laut.de-Biographie
Ólafur Arnalds
Mit zwanzig Jahren ein Album aufzutischen, das die eingeweihte Indie-Gemeinde von Kunst- und Kammermusik schwärmen macht: eine wahrhaft frühreife Leistung. Aus Mosfellbaer, einer Vorstadt der isländischen Hauptstadt Reykjavík stammend, begeistert Ólafur Arnalds auf seinem Debüt "Eulogy For Evolution" 2007 mit einer herzerwärmenden Mischung aus klassischer Instrumentierung und Indierock-Ästhetik.
Weniger narkotisierend als Gregor Samsa, nicht so experimentell wie der ebenfalls klassisch geschulte Komponist Nico Muhly, dafür ohne Abstriche auf vollendeten Schönklang bedacht. Sigur Rós bleiben immer in Sichtweite.
Dem Debüt schließen sich die EP "Variations Of Static" (2008) und die sieben Tracks umfassende EP "Found Songs" (2009) an, die aus der Idee resultiert, eine Woche lang jeden Tag einen Song einzuspielen und zuerst über die Website seines Labels Erased Tapes zu veröffentlichen.
Diese Arbeitsweise scheint Arnalds zu liegen: 2011 liefert er mit "Living Room Songs" noch einmal für jeden Tag der Woche eine Komposition. Bevor er mit "...And They Have Escaped The Weight Of Darkness" 2010 den zweiten elegischen Lonplayer auf den Markt bringt, lädt ihn der Choreograph Wayne McGregor ein, den Soundtrack zu "Dyad 1909" zu komponieren, einem zeitgenössischen Ballettstück.
Òlafur Arnalds ist kein introvertierter Klassik-Nerd. Er arbeitet gerne mit anderen Künstlern zusammen. So entsteht beispielsweise die Platte "Stare" mit dem deutschen Musiker und Komponisten Nils Frahm. Mit Janus Rasmussen aus der Band Bloodgroup startet er ein Minimal-Techno Projekt namens Kiasmos.
2013 erscheint das Album "For Now I Am Winter", auf dem sich Arnalds zum ersten Mal gesangliche Unterstützung an Bord holt. Arnór Dan, der Sänger der Band Agent Fresco, übernimmt diesen Part. "Es war auf jeden Fall mehr ein Experiment. Ich habe für eine ziemlich lange Zeit instrumentale Musik gemacht. Es erschien mir logisch, das auszuprobieren."
Bei den Aufnahmen ist zudem ein Orchester beteiligt, dessen Sound sich mit den Klängen des Pianos und einer ganzen Menge Elektronik vermischt.
Auch für die Filmmusik begeistert sich Ólafur Arnalds. Er schreibt einige Soundtracks, darunter 2011 den für die Hollywoodproduktion "Another Happy Day" sowie Stücke für die britische Serie "Broadchurch". "Das ist etwas, das ich schon immer machen wollte", antwortet er auf die Frage, wie er dazu gekommen sei.
Die Klaviermelodien des Komponisten und Produzenten nehmen mit auf eine Reise, die Momente und Ewigkeiten zugleich zelebriert. Dazu addiert der Isländer Streicherarrangements aus Viola, Violine, Cello und Kontrabass, was live mächtig Eindruck hinterlässt.
Auf der Bühne krümmt er sich gedankenverloren, aber hochkonzentriert über dem Keyboard an den Rand gedrängt, während seine Saitensektion auf Stühlen im Rampenlicht Platz nimmt.
Abseits seines Soloprojekts bedient der Multiinstrumentalist bei den so gar nicht feinfühligen isländischen Metalcore-Combos Fighting Shit und Celestine die Drumsticks oder steuert bei den Postpunks My Summer As A Salvation Soldier Banjo, Gitarre und Piano bei.
Schwer zu sagen, welche musikalische Seite welche ausgleicht. "Ich war immer an beiden interessiert und habe immer beides gemacht."
Darüber hinaus hat Ólafur Arnalds, parallel zu seinen zahlreichen filmmusikalischen Arbeiten, noch Zeit für ein neues Soloalbum. Mit "Island Songs" von 2016 besinnt er sich auf seine Wurzeln. Für das Werk schreibt er insgesamt sieben Stücke, die er einem bestimmten Ort oder einem isländischen Musiker widmet, für verschiedene Sänger und Chöre seines Landes. Er zieht sich daher auf der Platte an sein Keyboard zurück und unterstreicht somit die melancholische Grundstimmung der einzelnen Nummern. Begleitend dazu zeichnen Videoaufnahmen zu seinen Kompositionen ein vielfältiges Bild seiner Heimat. Diese liegen der Scheibe als DVD bei.
Anschließend programmiert er gemeinsam mit Halldór Eldjárn die Audio-Software "Stratus". Mit dem Programm, das aus zwei selbstspielenden Klavieren besteht, angetrieben durch ein zentrales, von Ólafur eigenhändig angeschlagenes Piano, lassen sich Sequenzen generieren, die harmonische und melodische Prinzipien in der Klassik überwinden. Es kommt auf dem nächsten Album des Isländers, "re:member", von 2018 erstmalig zum Einsatz. Weiterhin verleihen ein Streichquartett, Synthesizer, elektronische Loops, Live-Drums und ein Streichorchester dem Werk eine besondere Eigendynamik. Die Grenzen zwischen E- und U-Musik verlaufen auf dem Werk daher nahezu fließend. Schön jedenfalls, wenn typische Schubladen nicht recht greifen wollen. Mit der Platte geht es 2019 auf Welttournee.
Mit "Some Kind Of Peace" verarbeitet Arnald musikalisch seine Lebensgeschichte, ohne dass die Platte von 2020 auf einem bestimmten Konzept beruht. Außerdem kommen Sampling-Techniken zum Einsatz und man hört verschiedene Gastmusiker und Gastmusikerinnen wie Bonobo, Josin und JFDR. Am Ende bleibt ein stimmungsvolles Werk über die Höhen und Tiefen des Lebens, das neben vertrauten Piano- und Streicherklängen mit anspruchsvollem Pop aufwartet, was man vom Isländer nicht unbedingt erwartet hätte.
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