9. September 2015

"Kunst ist immer so schwer fassbar. Aber ick bin ja da!"

Interview geführt von

Wer ist dieser Typ mit der goldenen Starterjacke und den blonden Indianerzöpfen? Wir trafen uns kurz vor seinem Auftritt auf dem Radio1 Parkfest am Berliner Gleisdreieck mit Romano, um dieser Frage auf den Grund zu gehen.

Trash? Metal? Hip Hop? Pop? Oder gar nur eine Kunstfigur? Über Romano und seine Musik kann man viel sagen, einseitig ist sein Auftreten jedenfalls nicht. Was er von der Wahrnehmung seiner Künstlerpersona hält und noch viel mehr erzählt uns der glänzend aufgelegte Berliner im Interview.

In zwei Stunden stehst du auf der Bühne. Schon nervös?

Also ein bisschen Nervosität ist da, die gibt es ja immer. Das find' ich auch gut. Weil wenn die weg ist, dann wird es so abgebrüht. Bei mir ist es so, dass es so fünf bis zehn Minuten vor dem Auftritt losgeht, dann aber nach einer Minute auf der Bühne weg ist. Du stehst auf der Bühne, zack, bamm, du bist angekommen und dann flutscht es.

Wie darf man sich denn dein Publikum vorstellen?

Das Lustige ist, dass ich den ersten Auftritt erst im April auf der Introducing-Tour hatte und das selber nicht wusste. Das heißt, ich bin raus und dachte so: Okay, sehr viel junges Publikum. Und dann angefangen mit "Ey, ich bin der schöne General" und alle Hände waren oben. Ich so: Wooow, cool! Und ich finde, das Publikum ist bunt gemischt. In der Else in Berlin, da waren vier, fünf Metaller mit ihren Kutten da. Aber auch gleichzeitig Hip Hopper und so queerbeet. Einfach normale Leute, die jetzt nicht in eine Szene einzuordnen sind. Das fand ich irgendwie schön, dass es eine bunte Mischung ist.

Du warst im Sommer dann auf diversen Festivals unterwegs. Was ist dir lieber, das typische Metal- oder das Hip Hop-Publikum?

Ich glaube, mir ist es lieber, wenn es einfach eine bunte Mischung aus allen Leuten ist. Ich will mich da gar nicht festlegen, weil ich mich musikalisch auch noch nicht so richtig festgelegt habe. Auf dem Splash! ist es ein bisschen schwieriger als beispielsweise auf dem Melt! Weil auf dem Splash! ist es ja so, dass da zu neunzig Prozent Hip Hop gespielt wird. Da waren auch genug Leute, die abgegangen sind, aber es war zum Teil auch ein bisschen verhaltener. Beim Melt! hast du Electro, Rock, Pop, alles querbeet. Deswegen hab' ich das Gefühl, da sind auch Leute, die sich mit mehreren Musikrichtungen beschäftigen. Da sind alle total ausgerastet. Das ist vielleicht ein bisschen der Punkt, dass das Szenebewusstsein im Hip Hop noch deutlicher ausgeprägt ist. Woanders hast du Leute, die eben ein bisschen doller über den Tellerrand gucken.

Also würdest du sagen, das Melt! war deine beste Show bisher?

Weiß ich gar nicht so genau. Das Dockville in Hamburg war auch richtig krass. Ich hatte vorher einen DJ, Kilian, der jetzt leider ausgestiegen ist, weil er viel Studioarbeit machen muss. Jetzt haben wir Anton dabei und der ist ein toller Typ. Der war in Hamburg zum ersten Mal dabei, wir hatten diesmal kein Schlagzeug, das heißt: in kleiner Besetzung gespielt. Aber das war auch ein Knaller, geiles Publikum. Und das Tolle ist, dass die Leute die Songs jetzt auch mehr mitsingen können. Die kennen das schon, singen Textstellen mit und darüber freu' ich mich natürlich.

Sind die ersten drei Single-Auskopplungen eigentlich bewusst so gewählt, dass man dich als möglichst vielseitig wahrnimmt?

Mhmm, ja ... aber egal, was ich jetzt danach gemacht hätte, also nach "Brenn Die Bank Ab": Ich glaub' einfach, dass die ganzen Songs sehr vielseitig sind. Es war so, "Klaps Auf Den Po" war schon immer ein Favorit von mir. Das ist 'ne Begrüßungsform, die ich in Köpenick oft gemacht habe. Wenn man mich ein bisschen kennt ... Dann meinte Moritz, mein Produzent: Samma, wollen wir das nicht als Erstes machen? Aber es war Winter, als wir das Projekt gestartet haben, da passte "Metalkutte" so gut. Virgin Records fand das auch geil, deshalb haben wir uns dann so entschieden. Und ich fands so krass, dass der Metal Hammer direkt auf mich zukommt. Ich dachte so, vielleicht fragen die mich nach einem halben Jahr an, und dann war es nach vier Tagen schon so weit. Ich hab' mich wie ein Kind gefreut.

