18. März 2005

"Wir wollen nicht nur wütend sein und herum schreien"

Interview geführt von

In Köln und Berlin sollten Ende Februar nicht nur zwei Clubshows der Queens Of The Stone Age stattfinden, sondern die Presse auch die Möglichkeit erhalten, die Bandmitglieder über das neue Album "Lullabies To Paralyze" (21. März) auszufragen. Doch Bandchef Josh Homme erlitt eine schwere Lungeninfektion und musste noch vor den Gigs zurück in die Staaten fliegen, weswegen die Plattenfirma Universal nun flugs ein paar Telefon-Interviews organisiert hat.

Für ein Gespräch mit Queens Of The Stone Age bleibt man ja gerne mal länger im Büro, auch wenn man nicht mit Josh Homme, sondern mit Neu-Gitarrist Troy Van Leeuwen verbunden wird. Schließlich ist das vierte Album der Band gleichzeitig auch das erste ohne Langzeit-Basser Nick Oliveri. Doch die Fragen zu ihm sollte ich leider nicht mehr stellen dürfen.

21 Uhr, das Telefon klingelt pünktlich. Hi, hier ist Neil von Interscope. Ich habe Troy in der Leitung, wenn du bereit bist. Kurz darauf spricht aber erneut Neil, und zwar dass er "so sorry" sei, das Gespräch müsse mit zehnminütiger Verspätung stattfinden. Um 21.14 Uhr meldet sich Ryan von Interscope, der mich zunächst fragt, ob ich mich denn gut fühle, um anzuschließen, dass er, sollte ich bereit sein, eine Verbindung zu Troy von Queens Of The Stone Age herstellen könne. Nun, ich finde die Idee herzallerliebst. Genau wie sein Versprechen der zwanzig Minuten Interviewzeit, die sich später ohne nähere Angabe von Gründen auf dreizehn verkürzt. Nach weiteren Sekunden meldet sich schließlich der Gitarrist, allerdings ist die Verbindung nun nicht mehr ganz so einwandfrei. Auch diese Sache klärt sich später auf.

Hi Michael, hier ist Troy. Alles klar bei dir?

Oh, ich kann nicht klagen. Ich habe Feierabend und sitze hier mit meinem Bier am Telefon.

Ach schön. Ich wünschte, für mich wäre es auch schon Zeit für Bier.

Kommt bestimmt noch. Wie geht es denn deinem Freund Josh inzwischen?

Es geht ihm allmählich besser. Genau genommen hat er erst jetzt wieder angefangen zu singen. Zunächst konnte er ja eine Woche lang nichtmal sprechen. Am Anfang haben wir uns wirklich große Sorgen um ihn gemacht, aber nun geht es wieder aufwärts.

Auf eurer Website habt ihr versprochen, für die Ticket-Inhaber der ausgefallenen Konzerte in Köln und Berlin Geschenke mitzubringen, wenn ihr im Sommer auf Tournee kommt.

Ja, irgendwie kriegen wir das auch hin. Auf diese Weise wollen wir uns bei den Fans bedanken. Das sind wir ihnen schuldig, denn sie haben sich mindestens so auf die Shows gefreut wie wir. Worum es sich bei dem Geschenk dreht, steht aber momentan noch nicht fest. (Josh ließ mittlerweile auf qotsa.com verlauten, dass er Vinylsingles im Visier hat).

Auf "Lullabies To Paralyze" sind ja doch einige Soundveränderungen erkennbar. Vor allem die ruhigeren Songs wie "I Never Came" und "Long Slow Goodbye" zeigen eine neue, romantische Seite der Band auf und sind ein echter Fortschritt.

Was wäre die Welt ohne Herausforderungen? Es ist halt wichtig, dass man sich keine Stilgrenzen setzt. Während den Aufnahmen merkten wir nach und nach, dass uns diese Songs sogar leichter von der Hand gingen als zunächst angenommen. Und weißt du, Heavy Rock zu spielen, ist für uns alltäglich. Da muss man schon sehen, dass man sich nicht wiederholt. Wir wollen nicht nur wütend sein und herum schreien. Es war wichtig, musikalisch ein Stück weiter zu kommen und auch mehr Emotionen mit reinzubringen.

