laut.de-Biographie
Tony Rice
"Bluegrass-Ikone Tony Rice, der Jimi Hendrix der akustischen Gitarre, ist im Alter von 69 Jahren gestorben" twitterte die US-Ausgabe der Zeitschrift Rolling Stone am 27. Dezember 2020. Dass Rice verstorben war, ließ sich leider nicht weg diskutieren. Aber der Vergleich mit Hendrix? Wie so oft war die Schlagzeile eine ungefähre Zusammenfassung eines komplizierteren Sachverhalts.
1951 in Virginia geboren, aber in Los Angeles aufgewachsen, beginnt Rice schon früh, Gitarre zu spielen, angeregt von seinem Vater Herb, der Mitglied der Bluegrass-Band The Golden State Boys ist. 1970 zieht er nach Louisville, Kentucky, wo er sich erst der Bluegrass Alliance, dann bald der Begleitband des Banjospielers J.D. Crowe anschließt. Es sind die ersten von vielen Zusammenarbeiten, die seine Karriere prägen.
Rice gelingt es, die Gitarre, die im Bluegrass bis dahin eher als Rhythmusinstrument diente, in den Vordergrund zu bringen. Mit Plektren aus Schildkrötenpanzer bedient er sein Instrument mit fingerbrechender Geschwindigkeit, gleichzeitig mit einem präzisen Anschlag. Zudem ist er genreübergreifend neugierig, auch wenn er eine Abneigung gegen verstärkte Instrumente hat und sich eher in akustischer Begleitung wohl fühlt.
Ob Bluegrass-Größe Ricky Skaggs, Mandolinenspieler David Grisman, später auch Jerry Garcia oder Alison Krauss - Rices Liste an Projekten ist lang. Unter eigenem Namen nimmt er zehn Alben auf, beginnend mit "Guitar" 1973, auf denen er vorwiegend selbst spielt. Weitere sieben erscheinen als Tony Rice Unit, von denen "Manzanita" (1979) das wohl bekannteste ist. Das Material besteht weitgehend aus Coverversionen in technisch anspruchsvoller Umsetzung.
Seine Gesangstimme, ein ruhiger Bariton, verliert Rice in den 1990er Jahren aufgrund einer Krankheit im Halsbereich. Im neuen Jahrtausend kommt ein Tennisellenbogen hinzu, der ihn zunehmend am Gitarrenspielen hindert. Seinen letzten Auftritt gibt er 2013 bei der Einführung in die International Bluegrass Music Hall of Fame.
Seine autorisierte Biographie "Still Inside: The Tony Rice Story" ist da bereits (2010) erschienen. Danach wird es tatsächlich still um ihn, bis sein alter Freund Skaggs am Weihnachtstag 2020 verkündet, dass Rice gestorben sei, während er sich in der Küche seinen Hauses in Reidsville, North Carolina einen Kaffee zubereitete.
Was ist nun mit Hendrix? In der Tat leistete auch Rice Pionierarbeit, indem er sein Instrument "befreite". Was Hendrix für die elektrische Gitarre vollbracht hatte, tat Rice für die akustische. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf, allem voran bezüglich des Bekanntheitsgrades. "He is one of the greatest acoustic guitar players of all time, yet he's virtually unknown outside bluegrass music", fasste der Pressetext zu seiner Biographie treffend zusammen.
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