerin entsprechend wenig begeistert und bedachten sie großzügig mit Buh-Rufen.
Mit dem diesjährigen offiziellen Pausenclown Usher sprang das Publikum gnädiger um. Zum Zeitpunkt seines Auftretens war allerdings auch noch nichts gewonnen oder verloren. Buchstäblich alles drin war auch bei seiner Show: Artist*innen, Marching Bands, Strip-Show und Rollschuh-Disco, dazu Gastauftritte von Alicia Keys, H.E.R., Will.I.Am, Jermaine Dupri, Ludacris und Lil Jon ... Jungejunge, das war vielleicht ein Chaos. Seht:
Hab' ich mich im vergangenen Jahr darüber beschwert, der Auftritt von Rihanna sei zwar schön anzusehen, aber doch reichlich langweilig gewesen, es hätte gerne ein wenig abwechslungsreicher zugehen können? Nun, man sollte wirklich aufpassen, was man sich wünscht: Abwechslungsreich war, was Usher hier auffuhr, nämlich bis an die Grenze zur totalen Reizüberflutung. Zum Glück hatte er sich in einen blendend weißen Frack geworfen. Man hätte im bunten Gewusel den Hauptdarsteller anderenfalls kaum ausmachen können.
Der bodenlange Mantel musste natürlich gleich mal weg, er hätte die Beinfreiheit doch ziemlich eingeschränkt. Die allerdings brauchte Usher dringend: Stimmlich wirkte vor allem zum Beginn wenig beeindruckend, was er in diesen 15 weltweit beachteten Minuten ablieferte, tänzerisch macht ihm allerdings noch immer kaum jemand etwas vor. Sein Auftritt in Las Vegas: ohnehin quasi ein Heimspiel. Im Dezember erst beendete er nach hundert Shows seine Residency in der Glückspielstadt.
Echte Held*innen tragen Capes
Dabei hat Usher offensichtlich gelernt, dass, wer in Vegas wahrgenommen werden will, aus allen Rohren schießen muss. Dass er dieses Konzept auf den Stadionrasen mitgebracht hat, tat seinem Auftritt nicht unbedingt gut. Zumindest der Auftakt geriet doch arg unübersichtlich. Etwas Ruhe kehrte erst mit Alicia Keys ein: In wehenden XXL-Superheldinnen-Cape in Knallrot saß sie am knallroten Flügel und sang hernach, inzwischen vom Umhang befreit und nur noch im (natürlich knallroten) Overall, mit ihrem Gastgeber im Duett "My Boo", und das klang wirklich schön.
Wäre Usher nicht so ein sympathischer Typ, es hätte wahrscheinlich noch schmieriger gewirkt, wie er sich beim Tanzen an seine Partnerin rangewanzt hat. Auch sein ewiges laszives Becken-Gekreise ließ sich nur deswegen einigermaßen aushalten, weil er halt einfach ein charmanter Hund ist, obendrein natürlich ein Vollprofi, der von der harten Arbeit, die in diesem Auftritt zweifellos steckt, rein gar nichts zu zeigen - dafür um so mehr von sich.
Free the nipple!?
Klar spielte Usher unter anderem seine Erfolgs-Schnulzen "Burn" und "U Got It Bad" an. Dass er sich zu letzterem nicht nur das glitzernde Oberteil, sondern danach auch gleich das Feinrippunterhemd vom durchtrainierten Astralkörper riss, warf einem allerdings schon, Sahnetorten-Style, die Frage ins Gesicht: Wieso war eine blankgelegte Brust bei Janet Jackson seinerzeit eigentlich so ein Aufreger? Nicht anzunehmen, dass freie Sicht auf freie Nippel Ushers Karriere einen ähnlichen Knick verpassen könnte.
Ein Hauch von "Starlight Express"
Allzu viel Zeit, um über das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern nachzudenken, bekamen wir aber eh nicht. H.E.R. übernahm mit einem kurzen E-Gitarren-Solo. Nicht ihr erster Superbowl-Auftritt: Vor drei Jahren sang sie bereits die Nationalhymne. Usher nutzte die Zeit, um sich wieder etwas anzuziehen und brezelte sich dabei gleich für die Rollschuh-Disco auf. Solide "Starlight Express"-Vibes waren der Preis dafür, demonstrieren zu können, dass er auch auf Rollerskates noch tritt- und parkettsicher ist. Tatsache. Ist er.
Für den Vollabriss sorgte im Anschluss Lil Jon: Mit dem durchgeknallten Banger "Turn Down For What" lässt sich einfach immer noch jede Hütte, jeder Club und, wie sich gezeigt hat, auch jedes Stadion abreißen. Noch so ein Über-Hit? Klaro, Usher hat da noch "Yeah" im Ärmel, die offensichtlichste Wahl für das große Finale mit Gruppenbild. Warum dieser Song und damit auch die ganze Show allerdings keinen würdigen Schlussakkord bekam, sondern wirklich fade ausplätscherte, verstehe, wer will.
Naja. Wir haben jetzt ein Jahr Zeit, um uns zu überlegen, an welcher Stelle in unser Ranking der Superbowl-Auftritte wir Usher einfädeln wollen. Spontan würde ich sagen: oberes Mittelfeld. Nächstes Jahr dann aber vielleicht gleich Taylor Swift buchen? Wenn sie dann erneut im Stadion präsent sein wird, gucken alle eh alle wieder nur auf sie.
Ushers Superbowl-Setlist:
- "Caught Up"
- "U Don't Have To Call"
- "Superstar"
- "Love In This Club"
- "Ain't Got You"
- "My Boo"
- "Confessions Part 2"
- "Nice & Slow"
- "Burn"
- "Bad Girl"
- "U Got It Bad"
- "OMG"
- "Turn Down For What"
- "Yeah"
2 Kommentare mit einer Antwort
Okay ... durchtrainierter "Astralkörper", wohl eher Alabasterkörper gemeint? Abgesehen davon, wär es ja schön man würde mal wieder eine eher rockige Nummer als Halftime Show sehen. Oder wenigstens Country, weil's ja USA ist.
#dadbod
Ich fand's nice. Gute 25 Jahre Karriere