Siehst du deinen Part als Gitarrist eher als Job oder als Freundschaftsdienst an?

Nun, es ist weder ein normaler Job, noch ein Akt der Obsession, wenn du das meinst. Ich bin halt hier, weil ich die Musik liebe und die Philosophie der Band schätze. Es ist eine Herzensangelegenheit.

Hast du auch Songwriting-Credits auf dem Album?

Den Song "In My Head" habe ich mitgeschrieben. Meine Rolle in der Band konzentriert sich aber vor allen Dingen darauf, Joshs Vision zu unterstützen. Schon lange bevor ich Mitglied wurde, war ich ein großer Fan der Band. Ich schätze Joshs Songwriting-Talent und seine Art zu singen und möchte meinen Teil beitragen. An irgendwelchen Ego-Kämpfen um Songwriting-Credits habe ich kein Interesse. Wenn ich seinen Songs etwas hinzufügen kann, ist das großartig.

Josh hat also nicht gefordert, dass du dich über dein Gitarrenspiel hinaus mehr einbringst?

Naja, es gibt schon Sachen, die wir alle mit in den Proberaum gebracht haben. Manches davon schafft es dann auf die Platte, manches nicht, so ist der Lauf der Dinge. Wichtig war, dass am Ende ein in sich geschlossenes Album heraus kommt. Da bleiben zwangsläufig Songs auf der Strecke. Diesmal hatten wir fünf Songs, die nicht in den Rahmen der Platte hinein passten.

Kann man sagen, dass "Lullabies To Paralyze" die Vision einer Person ist, die von einer Band aufgenommen wurde?

Es ist die Vision ... nun, Queens Of The Stone Age ist ganz klar die Vision von Josh Homme (sprich: Dschasch Ommi). Die Aufgabe der Mitspieler ist es, alles zu geben, um diese Vision zu einer Vollendung zu bringen. Da gehört der Prozess des Songwritings genauso dazu, wie die Fähigkeit, im weiteren Verlauf songdienlich und frei von Egos zu arbeiten. Das ist die Philosophie der Band. Wir sind sehr glücklich, Musik zu machen, die die ganze Welt interessiert und wir nehmen diese Aufgabe sehr ernst.

Würdest du die Arbeit mit einem Musiker wie Josh im Vergleich zu A Perfect Circle-Sänger Maynard James Keenan als einfacher bezeichnen?

Mit Josh kann ich sehr gut arbeiten, da wir eine Menge ähnlicher Ideen haben, was Melodien und Harmonien angeht. Das ist auch Teil der gesamten Bandchemie. Maynard ist dagegen eher der Lyriker und Sänger. Man kann ihn vielleicht eher als Künstler beschreiben denn als Musiker. Er betreibt seine Kunst auf sehr intelligente Art und Weise. Aber die Arbeit mit ihm ist total anders. Man kann das gar nicht mit Begriffen wie "leichter" oder "schwerer" umschreiben ... Ich meine, ich bewundere seine Fähigkeiten als Sänger. Aber Josh ist eben auch Gitarrist, so dass wir oft ähnliche Ideen hinsichtlich der Entstehung und Entwicklung von Songstrukturen haben. Vielleicht ist die Arbeit mit ihm deswegen ein wenig leichter. Aus der gemeinsamen Arbeit mit Maynard entstehen dafür völlig andere Resultate, die ich ebenso sehr schätze.

Wieviele Songs haben es denn dieses Mal nicht auf das neue Album geschafft?

Aufgenommen haben wir zwanzig Songs, wovon vierzehn auf die Platte kommen. Und dann hatten wir noch etwa sechs, sieben Songs, die wir noch nicht einmal aufnehmen konnten. Eigentlich sind schon wieder genug Sachen für eine neue Platte vorhanden. (lacht)

Oh schön, und wann erscheint die dann?

Well, zuerst müssen wir diese mal rausbringen. (lacht)

Der Song "I Wanna Make It Witchu", der bereits auf der letzten Desert Sessions-Platte drauf war, sollte lange Zeit auch auf "Lullabies To Paralyze" erscheinen. Wieso hat das nicht geklappt?