Ich hab' zum ersten Mal bei Radio Fritz von dir gehört, weil Tua von den Orsons sich den Track gewünscht hat. Es wurde dann spekuliert, dass du nur ein Schauspieler bist, damit das Video interessanter aussieht.

Es gab ja auch Leute, die davon ausgehen, dass das ein reines Kunstprojekt ist. Es gab ja davor schon das Video zu "Itchy/Cornerboy". Siriusmo, also Moritz, brauchte für sein zweites Album "Enthusiast" ein Video. Zu der Zeit kam Jakob Grunert dazu, der ist von Icke & Er, und auch Regisseur, ein Videomacher. Und der meinte so, auf jeden Fall "Cornerboy". Moritz meinte aber, da gibts noch so einen Song, "Itchy". Ich dann so: Moritz, ey, der dauert viereinhalb Minuten. Was soll ich denn da machen? Und Jakob: Wir filmen einfach dich und dein Umfeld, deine Omas aus dem Haus. So ist die Zusammenarbeit entstanden und dann später mit "Metalkutte" war es so, dass es einfach Bands waren, die mich interessiert haben. Klar, viele Leute denken, ich wäre ein Schauspieler, aber bin ich ja nicht. Wenn Leute fragen: Bist du 'ne Kunstfigur? Dann sag' ich: Kunst ist immer so schwer fassbar. Aber ick bin ja da, ick bin bei den Leuten.

Wie viel Wert legst du auf dein Äußeres, bist du sehr eitel?

"Der Schöne General" ist eitel, in dem Song. Und jeder Song ist auch ein Teil von mir. In diesem Teil bin ich auch der eitle Typ. Ich trage auch gerne Parfums. Ich hab' so ein Nachtparfum, und ick mache manchmal sogar zwei Düfte übereinander. Ick les' auch privat die Glamour, um zu gucken, wie es gerade mit den Handtaschen läuft bei den Frauen. Also die hol' ick mir monatlich.

"Musik ist für mich wie eine schöne Frau."

Stört es dich, dass du deswegen manchmal mehr Aufmerksamkeit bekommst als wegen deiner Musik?

Ach, ist doch völlig okay. Manchmal ist es so, Leute finden das Aussehen irgendwie krass und haben dann Bock, auch die Musik zu hören. Andere kommen auf die Musik und dann sehen se das ... ach, alles völlig okay.

Einer meiner Kollegen hat deinen Hype zum Beispiel mit der Faszination für Trash erklärt und dich mit dem Film "Sharknado" verglichen. Kannst du darüber lachen?

Das Ding ist, manche Leute sehen das so, und verbinden mich mit Trash. Aber das ist so, weil sie eine Schublade brauchen. Die Leute gehen ja immer von dem aus, was sie so kennen. Dann gibt es noch die Putin-Schublade, oder Aphex Twin oder Antwoord, es gibt einfach verschiedene Schubladen. Ich kann aber nur das machen, was ich mache, und passe da nicht rein. Die Leute selber erfinden Schubladen. Das ist okay. Pack' mich darein, ich kann mich davor nicht verschließen. Ich bin aber so, wie ich bin. Ich bin wie das Album, das ich offeriere. Ist doch okay, dann sieht er das so. Ein anderer sagt: Du bist der coole Typ von nebenan, Köpenicker, coole Nummer.

Du bist Mitte 30 und machst schon einige Jahre Musik. Findest du das, was gerade passiert, trotzdem richtig aufregend?

Das Album ist auf jeden Fall eine tolle Sache. Ich hab' über die Jahre viel Musik gemacht, viel gespielt. Mit der Rockband damals, in der ich sechseinhalb Jahre war, hatten wir auch einen Plattendeal. Wir sind beim South by Southwest aufgetreten. Viel unterwegs gewesen, viel gesehen. Das war jetzt einfach so der nächste Step. Alles, was ich erlebt habe, ist jetzt das, was fertig geworden ist. Ich hab' das mal mit einem dicken Sirup verglichen: Die ganzen Zutaten aus den letzten 18 Jahren haben jetzt diesen Topf ergeben. Oder ich sags mal so: Wenn jede Persönlichkeit von mir - ich hab ja verschiedene - ein Schiff ist, dann haben die jetzt einen Hafen gefunden. Die legen jetzt alle da an. Aber es ist nicht so, dass ein Schiff sagt, es legt wieder ab und macht sein Ding. Die haben ihren Hafen gefunden und das fühlt sich gut an. Vor allem mit dem Produzenten, mit dem ich schon immer ein Album machen wollte und den ich seit 1996 kenne, hat es jetzt geklappt. Es war einfach das richtige Zeitfenster und für alle ein gutes Gefühl.

