18. November 2011
"Wir haben uns bepisst vor Lachen"
Interview geführt von Kai ButterweckThe Black Keys: Zwei Bluesrocker aus Ohio nehmen neun Jahre Anlauf und springen mit ihrem sechsten Output urplötzlich weiter als alle anderen. Doch statt den neuerlichen Ruhm exzessiv zu genießen und in feudale Studios einzuchecken, verbarrikadierten sich das Duo für den siebten Streich "El Camino" lieber vierzig Tage spartanisch eingerichteten Homestudio von Sänger Dan. Das nennt man bodenständig.Kurz bevor die Jahrespoll-Listen schließen, bewirbt sich Anfang Dezember noch das kongeniale Duo Auerbach und Carney alias The Black Keys mit "El Camino" um die vorderen Plätze. Nach dem bahnbrechenden Erfolg des Vorgängers "Brothers" und dem fulminanten ersten Vorgeschmack auf die siebte Platte mit der Single "Lonely Boy" müsste es schon mit dem Teufel zugehen, sollte es nicht wenigstens für die Top Ten reichen.
Nachdem sich beide seit dem Debüt "The Big Come Up" (2002) eher unauffällig den Weg durchs Business bahnten, katapultierte sie "Brothers" förmlich über Nacht auf die roten Teppiche dieser Welt. Plötzlich standen alle Schlange und jeder wollte wissen, was es mit dem vierfach für den Grammy nominierten Bluesrock-Zweier aus Akron, Ohio auf sich hat.
Zwei der begehrten Musik-Oscars nennen die Black Keys mittlerweile ihr Eigen. Dazu gesellt sich ein MTV-Award. Im Frühjahr 2011 war dann Schluss mit lustig. Knapp dem Burn-Out entronnen, zogen Auerbach und Carney die Reißleine: Sie cancelten den Großteil der Tour, um den Akku wieder aufzuladen und am Nachfolger zu arbeiten.
Einige Tage nach dem Release der brandneuen Single "Lonely Boy" quartiert man sich im feudalen Berliner Lux*11 Design Hotel ein, um der Presse Rede und Antwort zu stehen. Die renommierten Gazetten reißen sich um die beiden Amerikaner, und so leuchtet bereits der Mond am dunklen Hauptstadt-Himmel, als wir auf zwei ziemlich übermüdet wirkende Protagonisten treffen.
Ihr seht müde aus. Ein anstrengender Tag?
Dan: Oh ja, das kann man wohl sagen.
Man könnte fast das Gefühl bekommen, ihr wärt unbelehrbar ...
Dan: Warum?
Patrick: Was meinst du?
Ich erinnere nur an die abgesagten Shows im Frühjahr. Ihr solltet doch am besten wissen, was passieren kann, wenn man sich 'übernimmt', oder?
Dan: Du hast Recht. Wir sollten mit unseren Kräften haushalten (lacht).
Patrick: Andererseits würden wir sonst nicht mit dir reden können.
Da ist was dran, das wäre schlimm! Ich durfte vorab ins neue Material reinhören. "Brothers" glänzte noch durch seinen intensiven Soul-Vibe. Auf "El Camino" gehts für eure Verhältnisse ziemlich hart zu. Für mich klingt das Album wie der perfekte Rock'n'Roll-Soundtrack für Shaft oder Starsky & Hutch.
Dan: (lacht) Das hast du schön gesagt.
Patrick: Bei uns hängt immer viel davon ab, was wir während der Zeit des Songwritings selber für Musik hören. Bei "Brothers" fuhren wir gerade total auf alten Soul und Hip Hop ab, während wir bei den letzten Aufnahmen eher rockige Sachen hörten. Da lassen wir uns dann einfach leiten. Dieses Mal wollten wir unbedingt deftiger und schneller zur Sache gehen und die Stimmung des kompletten Aufnahme-Umfeldes so authentisch wie möglich festhalten.
Ihr habt das Album im Studio von Dan in Nashville aufgenommen.
Patrick: Ja, wir brauchen einfach nicht viel. Dieser ganze Technikkram in gemieteten Studios ist doch fürn Arsch. Gib uns einen Raum, ein Drumset, ein paar Verstärker, eine Gitarre, ein 8-Spur-Recorder, fünf Mikros und wir sind glücklich. Ich meine, so haben wir damals angefangen, und so klappt es auch am besten.
Dan: Die High-Tech-Studios sind meiner Meinung nach völlig überbewertet. Versteh mich nicht falsch, in großen Studios sind große Alben entstanden, keine Frage. Aber wenn du dir die Mühe machst und recherchierst, wie und wo Meilensteine entstanden sind, die mit dem neuzeitlichen Kram nichts zu tun haben, dann wirst du feststellen, dass die Leute damals mit genauso wenig Equipment ausgekommen sind wie wir.
Ich kann mich erinnern, wir haben ja auch schon einige Sachen extern aufgenommen, fürs Radio oder fürs Fernsehen. Dort schleifte man uns in riesige Studios. Ich habe mich total unwohl gefühlt. Es ist einfach enorm wichtig, dass man sich ein Umfeld schafft, wo man das Gefühl hat, das Beste aus sich rausholen zu können. Bei uns ist das der Fall, wenns klein und gemütlich wird.