Tja, ich kann dir sagen, wir haben wirklich alles versucht! Jeder in der Band liebt diesen Song. Doch irgendwie wollte er nicht zu den Sachen passen, an denen wir zu einem bestimmten Zeitpunkt saßen. Wobei wir uns mehrere Male an ihm versucht haben. Aber eine unserer Philosophien ist eben auch: Wenn ein Song nach fünf Takes nicht funktioniert, fliegt er raus. Obendrein ist die Version von den Desert Sessions der erste oder zweite Take gewesen!

Ihr habt diesmal ja auch mit Frauen zusammen gearbeitet. Wann kam euch der Gedanke, dass der ein oder andere Song weiblichen Input benötigt?

Also ich denke, mir wurde das bewusst, als ich von der Bühne aus das Publikum betrachtet und in der ersten Reihe nur Männer gesehen habe. (lacht) Ich will da auch Frauen sehen. Schon bei Perfect Circle mit Paz (Lenchantin, Bass, Anm. d. Red.) mochte ich dieses weibliche Element in der Musik. Aber um es kurz zu machen: wir lieben Frauen! (lacht)

Wie lief es denn mit Shirley (Manson) und Brody (Dalle)?

Es war einfach naheliegend, da die beiden ohnehin die ganze Zeit in der Studio-Lounge abhingen und Wein tranken. Und der Song, an dem wir zu jenem Zeitpunkt arbeiteten ("You Got A Killer Scene There, Man ..."), schien nach weiblichem Background-Gesang geradezu zu schreien. Also kamen sie schnell rein und nach einer halben Stunde war alles fertig. Das ging ruckzuck.

Verursachte es keine Probleme, dass mit Brody die ganze Zeit die Freundin von Josh bei euch abhing?

Überhaupt nicht. Wir kommen ja alle gut miteinander aus. Sie ist Musikerin und wo immer wir hingehen, ist auch sie eingeladen. Ich meine, sie ist Joshs Lebensgefährtin. Bei uns gibt es keine Ansagen, die einer Freundin oder einem Freund vorschreiben, nicht im Proberaum vorbei schauen zu dürfen.

Billy Gibbons von ZZ Top kam ja auch bei euch durch. Hat er gleich ein Gefühl für den entsprechenden Song ("Burn The Witch") entwickelt oder musstet ihr ihn erst ins Gebet nehmen?

Nicht wirklich, nein. Er wusste sofort, was zu tun war. Es war toll. Er ist einfach ein echter Gentleman aus dem Süden. Billy ist ein Blues-Mann und er ist schon lange dabei. Wir waren schon froh genug, dass er überhaupt bei uns reinschaute.

Wie wichtig sind Kuhglocken für das neue Album?

Ich war der Meinung, wir brauchen mehr! (lacht)

Kommen wir zum Song "Everybody Knows That You're Insane", ist er autobiographischer Natur?

Ich würde sagen, dieser Song trifft einfach auf jede Person zu, die dir in den Sinn kommt. Auch auf den Typ im Spiegel. Eigentlich ist es ein Song für die ganze Bevölkerung. Ich denke, dass alle Menschen verrückt sind.

Wieso das?

Naja, wie jeder durch sein Leben hindurch wandert und Entscheidungen trifft. Wie Leute auf dem Freeway fahren. Wie verrückt sich manche Menschen verhalten. Oder schau mich an, ich spreche mit dir am Telefon in meinem Auto.

Du bist in deinem Auto?

Klar, ich spreche mit dir über meine Freisprechanlage und die Leute schauen mich an, als sei ich verrückt, weil sie denken, ich rede mit mir selbst.

Du bist also alleine?

Ja, bis auf den Typ, der die ganze Zeit neben mir fährt. Ich winke mal zu ihm rüber: "Hi. Hello." Der denkt, ich führe Selbstgespräche, weil er mein Telefon nicht sieht.

Wo fährst du denn gerade hin?

Ich bin auf dem Weg zur Probe.

Plötzlich meldet sich eine dritte Stimme, die Interscope-Stimme, abrupt und ohne Ankündigung zurück: Okay, hier müssen wir leider abbrechen.

Troy: Yeah.

Jetzt schon? Wir haben doch erst dreizehn Minuten gesprochen.

Interscope: Yeah, thank you. Bye.

Troy: See you.

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Das Interview führte Michael Schuh.

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