Bist du auch in den Produktions-Prozess involviert?

Das geht so Hand in Hand. Ich singe zum Beispiel eine Gesangsschleife und dann spielt Moritz was dazu und ich sage, er kann das auch anders spielen. Dann kommt Jakob dazu, weil der auch etwas vorproduziert hat und sagt dann, er würde das ganz anders machen. Das heißt, wir alle sind mit drin. Aber wenn man es knallhart ordnen will, kann man sagen: Moritz ist für die Musik verantwortlich und Jakob für die visuelle Umsetzung. Und ich der Allrounder, der die Texte schreibt und performt. Aber die Jungs geben mir auch immer Tipps, also eigentlich machen wir das alles zusammen.

Kann man sich den Schreibprozess so vorstellen, dass du in deinem Alltag etwas Spannendes entdeckst, dich zuhause hinsetzt und genau das zum Thema machst?

Kann man so sagen. Das Ding ist natürlich, aus den 18 Jahren hatte ich natürlich schon Material. Die erste Nummer ist "Sextrain" gewesen. Ich hab' ja Mediengestalter gelernt und bin jeden Morgen zur Arbeit gefahren. Wenn man zu wenig Schlaf hat, oder einen Kaffee zu viel, und so im Berufsverkehr sitzt, gibt es so Momente. Kopfkino, wahrscheinlich. Einer guckt so rüber, guckt wieder weg und noch mal her und du denkst so: krass. Und der Nächste hat eine Zeitung und berührt dich ganz flüchtig. Das war für mich dann der "Sextrain", da passieren Sachen. Nach dem Song gings immer weiter mit verschiedenen anderen Themen. "Maskenball" und "Stahlraum" sind zum Beispiel richtige Gedichte gewesen, die wir dann vertont haben. Ich liebe das, das wird es auch immer mal wieder geben.

Gibt es aktuell noch Themen, die dir unter den Nägeln brennen, oder hast du dich mit dem Album erst einmal verausgabt?

Wir haben es gar nicht geschafft, alles unterzubringen. Es gibt noch eine Menge anderer Themen, aber wir mussten irgendwann den Stecker ziehen. Wir haben überlegt: Sollen es jetzt 16 Songs, 20 Songs werden? Aber dann lieber 13 Songs richtig fertig machen, bevor wir uns verzetteln. So haben wir bei jedem das Gefühl, am Ende happy zu sein.

Wodurch genau ist Virgin Records eigentlich auf dich oder euch aufmerksam geworden?

Wir haben ja im Studio zusammen gearbeitet und hatten so fünf, sechs Songs fertig. Dann überlegt man sich natürlich: Warum machen wir das denn jetzt? Weil wir uns jeden Dienstag auf ein Bier treffen, oder was passiert da? Da dachten wir, wir fragen einfach mal ein paar Plattenfirmen und gucken, was passiert. Virgin hat sich letztes Jahr erst gegründet, beziehungsweise neugegründet, und die waren sofort begeistert. Die haben unsere Vision geteilt und tun das bis heute. Die Zusammenarbeit ist großartig, die haben super Ideen. Deswegen bin ich sehr, sehr glücklich. Das sind tolle Menschen hier. So etwas gibts nicht oft.

Als Mediengestalter möchtest du in Zukunft also nicht mehr arbeiten?

Das war immer so ein Ding, so eine Art Brotberuf. Der hat finanziert, dass ich mit der Musik mein ganzes Leben lang Freiheiten hatte. Ich hätte auch etwas in Richtung Coverbands machen können, also nur Musik. Aber du kannst dir das vorstellen wie eine sehr schöne Frau, die ich nicht verunstalten wollte. Also gehe ich arbeiten, mache meinen Job, komme nach Hause und dann erst Musik. Die bleibt mir heilig und ich will sie nicht verunstalten. Damit bin ich mir die ganzen Jahre treu geblieben.

"Auf einer guten Party legt man jegliche Masken ab."

Du warst mit deiner Musik schon viel unterwegs. Was macht Berlin so besonders für dich?

Köpenick machts. Berlin natürlich auch in seiner Gesamtheit. Aber Köpenick hat für mich einfach einen besonderen Reiz. Das ist Großstadt und Kleinstadt. Die Gentrifizierung ist noch nicht so weit fortgeschritten. Du hast die Omis, du kannst Enten füttern, du kannst am Müggelsee baden gehen oder Boot fahren. In der ganzen Unruhe, die in meinem Leben immer wieder herrscht, komm' ich nach Köpenick und denke: Irgendwie ist es mein Köpenick.