"Man muss sich manchmal kneifen"
Sieht das euer Produzent Brian Burton alias Danger Mouse genauso?Dan: In erster Linie ist Brian unser Freund. Ich glaube, er würde auch mit uns arbeiten, wenn wir uns in irgendeiner Scheune verbarrikadierten.
So genannte Freunde dürftet ihr mittlerweile ziemlich viele haben, wenn man sich die vergangenen fünfzehn Monate vor Augen führt ...
Dan: Nun, Freunde sind natürlich nicht gleich Freunde, wie jeder weiß. Aber du hast Recht, die letzten Monate waren schon ziemlich abgefahren.
Die Band hat sich neun Jahre lang kontinuierlich entwickelt, und plötzlich explodiert alles. Wie fühlt man sich das an?
Patrick: Das war natürlich im ersten Moment ganz schön befremdlich. Wir hätten nicht gedacht, das "Brothers" dermaßen einschlägt. Auf einmal setzt sich ein Rad in Bewegung, das größer ist, als alles was du dir vorher hättest vorstellen können. Wir wurden ziemlich rumgereicht. Dann kamen die Grammys, die schicken Anzüge und all die Promotermine. Das war nicht immer einfach, aber letztlich freuen wir uns natürlich über den Erfolg, ganz klar.
Ich denke, gerade die Grammys dürften euch in Erinnerung geblieben sein.
Patrick: Absolut. Das war schon toll. Auch Saturday Night Live war ein beeindruckendes Erlebnis. Es kam wirklich viel zusammen. Es gab aber auch vorher schon viele schöne und wichtige Momente. Ich kann mich erinnern, wie wir unser erstes Interview für den Rolling Stone gaben. Das war 2002. Wir fuhren damals noch mit unserem Van quer durch die Staaten. Vom Gefühl her würde ich das sogar über die Grammys stellen. Neun Jahre später sitzen wir hier mit dir in diesem schönen Hotel mitten in Berlin. Man muss sich manchmal schon kneifen.
Plötzlich entsteht auch eine öffentliche Erwartungshaltung hinsichtlich des neuen Albums. Habt ihr den Druck gespürt?
Patrick: Nein, wir haben überhaupt keinen Druck gespürt und haben uns vor allem auch selber keinen Druck gemacht. Wir wollten von Anfang an keine Kopie von "Brothers" machen, sondern uns vielmehr der Herausforderung stellen, etwas Neues zu kreieren. Dementsprechend anders klingt "El Camino" dann auch.
"Er war einfach unglaublich, ein Naturtalent"
Ziemlich anders stellt sich auch euer erstes Video zur Single "Lonely Boy" dar, wenn es mit dem prämierten Clip zu "Howlin For You" vom letzten Album vergleicht. Ich muss gestehen, ich habe mich köstlich amüsiert, als ich es zum ersten Mal sah. Wo habt ihr nur diesen Tänzer herbekommen?Dan: Dieser Typ war einfach da. Wir fragten ihn, ob er Lust hätte, im Clip ein bisschen zu tanzen und dabei seine Lippen zu bewegen, so als würde er mitsingen. Er war einfach unglaublich, ein Naturtalent. Er hatte den ganzen Text drauf und fing plötzlich, an sich zu bewegen. Es waren ungefähr dreißig Leute hinter der Kamera, die sich bepisst haben vor Lachen, und er hat es einfach durchgezogen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Patrick: Wir haben nur diesen einen "Take" gemacht, mehr nicht. Es war perfekt.
"El Camino" bedeutet spanisch so viel wie "der Weg" oder "die Route". Auf dem Cover ist ein Van abgebildet, mit dem ihr zu Beginn eurer Karriere durch die Landen gefahren seid. Schwingt da Wehmut mit?
Dan: Das ist ein 92er Plymouth Grande Voyager. Ein treuer Weggefährte über viele Jahre hin. Wir fliegen mittlerweile auch gerne, aber die Erinnerung an dieses Auto und die damit verbundene Zeit wird uns immer begleiten. Da kommt keine Wehmut auf, eher ein Gefühl für Erdung und Bodenständigkeit, und dass man nie vergisst, wie alles mal angefangen hat.
Lasst uns noch kurz über die Zukunft sprechen. Ihr holt zwei der vier im vergangenen Frühjahr gecancelten Deutschland-Konzerte im Januar nach. Müssen sich die Fans abermals Sorgen machen?
Patrick: Nein, ich denke nicht, auch wenn wir momentan ziemlich ausgelaugt erscheinen (lacht). Der Tag war einfach lang, und diese ganzen Promo-Termine schlauchen ganz schön. Aber sie sind auch enorm wichtig. Als wir uns im Frühjahr dazu entschieden, die Tour abzubrechen, standen wir kurz vor dem Burn-Out. Das war eine andere Hausnummer. Wir spielten noch die Saturday Night Live-Geschichte, und danach war Schluss. Wir konnten einfach nicht mehr, was uns sehr leid getan hat für die Fans, aber wir brauchten einfach eine Auszeit.
Dan: Die dauerte allerdings nicht sonderlich lange. Kurz danach haben wir uns bereits mit den Aufnahmen zu "El Camino" beschäftigt.
Patrick: Auf jeden Fall freuen wir uns schon sehr auf die Tour. Macht euch also keine Sorgen.
Dein Wort in Gottes Ohr!
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