Sie kann es noch! Das Highlight des Abends bleibt aber der Songblock mit Wyclef Jean.
Berlin (dp) - Über 25 Jahre ist es her, dass Lauryn Hill ihr umjubeltes Soloalbum "The Miseducation Of Lauryn Hill" veröffentlicht hat. Damals, 1998, kam wohl kaum jemand an Hits wie "That Thing" oder "The Ex Factor" vorbei. Zuvor hatte die kleine Amerikanerin mit der großen Stimme schon überdimensionale Erfolge mit den Fugees gefeiert - gemeinsam mit ihren Bros Wyclef Jean und Pras Michel.
In den folgenden Jahrzehnten wurde es gleichwohl ruhig um die Soul- und Rapqueen. Ihrer Bekanntheit hat das anscheinend nicht geschadet, denn die Berliner Uber Arena ist mit über 8.000 Zuschauer:innen gut gefüllt - auch, wenn die Halle doppelt so viele Menschen aufnehmen kann. Ob es an den hohen Ticketpreisen (im Schnitt um die 150 Euro) liegt? Oder gar an den Starallüren Ms Hills?
Sie kann es noch
Zählt doch Pünktlichkeit bekanntlich nicht zu den Stärken Lauryn Hills. Mit einstündiger Verspätung startet die Amerikanerin direkt mit einem ihrer größten Hits: "Everything Is Everything". Musikalisch passt an diesem Abend alles. Der oft bemängelte Sound tönt okay. Die Stimmleistung Lauryn Hills bleibt beeindruckend: Mühelos schwingt sie sich von den ganz tiefen Tönen nach oben, um im nächsten Moment mit unverwechselbarem Organ einen astreinen Rap hinzulegen.
Sie kann es noch - und wie! Bei "To Zion", eine Widmung an ihren erstgeborenen Sohn, performt Hill nahezu a capella und präsentiert eindrucksvoll ihren souligen Stimmumfang, fast wähnt man sich in einem Gospel-Gottesdienst. Und so abwegig ist der Gedanke nicht mal, schließlich übernahm Hill einst eine tragende Rolle in der Hollywood-Musikkomödie "Sister Act 2" mit Whoopi Goldberg. Das war 1993 und Hill gerade einmal 18 Jahre alt.
Die Kluft zwischen Enkel und Großvater
Im Anschluss bekommt Zion im Rahmen eines kleinen Solosets noch seine 25 Minutes of Fame, natürlich unterstützt von Mama Lauryn. So sehr sich Zion aber auch müht, die Kluft zwischen ihm und seinem berühmten Großvater Bob ist doch zu tief. Immerhin, Hill erhält so eine Verschaufpause vor dem nächsten Akt.
Wyclef hat den Drive
Highlight des Abends bleibt dann der Fugees-Songblock, zu dem Wycleaf Jean die Bühne betritt. Seine langen Dreads sind einer altersgerechten Glatze gewichen, aber der Drive des Vollblutmusikers ist ungebrochen. Sein persönliches Set besteht unter anderem aus einem unnötigen Santana-Cover ("Maria Maria") und "911". Um den Hals trägt er eine Kette samt riesigem Rubin, umrankt von Brillies. Wer hat, der kann. Wyclef kann übrigens auch Deutsch und lässt locker kleine deutsche Phrasen in die Raps einfließen, was beim Publikum richtig gut ankommt.
Match made in Heaven
Es folgen die Hits, auf die alle gewartet haben. Das Lori Liebermann-Cover "Killing Me Softly", die Hymne "Ready Or Not" und als Abschluss "Fu-Gee-La". Im Team mit Wyclef entfaltet Hill noch einmal ihr ganzes Potential. Das Match made in Heaven performt so routiniert und tight, dass allen Fans ein wohliger Schauer über den Rücken läuft. Hip Hop und R'n'B auf allerhöchstem Niveau.
Und dennoch will der Funke an diesem Abend nicht ganz überspringen. Ob es an der immensen Verspätung liegt oder daran, dass Hill sich mit direkten Ansprachen an die Fans zurückhält? Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass sie immer wieder die Bühne verlässt. Und so wirkt am Ende alles eher wie ein großer Jam denn eine stringente Liveshow. Schade, denn Stimmen wie Lauryn Hill und Wyclef Jean vermisst man in der heutigen Musiklandschaft. Vielleicht hätte eine kleinere und dafür ausverkaufte Venue der Atmosphäre besser getan.
Text und Fotos: Désirée Pezzetta.
2 Kommentare
Als Wyclef kam war der Film schon voll?!
Wenn die mal so ein richtig gutes Einkaufszentrum eröffnen würde ich hingehen.