Ein anderes wichtiges Thema für dich ist die Westcoast. Du warst auf der Premiere von "Straight Outta Compton". Was hältst du als N.W.A.-Fan davon?

Ich fand ihn dann doch am Schluss ein bisschen kitschig. Aber das ist ja klar, es muss ja irgendwie rund und unterhaltend sein. Ich finde, sie haben sich zum Schluss auch ein bisschen von der Länge her übernommen. Der Film geht ja über zwei Stunden und das Problem ist, es gibt zu viele Stränge, die parallel laufen. Und ich kenne die ja alle, ich hab' mich jahrelang damit beschäftigt. Aber man ist so überladen. Dann kommt der noch und Eazy sagt plötzlich: Okay, ich hör' jetzt auf mit dem Dealen ... Es hinterlässt einfach zu viele Lücken. Was ich gut finde ist, dass junge Leute, die das gar nicht kannten, zum ersten Mal damit in Kontakt kommen. Und dann haben die vielleicht Bock, eine Dokumentation darüber zu gucken. Ich denke, das bringt im Nachhinein mehr. Filme sind oftmals die Legenden- und Heldenstories der einzelnen Personen. Eazy-E konnte jetzt gar nichts mehr dazu sagen. Es ist immer die Sichtweise von Dre und Ice Cube. Die werden dann in ein bestimmtes Licht gerückt. Auf jeden Fall kann ich sagen: Ich finde es gut, dass der Film rausgekommen ist und den jungen Leuten ein bisschen zeigt, das Hip Hop mehr ist, als das, was man jetzt gerade kennt. Aber definitiv danach noch ne Doku gucken. Es gibt zum Beispiel eine, "Welcome to Death Row", die ist sehr gut.

Du trägst gerne deine goldene 49ers-Jacke. Verfolgst du Football?

Das Ding ist, ich finde die Mode schön. Anfang der 90er konnte ich mir so eine Jacke gar nicht kaufen. Ich hatte vielleicht ein Taschengeld von 50 Mark, dann wurde es irgendwann auf 100 erhöht. Dann habe ich mir so einen lilanen Windbreaker von den Vikings geholt. Aber dit war nicht so richtig dit. Ich wollte eine von den tollen Jacken. Von meiner ersten Kohle als Azubi habe ich dann angefangen, mir die bei Ebay zu bestellen. Inzwischen habe ich eine Sammlung von 25, 30 Jacken. Die Goldene ist es dann einfach geworden, sozusagen mein Wahrzeichen. Aber in "Klaps Auf Den Po" zeige ich auch ein paar andere Jacken. Ich liebe das. Ich liebe Jogginghosen, Hightops dazu, Starterjacke an, zwei Zöpfe, perfekt. Dann gehts los.

"Dekadent, provokant – so soll eine Party sein" heißt es auf "Maskenball". Kannst du dich noch an deine allerbeste Party erinnern?

Ich weiß gar nicht. Also eine gute Party ist eine, auf der man jegliche Form der Maske ablegt und ganz man selbst ist. Manche brauchen da auch ein paar Bier zu, oder Sekt. Wenn du auf der Straße bist, läuft jemand an dir vorbei und lächelt dich an. In dem Moment kann man denken: Warum lächelt der mich an? Will der mein Bankkonto, gehts dem zu gut? Aber man kann auch Folgendes denken: Geil, der lächelt mich an! Lächelst zurück, wunderbar. Es ist die Interaktion mit den Menschen, die auch Thema auf "Maskenball" ist. Zeig' dich mal wirklich, wer bist du? Das ist eine schwierige Frage, aber man nähert sich der Sache schon an, wenn man probiert, die Situation nicht zu manipulieren. Wenn man einfach im Moment ist und sich komplett darauf einlässt. Ohne irgendetwas zu wollen oder zu fordern. Wenn du nichts erwartest, dann passieren Wunder. Du lernst jemanden kennen oder denkst: Warum ist die Musik hier so geil?

Das ist mittlerweile beim Feiern besonders schlimm. Du bist die ganze Zeit vernetzt und quasi gezwungen, eine geile Zeit zu haben.

Du sagst es. Da gibts dann auch dieses Partyhopping. Früher gabs diese eine Party, da biste dann auch geblieben. Und jetzt ist es so: Ich kann mir im Internet das und das angucken. Ich kann gleichzeitig auch noch das machen. Und weißt du, was dann passiert? Man macht alles nur noch halb. Ich finde, das sind zwar unglaubliche Möglichkeiten, aber man sollte versuchen, einen roten Faden zu behalten. Sonst kommt man völlig durcheinander. Ob das nur bei Parties oder bei Beziehungen so ist. Diese Schnelllebigkeit. Ich finde es schön, wenn man auch mal was wagt. Einfach mal seinen Weg gehen und sich nicht so leicht ablenken lassen.

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